Zukunftstechnologien:Wie die Telekom in deutsche Start-ups investiert

Glänzende Zeiten für Gründer: Unternehmen wie die Deutsche Telekom und Telefónica stecken Millionen in Start-ups, weil sie sich Zugang zu deren Innovationen sichern wollen.

Björn Finke

Alte und neue Welt sind hier ganz nah beieinander. Während des Kaiserreichs leiteten im Telegraphen-Apparate-Saal Postbeamte in Uniform und mit Zwirbelbart Nachrichten weiter. An den Wänden des Saals hängen große Schwarzweiß-Fotos, auf denen sie selbstbewusst in die Kamera blicken. Doch im Saal geht es an diesem Tag nicht um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft der Telekommunikation: Auf Ständen stellen sich dort kleine innovative Firmen vor, die Programme und Produkte rund ums Thema Handy oder Internet entwickeln.

Denn seit 2000 beherbergt das ehemalige Kaiserliche Haupttelegraphenamt in Berlin-Mitte die Repräsentanz der Deutschen Telekom. Und der Dax-Konzern hat zur "T-Venture Open" geladen, einer Art Hausmesse, wo die Wagniskapitaltochter T-Venture über ihre Beteiligungen informiert.

T-Venture steigt, meist mit Minderheitsanteilen, bei Start-ups ein. 82 Firmen gehören gerade zum Portfolio: vom Handy-App-Hersteller Mytaxi über den Chipproduzenten Lantiq bis zum Brennstoffzellen-Anbieter Future-E. Auf der Messe schauen nun 400 Gäste - Telekom-Manager aus der Bonner Zentrale, andere Investoren und Gründer -, was die kleinen Unternehmen drauf haben und ob man mit ihnen zusammenarbeiten kann.

Auf die Krawatte verzichtet

Telekom-Vorstandschef René Obermann hat passend zum jung-dynamisch-kreativen Publikum auf die Krawatte verzichtet, bei seiner Rede preist der 49-Jährige T-Venture als "wichtigen Teil unserer Innovationsstrategie". Er fordert: "Wir müssen viel mehr Innovationen von außen in den Konzern bringen."

Genau diese Zielsetzung ist es, die Investoren wie T-Venture von klassischen Wagniskapitalgebern unterscheidet. Venture Capital - so der Fachbegriff - bedeutet, dass jemand einen Gründer unterstützt und dafür einen Anteil an dem Betrieb erhält. Entwickelt sich die Firma gut, kann der Gönner den Anteil nach mehreren Jahren mit Gewinn losschlagen.

Schlägt das Projekt fehl, war es eben ein Wagnis. Neben Fonds und Töchtern von Banken fördern aber auch Industriekonzerne wie Siemens oder Kommunikations-Anbieter wie die Telekom oder Telefónica Gründer. Sie finanzieren dafür sogenannte Corporate-Venture-Capital-Gesellschaften. Doch bei deren Investments geht es nicht nur um den Verkaufsgewinn, sondern zugleich darum, früh bei Pionieren der Branche einzusteigen.

T-Venture verwaltet ein Vermögen von 750 Millionen Euro - damit gehört die 1997 gegründete Konzerntochter zu den größten Corporate-Venture-Capital-Gebern weltweit. Etwa 20 neue Beteiligungen kommen jedes Jahr hinzu. Gerade für Telekom-Unternehmen ist es wichtig, sich bei Start-ups einzukaufen. Denn im Stammgeschäft mit Telefon- und Handygesprächen verdienen sie immer weniger. Sie müssen Milliarden in Glasfaserkabel investieren, damit Kunden ruckelfrei im Netz surfen können. Doch das große Geschäft machen online andere, Webkonzerne wie Google oder Facebook, die mit geringem Kapitaleinsatz fette Gewinne einstreichen.

Zusätzliche Geschäfte

Die Telekom-Firmen wollen etwas abhaben vom Geldsegen, daher investieren sie in Handyprogramme und Internetanwendungen. Die Deutsche Telekom etwa hofft, den Umsatz der eigenen Online-Angebote wie des Musikhändlers Musicload oder des Bezahldienstes Clickandbuy bis 2015 von einer auf zwei bis drei Milliarden Euro zu steigern.

Auch bei intelligenten Netzlösungen im Gesundheitswesen und der Stromversorgung wollen die Bonner mitverdienen. Im April erwarben sie fast 50 Prozent am Dienstleister HMM Deutschland, der die Abrechnung zwischen Krankenkassen, Sanitätshäusern und Apotheken übers Internet abwickelt. Die Telekom verfügt über eine Option, später die Mehrheit zu kaufen. T-Venture war bereits seit vier Jahren mit 18 Prozent an Bord gewesen - die Minderheitsbeteiligung der Wagniskapitaltochter mündet also in eine Mehrheitsübernahme.

Die eigene Mutter

T-Venture-Chef Georg Schwegler sieht dafür noch andere Kandidaten: "Einige unserer deutschen Beteiligungen haben Produkte, mit denen sich die Telekom gut von der Konkurrenz abheben könnte." Er würde es begrüßen, wenn die Telekom bei denen die Mehrheit erwerben würde. Seit der Gründung ist die Gesellschaft mehr als 180 Investments eingegangen, nach fünf bis sieben Jahren sucht T-Venture meist einen Käufer für den Anteil - und manchmal ist es eben die eigene Mutter.

Doch der Konzern profitiert von den innovativen Beteiligungen nicht nur, wenn er sie am Ende übernimmt oder bei einem Verkauf an Dritte eine ordentliche Rendite erzielt. Die Bonner schließen mit den Unternehmen auch Vertriebsvereinbarungen ab und können so den Kunden neue Dienste anbieten. Den Gründern wiederum hilft der Zugang zu den 180 Millionen Kunden und dem Branchenwissen der Telekom.

Auf zusätzliches Geschäft durch die Beteiligung hofft auch Mark-Uwe Oßwald. Der Ingenieur ist Gründer und Chef von Future-E, einem Hersteller von Brennstoffzellen aus Nürtingen. Die Telekom nutzt die kleinen Kraftwerke seit 2009 bei einigen Netzknotenpunkten als Notstromreserve und war davon so angetan, dass 2011 T-Venture eine Zehn-Prozent-Beteiligung kaufte. "Dank der Kontakte von T-Venture konnte ich unsere Produkte in der Telekom-Zentrale Managern vorstellen", sagt Oßwald. Neuen Umsatz hat das bisher nicht gebracht, aber der 44-Jährige ist da zuversichtlich.

Demnächst werden noch mehr Gründer auf dem Radar von T-Venture landen: Telekom-Chef Obermann verkündete in Berlin, die Tochter werde sich an riskantere Investments als bisher wagen, also auch in sehr junge Firmen Kapital stecken. Bislang beteiligt sich T-Venture vor allem, wenn schon andere Geldgeber an Bord sind und nun Mittel für weiteres Wachstum benötigt werden.

Ganz am Anfang setzt Hubraum an, der Inkubator, den das Dax-Mitglied in Berlin eröffnet. Das ist eine Art Brutkasten für Gründer: Wer eine Geschäftsidee, aber keine Firma hat, erhält dort neben Geld auch ein Büro und Beratung; die Telekom erhält als Gegenleistung Anteile. Seit Mitte Mai können sich Interessenten bewerben, schon 115 Anfragen seien eingegangen, berichtet Hubraum-Chef Min-Kin Mak. Konkurrent O2, eine Tochter des spanischen Telefónica-Konzerns, hat in München ein ähnliches Projekt gestartet. Glänzende Zeiten für Gründer.

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