Der Dax verliert:Börsen mit akuter Schwindsucht

Wann gibt es den rettenden Impuls, der den dramatischen Abwärtstrend an den Börsen stoppt? Der Dax hat weitere Verluste hinnehmen müssen, vor allem BMW-Aktien gaben massiv nach.

Der deutsche Aktienmarkt hat am Dienstag seine Talfahrt mit gebremstem Tempo fortgesetzt. Neue Hiobsbotschaften des einst weltgrößten US-Versicherers AIG sowie die trübe Stimmung deutscher Unternehmer ließen den Leitindex Dax zeitweise bis auf 3817 Punkte fallen. Mit minus 1,03 Prozent auf 3895,75 Punkten ging er schließlich aus dem Handel. Der MDax verlor 1,99 Prozent auf 4565,06 Punkte. Der TecDax gab um 0,86 Prozent auf 441,75 Zähler nach.

Dow Jones AFP

Keine guten Nachrichten an den Börsen: Die Kurse fallen. Den traditionellen Börsenfasching in Frankfurt am Main gibt's dennoch.

(Foto: Archivfoto: dpa)

Der MSCI-Index der weltweit größten börsennotierten Firmen fiel sogar auf ein Sechs-Jahres-Tief.

"Die deutschen Anleger haben ordentlich daran zu knabbern, dass der Dow-Jones-Index gestern auf den tiefsten Stand seit 1997 gefallen ist", sagte ein Börsianer. "Jetzt heißt es abwarten, wann sich die Amerikaner wieder trauen, ihre eigenen Aktien zu kaufen."

Die Enttäuschung über den Ifo-Index habe dann weitere Verkäufe ausgelöst. "Die Abweichung ist allerdings nicht allzu dramatisch", betonte er. Das Konjunkturbarometer sank im Februar auf 82,6 von 83,0 Zählern im Vormonat. Analysten hatten mit einem stabilen Ergebnis gerechnet.

Ein anderer Händler blickte trotz der aktuellen Kursverluste optimistisch in die Zukunft: "Viele hatten nur darauf gewartet, dass der Dax unter die Marke von 4000 Punkten fällt. Jetzt werden einige Anleger noch mal ein paar Aktien aus dem Depot werfen. Dann dauert es nicht mehr lange, bis die ersten Schnäppchenjäger mit ihren Käufen beginnen."

Versicherer unter Verkaufsdruck

Der Dax hatte die 4000er-Marke seit vergangenem Oktober mehrfach verteidigt. Am Montag rutschte er erstmals seit 2004 wieder unter dieses Niveau.

Unter starkem Verkaufsdruck standen die Versicherer, die unter anderem von den Spekulationen um einen drohenden Rekordverlust des US-Konkurrenten AIG belastet wurden. Einer mit der Angelegenheit vertrauten Person zufolge ist bei dem Versicherer ein Quartalsverlust von 60 Milliarden Dollar aufgelaufen. Die Aktien der Allianz rutschten um mehr als sechs Prozent ab. Die Papiere des französischen Konkurrenten Axa gaben ebenfalls mehr als sechs Prozent nach.

Der Index für den europäischen Assekuranz-Sektor rutschte um bis zu sechs Prozent ab auf den tiefsten Stand seit Oktober 1992.

Noch vor der Allianz auf den ersten beiden Plätzen der Dax-Verliererliste lagen BMW und Daimler. Die Analysten von JP Morgan und Morgan Stanley hatten sich kritisch zu BMW geäußert. Morgan Stanley riet zudem, Investoren sollten mit einem Kauf der Aktie lieber abwarten, bis sie deutlich unter 10 Euro notiere. BMW-Aktien fielen darauf um 7,8 Prozent auf 18,58 Euro. In ihrem Sog verloren Daimler 7,1 Prozent auf 17,95 Euro.

Im Rampenlicht stand außerdem die Solarfirma Q-Cells, deren Aktien trotz einer Prognosesenkung im frühen Handel bis zu neun Prozent zulegten. "Die Reduzierung der Ziele für 2009 ist nur marginal und nicht die große Katastrophe, die einige Marktteilnehmer erwartet hatten", schrieb DZ-Bank-Analyst Sven Kürten in einem Kommentar. Angesichts des weiter fallenden Gesamtmarktes konnten Q-Cells ihre Anfangsgewinne aber nicht halten und lagen gegen Mittag 2,8 Prozent im Minus.

In Asien hatte sich der japanische Leitindex Nikkei gegen Ende des Handelstages zwar wieder leicht erholt: Er ging schließlich mit einem Minus von 1,46 Prozent bei 7268 Punkten aus dem Handel. Zeitweise hatte er aber mit 7155 Zählern so tief wie zuletzt im Oktober 1982 notiert.

Einer der größten Verlierer war der führende japanische Broker Nomura, dessen Aktienkurs um mehr als achteinhalb Prozent abrutschte. Bereits zuvor hatte Nomura angekündigt, es würden erstmals seit zwanzig Jahren neue Stammaktien ausgegeben, um damit bis zu 3,3 Milliarden Dollar einzunehmen. Canon-Papiere verbilligten sich um knapp drei Prozent. Die Aktien des Elektronikkonzerns TDK gaben um 3,6 Prozent nach.

