Gas-Streit:Gazprom will wieder Gas liefern

Die Europäische Union hat sich mit Russland auf eine Beobachtermission zur Überprüfung des Gastransfers durch die Ukraine geeinigt.

C. Bolesch und S. Zekri

Im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat sich am Donnerstagabend nach einem harten Tag voller Verhandlungen in Brüssel eine Lösung abgezeichnet. Russland stimmte nach Angaben der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft dem Einsatz von Beobachtern zur Überwachung von Gaslieferungen für die Europäische Union über die Ukraine zu. Die Stationierung der EU-Beobachter erfolge "überall dort, wo es zur Kontrolle der Gaslieferungen erforderlich" sei.

Gas-Streit: Wird der Hahn bald wieder aufgedreht? Im Gasstreit zeichnet sich eine Lösung ab.

Wird der Hahn bald wieder aufgedreht? Im Gasstreit zeichnet sich eine Lösung ab.

(Foto: Foto: ddp)

Damit dürfte der Gastransport, den Russland am Mittwoch komplett eingestellt hatte, wieder aufgenommen werden, teilte der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek am späten Abend in einer Presseveröffentlichung mit. Doch über die Details der Überwachung war bis zuletzt heftig gestritten worden. Ein Sprecher des EU-Energiekommissars sagte der Süddeutschen Zeitung am späten Abend, er habe keine Information über die Haltung der Ukraine.

Bis zuletzt wurde über die Zusammensetzung der Expertengruppe gestritten. Moskau bestand darauf, dass auch Russen dem Team angehören sollten. Kiew stimmte dem zunächst nicht zu. Die bisher ausgesuchten Beobachter sollen trotzdem an diesem Freitag in die Ukraine aufbrechen. "Als politisches Signal und um praktische Erfahrungen zu sammeln", erläuterte Energiekommissar Andris Piebalgs. Es dürfe keine Zeit vergeudet werden. "Die Bürger leiden unter der Kälte". Wann der Gastransport wieder losgehe, könne er nicht sagen.

Chaotischer Tag in Brüssel

Der Tag in Brüssel verlief verwirrend. Der russische Energiekonzern Gazprom erklärte zunächst am Morgen im Europaparlament, er wolle die Lieferungen nach Europa rasch wieder aufnehmen, wenn EU-Beobachter den Gasfluss an den Pipelines in der Ukraine überwachten. Gazprom-Chef Alexej Miller sagte: "Sobald die Beobachter in der Ukraine sind und Zugang zu den Pipelines haben, soll die Zufuhr so schnell wie möglich wiederhergestellt werden."

Auch die Ukraine gab sich kooperativ. "Aus unserer Sicht können die Beobachter schon morgen kommen", sagte Vizeministerpräsident Grigorij Nemiria. In Moskau sagte der russische Ministerpräsident Wladimir Putin vor Journalisten, Russland habe den "sehr guten" Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgegriffen und einen Entwurf für eine Beobachterkommission ausgearbeitet.

Putin gab die alleinige Schuld für die Probleme erneut der Ukraine. Russland habe sich seit Monaten um eine Lösung bemüht und sei sogar bereit, höhere Transit-Gebühren an die Ukraine zu zahlen. Moskau würde "drei bis vier Dollar" für die Durchleitung von 1000 Kubikmeter Gas durch 100 Kilometer ukrainische Pipeline bezahlen, wenn die Ukraine ihrerseits europäische Preise für russisches Gas entrichte. Zuletzt hatte Russland von der Ukraine 450 Dollar pro 1000 Kubikmeter gefordert. Putin bezeichnete die ukrainische Führung als unfähig und "hochgradig kriminell", sie habe Russland und Europa erpressen wollen.

Gazprom will wieder Gas liefern

Zudem plädierte der russische Regierungschef für den Bau der Ostsee-Pipeline. Gäbe es schon heute eine breite Diversifizierung der Leitungen nach Europa, wäre die Situation nicht so "dramatisch". 80 Prozent der russischen Gaslieferungen fließen derzeit durch ukrainische Pipelines. Moskau beschuldigt Kiew, es habe für die EU bestimmtes Gas illegal abgezapft. Kiew wirft indes Moskau vor, es habe ohne Grund die Lieferungen blockiert. Weite Teile Europas sitzen deswegen seit Tagen im Kalten.

In Brüssel bemühten sich die EU-Vertreter um Entspannung. "Das Ganze ist eine Vertrauenskrise", sagte der tschechische Energieminister Martin Riman. "Wir waren uns mit der Ukraine einig", ergänzte Energiekommissar Piebalgs. Kiew habe "viel guten Willen" gezeigt und zugesichert, die Experten unabhängig arbeiten zu lassen. Doch dann hätten sich die Russen zunächst quergestellt. Der Gazprom-Chef verteidigte dagegen die Position Moskaus. Um eine "faire und umfassende" Kontrolle des Transits durch die Ukraine zu gewährleisten, müssten alle Beteiligten Beobachter stellen können, also auch Russland, aber ebenso die Ukraine. Gazprom werde weiter an dieser Lösung arbeiten, teilte Alexei Miller am Donnerstagabend mit.

Mehrfach sprachen die Kontrahenten auch bilateral miteinander. Für die Regierung in Prag war klar, dass die Lösung nur auf "höchster politischer Ebene" ausgehandelt werden könne. Am Abend telefonierte Topolanek, dessen Land seit 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft innehat, mit Putin und Angela Merkel. Daraufhin hieß es, die EU habe sich mit Russland auf die Beobachtermission geeinigt. Details gab es zunächst keine.

An diesem Freitag werden Energieexperten der 27 EU-Staaten in Brüssel über die kritisch werdende Versorgung beraten. Die Kommission will Vorschläge machen, wie sich die Staaten gegenseitig helfen können, falls die Blockade andauert. Für kommenden Montag hat die tschechische EU-Ratspräsidentschaft die europäischen Energieminister zu einer Sondersitzung nach Brüssel einberufen.

Dubiose Zwischenhändler

In den Mittelpunkt rückt die Rolle der Zwischenhändler, vor allem die der Firma Rosukrenergo. Sie wurde nach dem Gasstreit 2006 gegründet, um zwischen Gazprom und der Ukraine zu vermitteln und hat seitdem ein Vermögen am Verkauf von russischem und zentralasiatischem Gas in die Ukraine verdient. Rosukrenergo ist in der Schweiz registriert, die Geschäftsstruktur aber schwer durchschaubar.

50 Prozent gehören Gazprom, die andere Hälfte den ukrainischen Geschäftsleuten Dmitrij Firtasch und Iwan Fursin, die wiederum nur Stellvertreter für Nutznießer in Kiew oder Moskau sein sollen. Rosukrenergo, so heißt es, könnte eine Einigung zwischen Moskau und Kiew verhindert haben. Putin sagte am Donnerstag, er kenne überhaupt nur Firtasch, der zweite Besitzer sei ihm "nicht vorgestellt worden". Sowohl Gazprom als auch die ukrainische Regierung machten am Donnerstag Zwischenhändler für die Krise mitverantwortlich.

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