Zukunft mit Augmented Reality:Die ganze Welt ein Bildschirm

Tiger im Supermarkt, Monster im Wohnzimmer: Die Träume der Augmented-Reality-Entwickler von Microsoft, Google und Co. umfassen nervige Werbung ebenso wie Unterhaltungsspektakel. Aber es finden sich auch nützliche Ideen darunter.

Von Matthias Huber

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Bildersturm im Supermarkt

Minority-Report-Advertising billboards

Quelle: 20th Century Fox

Tiger im Supermarkt, Monster im Wohnzimmer: Die Träume der Augmented-Reality-Entwickler von Microsoft, Google und Co. umfassen nervige Werbung ebenso wie Unterhaltungsspektakel. Aber es finden sich auch nützliche Ideen darunter.

So wird der Supermarkt zur Geisterbahn: Der unbedarfte Kunde biegt gerade vom Gang mit dem frischen Gemüse in die Reihe mit den Frühstücksflocken. Plötzlich springt ein Comic-Tiger in den Weg, der wort- und gestenreich eine bestimmte Corn-Flakes-Marke anpreist. Und wenige Fächer weiter lockt die Packung eines Kaffeerösters mit der hypnotischen Ruhe, mit der sich unaufhörlich ein Strudel von Kaffeebohnen in eine Mühle ergießt. Augmented-Reality-Brillen sollen diese schöne neue Werbewelt möglich machen und den Träger in Zukunft mit all jenen Reizen überfluten, die knallige Farben und Markenlogos allein nicht leisten. Das zumindest stellt das von Google gekaufte Unternehmen Magic Leap in mehreren Konzeptskizzen in Aussicht. Immerhin sind auch eine Reihe weniger aufdringlicher Marketing-Methoden denkbar: Kleidungsstücke kann man sich in verschiedenen Farben zeigen lassen, selbst wenn nicht jede Variante auf Lager ist, oder Zusatzinformationen wie Inhaltsstoffe zu Produkten einblenden. Ob diese Vorzüge aber irgendeinen Menschen überzeugen können, sich beim Einkaufen freiwillig einem Bildersturm auszusetzen?

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Der schnellste Weg zur Milch

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Quelle: dpa

Während aufdringliche Werbung eher abschrecken dürfte, könnte der Komfortgewinn dank Augmented Reality manchen Skeptiker doch in den digital aufgemotzten Supermarkt locken. Hat er seine Einkaufsliste via entsprechender App in der Datenwolke abgelegt, leitet das Navigationssystem des Shops zielstrebig und auf dem kürzesten Weg durch den Regal-Dschungel - von den Kartoffeln vorbei am Tiefkühl-Gemüse zu Mülltüten und Hustenbonbons. Falls die Händler und ihre Supermarkt-Architekten mitspielen, heißt das. Immerhin ist es kein Geheimnis, dass Läden mehr verkaufen, wenn der Kunde möglichst lange braucht, um seinen Weg zu den gesuchten Waren zu finden. Dieses Problem lässt sich womöglich mit smarten Empfehlungen für zusätzliche Produkte mehr als ausgleichen. "Kunden, die diesen Artikel gekauft haben...", heißt es bereits jetzt auf diversen Online-Plattformen. Im Supermarkt wäre das dann auch möglich: Sie haben Müsli im Einkaufskorb? Dann brauchen Sie bestimmt auch Milch. Bitte hier entlang! Und wer sagt denn, dass der Weg zur Abteilung mit den Milchprodukten wirklich der kürzeste sein muss?

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Schaltflächen überall

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Quelle: dpa-tmn

Eines der größten Probleme, das tragbaren Geräten wie Smartwatches, Datenbrillen und Co. im Kampf um die Akzeptanz der Kunden im Weg steht, ist ihre Bedienung. Ein mickriger Bildschirm am Handgelenk taugt als Eingabegerät per Touch-Oberfläche nur notdürftig, ein Brillenbügel bietet auch kaum Platz für eine Reihe von Knöpfen. Und wer will sich schon in der Öffentlichkeit und Gesellschaft anderer Menschen per Sprachsteuerung mit seinen Geräten unterhalten und so bemerkenswert effizient zum Affen machen? Eine elegantere Lösung haben die Augmented-Reality-Konzepte von Magic Leap und Microsofts HoloLens parat. Sie können Knöpfe und Schaltflächen quasi überall hin projizieren, sichtbar nur für den Träger - dezent in die Handfläche oder auch in protzigem Gemälde-Format an eine Wand. Auch mit Gegenständen und ihrer Handhabung lassen sich Anwendungen verknüpfen: ein Tapser auf die Armbanduhr blendet die Facebook-App ein, kratzt man sich nachdenklich an der Schläfe, öffnet sich Wikipedia oder die Google-Suche. Und für die Dating-App Tinder? Da schlagen wir das unauffällige Abziehen des Eherings vor.

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Filme mit Rundum-Blick

Tristan de Viaris

Quelle: AP

Der Film dauert zwischen dreieinhalb und zehn Minuten: Diese ungenaue Zeitangabe verdeutlicht, wie neuartig Regisseure denken müssen, wenn sie einen Film für ein Virtual-Reality-Headset wie das Oculus Rift produzieren. "Lost", das Kurzfilm-Debüt des frisch gegründeten Filmstudios Oculus Story Studio, war auf dem Sundance-Filmfestival zu Gast. Das Oculus Rift lässt den Film komplett um seinen Betrachter herum entstehen: Bewegt oder dreht er sich, folgt die Kameraperspektive seinem Blick, die Tonkulisse schließt den letzten Rest der realen Welt aus. Die Geschichte, die sich vor den Augen und Ohren abspielt, ist nicht interaktiv, nicht zu verwechseln mit einem Spiel. Aber was der Nutzer zu sehen bekommt, hängt davon ab, wo er hinschaut. Für Spiele ist die Technologie natürlich ebenfalls interessant - ebenso wie die Schwester Augmented Reality: Unter der Marke "Monster Battle" plant Magic Leap offenbar ein Spiel, in dem man digitale Haustier-Monster im Wohnzimmer oder Garten gegeneinander antreten lassen kann. Die Unordnung, die tobende Hunde verursachen, ist von ihren virtuellen Gegenstücken wohl nicht zu befürchten.

© SZ vom 04.02.2015
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