Die US-Börsen hatten zuvor am Montag ihre Talfahrt fortgesetzt. Anhaltende Sorgen um die Finanzbranche und ein Ausverkauf bei Technologiewerten sorgten für schlechte Stimmung.

Ford-Aktien legen deutlich zu

Die Hoffnung auf ein verstärktes Engagement der amerikanischen Regierung bei der massiv unter Druck geratenen Großbank Citigroup konnte den Markt nur zeitweise stützen. Es gebe nach wie vor Sorgen um die Stabilität des Finanzsystems, erklärten Analysten. Die Aktien des Autobauers Ford profitierten dagegen von einer Einigung mit den Gewerkschaften über Krankenversicherungskosten. Die Titel des Autoherstellers schossen 9,5 Prozent nach oben.

Nachdem die US-Börsen bereits Ende vergangener Woche auf den tiefsten Stand seit sechs Jahren gefallen waren, hatte der US-Leitindex Dow Jones weitere 3,4 Prozent auf 7114 Punkte eingebüßt. Das ist der tiefste Stand seit 1997. Im Verlauf hatte er zwischen 7105 und 7441 Zählern gependelt.

Der breiter gefasste S&P 500 hatte 3,5 Prozent auf 743 Zähler verloren, was ein 12-Jahres-Tief bedeutete. Der Index der Technologiebörse Nasdaq war 3,7 Prozent auf 1387 Punkte gesunken.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die US-Börsen in den Keller rauschten.

Börsen mit akuter Schwindsucht

Investoren ziehen Kapital ab

Nach anfänglichen Gewinnen waren die US-Börsen vor allem deshalb ins Minus gedreht, weil Investoren ihr Geld aus dem Technologiesektor abgezogen hatten. Grund waren Befürchtungen, dass die Firmen wegen der Rezession ihre IT-Ausgaben weiter kürzen und damit die Ergebnisse der Branche belasten. Die Papiere des Mac- und iPhone-Herstellers Apple verbilligten sich um 4,7 Prozent, die des weltgrößten Software-Konzerns Microsoft um 4,4 Prozent. Die Aktien des Chip-Giganten IBM verloren fünf Prozent, die des weltgrößten PC-Herstellers Hewlett-Packard sogar 6,3 Prozent.

Auch die Papiere des Mischkonzerns General Electric stürzten um 5,7 Prozent ab. Ein Grund war, dass die Deutsche Bank ihr Kursziel für den Siemens-Konkurrenten fast um ein Drittel nach unten schraubte.

Im Bankensektor herrschte trotz der Ankündigung der US-Regierung, systemrelevanten Finanzinstituten zu helfen, weiter Unsicherheit. "Wir wissen nicht, welche Position die Regierung vertritt, ob es Verstaatlichungen geben wird oder ob es so weiter gehen wird wie bisher", sagte Händler Peter Boockvar. "Unabhängig davon bleibt die Wirtschaft schwach und der Markt hat Angst vor schlechten Firmenergebnissen."

Die Papiere der Citigroup, die am Freitag abgestürzt waren, profitierten von Spekulationen über eine höhere Beteiligung der US-Regierung an dem Institut. Medien berichteten, die Staatsbeteiligung könnte auf bis zu 40 Prozent steigen. Die Aktien der Citigroup schossen zunächst um knapp 20 Prozent in die Höhe und lagen zu Handelsende noch 9,7 Prozent im Plus. Bank-of-America-Papiere verteuerten sich um 3,2 Prozent.

Kreisen zufolge verhandelt die US-Regierung auch mit dem angeschlagenen Versicherungskonzern AIG über eine weitere Finanzspritze. Möglich seien weitere Mittel für den Versicherer oder das Begleichen von Schulden durch Aktien, sagte eine mit der Situation vertraute Person. Die Verhandlungen seien jedoch noch im Gange und auch andere Optionen würden diskutiert. AIG und Finanzministerium äußerten sich nicht zu dem Bericht.

AIG mit großen Verlusten

Indes hieß es am Montag auch, AIG stehe vor dem größten Verlust eines Unternehmens in der US-Geschichte. Das Minus liege durch enorme Abschreibungen voraussichtlich nahe 60 Milliarden Dollar (47 Mrd. Euro), berichtete der TV-Sender CNBC unter Berufung auf Insider. Die Aktien von AIG stürzten zwischenzeitlich um rund 15 Prozent ab und schlossen 1,9 Prozent tiefer. Wenn es kein Übereinkommen mit der US-Regierung gebe, würden sich die Anwälte von AIG auf die Möglichkeit einer Insolvenz vorbereiten, hieß es in dem Bericht weiter.

Die US-Regierung hat AIG mit zwei Finanzspritzen in Höhe von rund 150 Milliarden Dollar bereits zwei Mal vor dem Aus gerettet. Der einst weltgrößte Versicherer stand wegen Hypothekenpapieren vor dem Abgrund, die infolge der Finanzkrise stark an Wert verloren und mittlerweile unverkäuflich sind.

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