EZB-Chefvolkswirt Stark tritt zurück:Schwarzer Freitag für den Euro

Schockwirkung rund um den Globus: Wenn der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank zurücktritt, bleibt das nicht ohne Folgen. Jürgen Stark mag sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht haben - trotzdem ist sie schwerwiegend falsch. Sein Rücktritt zeigt aber auch, dass die EZB sich auf einem verhängnisvollen Kurs befindet.

Marc Beise

Jürgen Stark ist nur ein Mensch, ein Beamter, aber einer, dessen Tun Aufmerksamkeit weit über seine Person hinaus findet. Wenn der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) aus inhaltlichen Gründen zurücktritt, dann sendet das Schockwirkungen rund um den Globus. Man kann annehmen, dass der kantige Pfälzer sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Sie ist dennoch schwerwiegend falsch.

Zwar wird Stark in Deutschland nun viel Respekt zuwachsen, weil er sich mit der ausufernden Geldpolitik der EZB-Mehrheit nicht mehr gemein macht. Immer wieder hatte Stark hinter den Kulissen mehr Härte im Kampf gegen die außer Kontrolle geratende Staatsverschuldung gefordert. Er hat im EZB-Rat zusammen mit dem Bundesbank-Präsidenten dagegen gestimmt, dass die Notenbank den Krisenländern im großen Stil wackelige Staatsanleihen abkauft und damit Partei wird. Als EZB-Ratsmitglied musste er öffentlich eine Geldpolitik verteidigen, die ihm zuwider war.

Stark hat natürlich auch zur Kenntnis genommen, wie sich sein Vorgänger, der erste Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, von seiner früheren Institution losgesagt hat. Dass Stark offenbar nicht länger bereit war zu kämpfen, kann man als weiteren Beweis dafür lesen, dass die EZB auf einem verhängnisvollen Kurs ist.

Dagegen steht die Überzeugung von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, dass die Bank als einzig funktionierende Institution das Versagen der Euro-Staaten ausgleichen muss. Solange die nicht auf einen gemeinsamen Stabilitätskurs finden, müsse die EZB sich die Finger schmutzig machen, den strauchelnden Staaten Kredit geben, um ein Chaos an den Finanzmärkten zu verhindern.

Aber selbst wenn man Stark in seiner Argumentation folgt: Was ist mit diesem Rücktritt gewonnen? Glaubt denn irgend jemand, dass die EZB sich deshalb nun eines anderen besinnt? Stattdessen ist nur erreicht, dass ein profunder Kenner des Systems fehlt. Einer, der Einfluss nehmen konnte. Der Neue muss sich diese Reputation erst erwerben - selbst wenn er Jörg Asmussen heißt und als Finanzstaatssekretär unter Steinbrück und Schäuble parteiübergreifend geschätzt wird. Asmussen, und auch das ist traurig, ist so ziemlich der letzte Beamte, den die Bundesregierung für Wirtschafts-Spitzenpositionen noch anzubieten hat - so weit ist es unter der Kanzlerin Angela Merkel nun gekommen.

Starks Rücktritt reiht sich an jenen des Bundesbank-Präsidenten Axel Weber, des Bundespräsidenten Horst Köhler und anderer Spitzenpolitiker - sie flüchten, wenn es schwierig wird. Die Finanzlage Europas ist nicht dramatisch, aber ernst. Immer mehr Deutsche sind in großer Sorge. In dieser Situation ist hartes Ringen um den richtigen Kurs selbstverständlich, aber auch das Signal der Handlungsfähigkeit. Ein Eklat in der EZB hilft nicht, sondern schadet. Insofern war dies ein schwarzer Freitag für den Euro.

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