Zensur von Webseiten:Schwarze Listen gegen Russlands Internetfreiheit

Russlands Internetzensoren machen Ernst: Am Wochenende sperrten sie erstmals eine populäre Massen-Website. Insgesamt stehen derzeit 180 Adressen auf dem Index. Das Gesetz, das solche Sperrungen erlaubt, ist erst seit wenigen Wochen in Kraft.

Julian Hans

Zensur von Webseiten: Ziel russischer Internetzensur: Die Webseite "Lurkmore".

Ziel russischer Internetzensur: Die Webseite "Lurkmore".

(Foto: Lurkmore)

Keine zwei Wochen ist Russlands neues Gesetz über Internetsperren in Kraft, da sind bereits mehr als 180 Seiten auf dem Index gelandet. Am Sonntag traf es erstmals ein Wiki-Projekt, dass von einem Massenpublikum genutzt wird: Via Twitter verkündeten die Betreiber von lurkmore.to, das Portal sei aufgrund einer Beschwerde des föderalen Dienstes zur Drogenbekämpfung blockiert worden. Allerdings war die Seite bald auch im russischen Internet wieder erreichbar - die Administratoren wechselten mehrmals die IP-Adresse und spielten mit den Zensoren Katz und Maus.

Lurkmore bezeichnet sich als russische Wikipedia, allerdings ohne den ernsthaften enzyklopädischen Anspruch. Sie ist eher ein Lexikon der Subkulturen und Internet-Nerds, das auch im entsprechenden Slang geschrieben ist. Die Artikel behandeln ihre Themen häufig satirisch.

So auch der Eintrag zum Thema "Stoff", der den Zensoren offenbar als Anlass für ihr Einschreiten gedient hat. Er illustriert unter anderem mit der in Russland beliebten Zeichentrickfigur Winnie Puh die Wirkung von Haschisch, Alkohol und Kokain. Bereits in der vergangenen Woche war die Seite "Absurdopedia" wegen eines Artikels auf der schwarzen Liste gelandet, der Selbstmordmethoden satirisch behandelte. Der Artikel ist gelöscht, kursiert aber nun als Kopie im Netz.

Das Gesetz "über den Schutz von Kindern vor Informationen, die ihrer Gesundheit und ihrer Entwicklung schaden" war im Sommer auf Initiative der Kreml-Partei Einiges Russland verabschiedet worden. Es erlaubt der russischen Medienaufsicht, Seiten ohne Gerichtsbeschluss zu sperren, wenn sie nach ihrer Einschätzung Drogenmissbrauch, Kinderpornografie oder Selbstmord propagieren. Eine Ausweitung auf "extremistische Inhalte" ist geplant.

Die kritische Netzöffentlichkeit fürchtet, Russland baue an einer "großen Firewall" nach chinesischem Vorbild. Als Reaktion auf die Sperrung von Lurkmore schrieb der Blogger Anton Nossik am Montag, das Gesetz sei so formuliert, dass "genau solche Exzesse zu erwarten waren".

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