Fragen und Antworten:Stimmt es, dass die Benzinpreise vor Feiertagen und Ferien steigen?

Die Autofahrer kennen das: Jedes Jahr steigen zu Ostern die Benzinpreise. Stimmt nicht, sagen die Konzerne. Dies sei nur subjektive Wahrnehmung! Was ist nun tatsächlich dran am Abzock-Gefühl?

Kristina Läsker

Bundesweit starten dieser Tage die Osterferien, doch das beschert vielen nicht nur Freude. Etliche Reisende ärgern sich über die hohen Benzinpreise. Diese haben zum Urlaubsbeginn neue Rekordstände erklommen - und nähren das Gefühl, dass dahinter eine gezielte Absprache der Industrie steckt. Von "subjektiver Wahrnehmung" spricht der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) - über eine Abzocke zu Lasten der Autofahrer schimpfen Automobilklubs.

Benzinpreise steigen zu Ostern

Steigen die Spritpreise an Ostern tatsächlich? Oder ist alles nur Einbildung?

(Foto: SZ-Grafik)

Stimmt es, dass die Benzinpreise vor Feiertagen und Ferien steigen?

Zu Ostern, Weihnachten und Urlaubsbeginn gehen traditionell die Preise hoch. Das meint zumindest Wolfgang Rose, Chef des Stuttgarter Auto Club Europa. "Das ist kein Gefühl, das stimmt." Der Verein untermauert dies mit einer Studie: Demnach hätten die Mineralölkonzerne in den letzten fünf Jahren jeweils einige Tage vor Ostern "wie im Gleichschritt und mit System" die Preise hochgezogen.

Das stimmt und wieder auch nicht. Denn die Preise an den Tankstellen steigen in der Regel mehrmals pro Woche - und fallen auch mehrfach. So dass solche Aussagen irgendwie immer stimmen, aber trotzdem irreführend sein können. Diese Statistiken dienen vor allem dem, der sie gerade auslegt.

Welche Faktoren sind entscheidend für die Preisbildung?

Die Ölbranche wehrt sich gegen die Vorwürfe und kontert mit eigenen Untersuchungen, die den Eindruck widerlegen sollen, dass Spritpreise immer zu Ferienbeginn erhöht werden. Die Preise bildeten sich nicht nach Feiertagen, sondern "nach den Einkaufskosten für das Produkt Benzin und Diesel auf den Weltmärkten", sagt Karin Retzlaff vom MWV. Die an der Zapfsäule fällige Summe orientiere sich mitnichten am Ferienbeginn. "Das ist eine subjektive Empfindung des Verbrauchers."

Wer verdient an Diesel und Sprit?

Vor allem der Staat. Unmittelbar vor der Reisewelle war der Preis für Superbenzin am Freitag im Schnitt auf 1,59 Euro geklettert - auf den höchsten Stand seit knapp drei Jahren. Der Liter Diesel lag bei etwa 1,47 Euro. "Wir sind wieder auf dem Rekordniveau aus dem Sommer 2008", bestätigt Retzlaff.

Damals kostete ein Liter Super ebenfalls 1,59 Euro. Von diesem Benzinpreis erhält das meiste der Staat: Als Mehrwertsteuer fließen 16 Prozent und als Mineralölsteuern 42 Prozent in die öffentlichen Kassen - derzeit entspricht das etwa 92 Cent. "Abzüglich der Kosten verbleibt etwa ein Cent pro Liter an der Tankstelle", sagt Retzlaff.

Welche Rolle spielt die Lage an den Rohstoffmärkten?

Etwa ein Drittel des Preises müssten die Konzerne zurzeit beim Einkauf zahlen - und das verursache den diesjährigen Oster-Ärger: Laut MWV zwingen die hohen Preise an den internationalen Rohstoffmärkten die Tankstellen dazu, die Preise zu erhöhen. So stiegen die Preis an den Weltmärkten seit Mitte März um acht Cent pro Liter Benzin.

Superbenzin kostete am europäischen Öl- und Kraftstoffmarkt in Rotterdam zuletzt 55,84 Cent pro Liter - und damit ähnlich viel wie im Rekordpreis-Sommer 2008. Die Mineralölkonzerne würden davon aber gar nicht profitieren, so der Verband.

Wie können Verbraucher Preisschwankungen nutzen?

Dass die Preise letzte Woche so stark geklettert sind, erklärt der Verband mit "den üblichen Schwankungen" innerhalb einer Woche. "Wegen des Wettbewerbs ändert sich der Preis häufig mehrmals am Tag", sagt Retzlaff. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Tankstellenbetreiber darauf reagierten, dass Sprit in der Nachbarschaft billiger oder teurer verkauft wird.

Der ADAC empfiehlt Autofahrern deshalb, lieber sonntags zu tanken. Der Automobilclub hat die Tagespreise des vergangenen Jahres untersucht und festgestellt, dass Superbenzin am Sonntag im Schnitt 3,4Cent weniger kostet als am Freitag. Diesel ist demnach sonntags sogar 3,7 Cent billiger.

Wer bestimmt die Preise?

Neutrale Beobachter des Benzinmarkts können den Vorwürfen der Preistreiberei nur bedingt zustimmen. Der Branchendienst EID beobachtet seit Jahren, dass im Frühjahr weltweit für Benzin die Preise anziehen. Der Grund: "Die USA sind auf Benzin-Importe angewiesen, vor allem aus Europa, weil die eigenen Raffineriekapazitäten nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken", heißt es dort.

Die deutschen Tankstellenpreise wiederum werden vom Rotterdamer Markt bestimmt. Dort wirkt sich die US-Nachfrage unmittelbar aus. Zudem werde an Ostern mehr Auto gefahren, wenn die erste große Reisewelle das Land erfasst, sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Ein Preisanstieg sei bei steigender Nachfrage "ein normaler Mechanismus".

Was wird gegen die hohen Preise getan?

Ob es sich wirklich um Abzocke handelt, prüft derzeit das Bundeskartellamt. Ende Mai wollen die Wettbewerbshüter einen Bericht vorlegen, aus dem hervorgeht ob die fünf großen Anbieter - BP/Aral, ConocoPhilips/Jet, ExxonMobil/Esso, Shell und Total - ihre Preise absprechen. Die Behörde überprüft dazu in Hamburg, Köln, München und Leipzig die Bücher von 100 Tankstellen inklusive aller Preisbewegungen. "Wir haben aber nach wie vor keine Hinweise, dass sich Mineralölkonzerne bei den Preisen absprechen", sagte Kartellamtschef Andreas Mundt vor kurzem der Süddeutschen Zeitung.

Die Probleme, sagte Mundt, lägen aber auf anderen Ebenen. Eine Rolle könnte dabei auch die enge Verflechtungen der Ölkonzerne im Raffineriegeschäft spielen, also auf der Ebene, die dem Tankstellengeschäft vorgelagert ist.

Wo gibt es noch billigen Sprit in Europa?

Wer dem Schrecken an den deutschen Zapfsäulen entkommen will, kann in Grenznähe in billige Nachbarländer ausweichen. Die Preisunterschiede beruhen vor allem auf der unterschiedlichen Besteuerung der einzelnen Staaten.

Am meisten sparen Autofahrer laut ADAC in Polen und Luxemburg. Bei unserem östlichen Nachbarn konnten Reisende den Liter Super zuletzt für 1,26 Euro tanken, für Diesel wurden 1,24 Euro fällig. Das kleine Luxemburg unterbietet sogar noch diesen Diesel-Preis: Hier zahlen die Autofahrer nur 1,19 Euro für den Liter Diesel, für Superbenzin immerhin noch 1,30 Euro. Außerdem lohnt sich auch der Stopp an der Tankstelle in Österreich, wo Super und Diesel etwa 1,35 Euro kosten. Ruhe in die Diskussion dürfte aber auch der Blick auf die deutschen Preistafeln bringen: Am Dienstag war der Liter Superbenzin schon wieder gesunken - im Schnitt um drei Cent.

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