Zensurdrohung:Kreml pfeift Twitter-Kritiker zurück

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Der Vize-Chef der russischen Zensurbehörde verkündet, dass er die Sperre von Twitter für unumgänglich hält - und muss dann feststellen, dass er mit dieser Ansicht alleine dasteht.

Die Drohung war nur schwer zu überlesen, sie prangte am Freitag auf der Titelseite der kremlfreundlichen Zeitung Iswestija. Wenn man wolle, prahlte dort Maxim Ksenow von der russischen Zensurbehörde Roskomnadsor, könne man Facebook und Twitter innerhalb von Minuten aus dem russischen Internet verschwinden lassen. Gerade bei Twitter sei "die Blockade auf unserem Territorium quasi unausweichlich."

Überschaubare eine Million Nutzer hat der Kurznachrichtendienst in Russland gefunden, allerdings nutzt ihn vor allem die Opposition wirksam zur Mobilisierung. Facebook versammelt mehr als 21 Millionen Menschen, ist aber bei weitem nicht so groß wie der lokale Anbieter Vkontakte.

In der Ukraine-Krise gelten die beiden US-Netzwerke als mögliche Opfer im diplomatischen Streit zwischen Moskau und dem Westen. Twitter sei eine "ziemlich amerikanische Firma", erklärte Ksenow im Interview vieldeutig, und zudem wenig kooperationsbereit bei Verstößen gegen russische Gesetze.

Medwedew schaltet sich ein

Doch falls das Interview als Auftakt des Countdowns für eine Twitter-Sperre in Russland gedacht gewesen sein sollte, hat sich Ksenow wohl verschätzt. Am Freitagnachmittag meldete sich Ministerpräsident Dmitri Medwedew zu Wort - auf Facebook.

Manchmal müssten Staatsoffizielle "ihr Hirn anschalten", anstatt "in Interviews die Blockade sozialer Netzwerke anzukündigen", giftete der Ex-Präsident. Medwedew gilt als Technologie-Freund und besuchte im Jahr 2010 Twitter in San Francisco.

Medwedews Äußerung erhielt mehr als 5700 Gefällt-mir-Klicks. Kurz darauf meldete sich die Zensurbehörde Roskomnadsor zu Wort und erklärte entgegen vorheriger Aussagen, ihr Vize-Präsident habe nur seine Privatmeinung vertreten. Ein Putin-Sprecher ließ sich wiederum mit den Worten zitieren, "die Verfolgung von Massenmedien oder sozialer Netzwerke ist inakzeptabel." Allerdings müssten sich ausländische Unternehmen an russisches Recht halten.

Twitter soll Büro eröffnen

Der Duma-Abgeordnete Wladim Degin, der dem Komitee zur Informationsregulierung vorsitzt, legte daraufhin seine Interpretation der Aussagen vor: Ksenow habe nur darauf hinweisen wollen, dass Twitter bislang noch kein Büro in Russland eröffnet habe. Dies sei aber nötig, weil Polizei und Behörden derzeit keine Handhabe hätten, wenn sich illegale Informationen auf der Plattform fänden.

Bei Äußerungen zu Internet-Diensten hören Opposition und Ausland derzeit genauer hin. Erst vor wenigen Wochen hatte die Duma Gesetz verabschiedet, wonach Blogger sich ab August als "Massenmedium" registrieren müssen, wenn sie täglich mehr als 3000 Besucher auf ihrer Seite haben. Zudem gelten schärfere Haftungsregeln. Internationale Organisationen hatten an dem Gesetz laute Kritik geübt.

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