Zwischen Blu-Ray- und HD-DVD:Eine Frage des Formats

Die Industrie einigt sich nicht auf einen DVD-Nachfolger. Und das macht Internet-TV attraktiv.

Ingo Arzt

Das Ringen um den technischen Standard der nächsten Generation von DVDs ist vorüber. Leider möchte man sagen. Denn mit Blu-Ray und HD-DVD werden 2006 zwei inkompatible Systeme auf den Markt drängen.

Zwischen Blu-Ray- und HD-DVD: So sieht eine Sony Blu-Ray-DVD mit 50 Gigabyte aus.

So sieht eine Sony Blu-Ray-DVD mit 50 Gigabyte aus.

(Foto: Foto: AP)

Nach dem Scheitern der entscheidenden Verhandlungen zur Vereinheitlichung beider Formate teilt sich die Unterhaltungs-Industrie in zwei konkurrierende Lager.

Das bedeutet: Wer die neuen DVDs genießen will, sich etwa ein Blu-Ray-Abspielgerät kauft und dann einen Film einlegt, der bei Universal Pictures erschienen ist, kann ihn nicht ansehen: Das Studio wird seine Filme auf HD-DVD pressen. Wen das ärgert, der kann in Zukunft einfach auf DVDs verzichten. Das so genannte IPTV (Internet Protokoll TV) verteilt Filme via Internet, ohne Silberscheiben als Medium.

Die konkurrierenden DVD-Lager haben zwar weitere Gespräche angekündigt, doch eine Einigung ist nicht zu erwarten. Denn die beiden Konsortien schaffen Fakten: Sony wird im Frühjahr 2006 die Playstation 3 mit Blu-Ray-Laufwerken auf den Markt bringen.

Zu wenig Platz

Das Format wird von mehr als 140 Firmen unterstützt, darunter Geräte-Hersteller wie Panasonic, Philips und Pioneer, sowie große Hollywood-Verleihe wie Twentieth Century Fox. Philips kündigt die baldige Einführung von Blu-Ray-Geräten an.

Toshiba dagegen, an der Spitze der HD-DVD-Seite mit 85 Firmen, will sein Gerät noch in diesem Jahr auf den Markt bringen. Große Verleihe wie New Line Cinema, Paramount Pictures oder Universal Pictures wollen ihre Filme auf entsprechende DVDs pressen.

Was die Konsumenten zum Kauf der Geräte animieren soll, ist das High-Definition-Fernsehformat (HDTV). Es hat eine fünfmal höhere Auflösung als das heutige PAL-System. Da Blu-Ray-Scheiben auf einer Datenlage 25, HD-DVDs 15 Gigabyte speichern können, passen Filme in HD-Qualität gegenwärtig nur auf die neuen Discs. Herkömmliche DVDs mit 4,38 Gigabyte bieten zu wenig Platz.

Aber warum nicht einfach bei den alten DVDs bleiben? "Vermutlich wird es so laufen wie bei der Umstellung von der Langspielplatte auf die CD", sagt Oliver Pribramsky, Program Manager bei der Windows Digital Media Division. Wer damals neue Alben wollte, musste sich einen CD-Player kaufen, weil LPs nicht mehr hergestellt wurden. Die Geschichte könnte sich wiederholen.

Für die Industrie bergen die Formate einen weiteren Vorteil: Einzig die neue DVD-Generation kann dem illegalen Kopieren von Filmen effektiv einen Riegel vorschieben.

Das zu erreichen, war von Beginn an wichtiger Bestandteil in den Spezifikationen beider DVD-Formate. Die Lösung heißt nun Advanced Access Content System. Dabei wird alles, egal ob Daten, Film oder Ton, auf der DVD verschlüsselt gespeichert und übertragen.

Erst die entsprechenden Hardware- oder Software-Komponenten im Abspielgerät entschlüsseln alles wieder, falls der Benutzer eine gültige Lizenz erworben hat. Sollte ein Hacker eine der Komponenten knacken, kann er DVDs, die mit einem anderen Code verschlüsselt sind, nicht kopieren. Diese neue Sicherheit und das flexible Lizenzmodell, so Pribramsky, können einen Anreiz bieten, Filme nicht mehr auf herkömmlichen DVDs herauszubringen.

"Schrecklich unpraktisch"

Robert Capps, Produkt-Redakteur des US-Magazins Wired, hat, genervt vom Krieg der Formate, dagegen bereits das Ende der Silberscheiben-Ära verkündet. "Discs sind schrecklich unpraktisch", sagt er und fragt: Warum sollten Verleihe Filme und Musik auf Scheiben pressen und sie über die ganze Welt verteilen.

Zu teuer, zu langsam, zu unflexibel, die Zukunft gehöre dem Netz: Beim IPTV verschmelzen Fernsehen und Internet, Filme werden über Breitband-Anschlüsse einfach aus dem Cyberspace geladen. Analysten schätzen, dass das Gezerre um die neuen DVDs der IP-Technik einen entscheidenden Schub verleihen könnte.

Die Zuschauer sitzen beim IPTV vor einem Fernseher, der an einen PC angeschlossen ist. Der sieht aus wie ein Baustein eines Hifi-Turms, zieht beliebige Fernsehbeiträge jederzeit aus dem Internet, speichert sie auf Festplatte, CD oder DVD oder sendet sie via TV-Karte an den Fernseher. Nach Angaben von Microsoft stehen bereits 400.000 solcher Geräte in deutschen Wohnzimmern, betrieben mit Windows XP Media Center Edition.

"Noch macht uns die Kapazität der Netze zu schaffen", sagt Joachim Wildt, Director Media & Communication Industry bei Pixelpark. Mit den neuen Kompressionsverfahren VC1 von Windows oder der Konkurrenz MPEG4 werden Multimedia-Daten aber so dicht gepackt, dass "wir bis Ende 2006 über normale DSL-Anschlüsse IPTV in HDTV-Qualität anbieten können", sagt Wildt.

Komprimiert passen die Filme dann auch in hoher Auflösung auf herkömmliche DVDs. Pixelpark hat bereits das ZDF IPTV-fähig gemacht, wie eben auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin gezeigt wurde. Wer eine Sendung verpasst hat, kann sie auch Stunden später anschauen und nebenher andere Beiträge zum gleichen Thema suchen.

Bislang nur ein Nischenmarkt

Laura Behrens, Analystin beim IT-Beratungs-Unternehmen Gartner, schätzt: "Die Dominanz der DVD als Medium für Videos könnte nun einige Jahre früher bröckeln. Anders wäre es gewesen, wenn die nächste Generation von DVDs auf einem einzigen Format herausgekommen wäre."

Denn IPTV ist auch sicher: Die digitale Urheberrechtstechnik von Microsoft arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie der Kopierschutz der neuen DVDs. Zudem ist es flexibler, wie Angebote von T-Online und Arcor zeigen. Hier können Filme über IPTV für eine gewisse Zeit bezogen werden oder eine Lizenz für eine Anzahl von Durchläufen gekauft werden. "Denkbar wäre auch ein Angebot, bei dem sie den Film einmal anschauen und dann entscheiden, ob sie ihn für ein paar Euro mehr auf eine DVD brennen wollen", sagt Wildt.

DVDs dagegen kauft man oder man kauft sie nicht. So bietet IPTV für Firmen wie Microsoft, T-Online oder Arcor erstmals Zugang zur Filmindustrie. Unabhängig vom DVD-Markt können sie voll auf den Durchbruch von IPTV setzten.

Noch aber ist das IPTV ein Nischenmarkt. Die Silberscheiben seien dagegen etabliert, allgegenwärtig und sogar die ersten Anhänger von IPTV kaufen weiterhin DVDs, sagt Laura Behrens. Das kann sich dank des Eigentors im Formatkrieg der Unterhaltungs-Industrie nun ändern. Joachim Wildt ist optimistisch: "Wir glauben, dass es in fünf bis zehn Jahren keine Videotheken mehr geben wird -- und wenn, dann als Server, von dem man die Filme runterladen kann."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: