Zeitungen ins Netz:Der große Trick

Google will die Zeitung ins Netz bringen - in vollem Layout. Damit mach sich das Unternehmen nicht nur Freunde.

Simon Feldmer

Mit seinem Dienst Google Earth knipst der Internet-Konzern Google die ganze Welt bis zum Schrebergarten um die Ecke. Nun soll das große Scannen ein paar Nummern kleiner erweitert werden. Seit zwei Jahren betreibt Google sein sogenanntes News Archiv, in dem man sich durch Zeitungsartikel der Vergangenheit klicken kann. Eine spezielle Timeline zeigt zu einem gewählten Suchbegriff die passenden Veröffentlichungen in einer historischen Zeitleiste an.

Zeitungen ins Netz: Google will die Zeitung ins Internet holen.

Google will die Zeitung ins Internet holen.

(Foto: Foto: AFP)

Der Großteil der im Google-Archiv erreichbaren Texte, die wie bei der New York Times bis ins Jahr 1851 zurückgehen, ist bisher jedoch nur über Links auf die entsprechenden Tageszeitungen anzusteuern. Als Partner war bisher neben der New York Times unter anderem die Washington Post mit ihrem digitalen Archiv vertreten.

Es ist ein noch sehr lückenhaftes Archiv, um das auch Google bisher wenig Aufsehens gemacht hat. Zahlreiche Anläufe, Verlage von speziellen Kooperationsmodellen zur Zweitverwertung ihrer Inhalte zu überzeugen, schlugen bisher fehl. Nun gibt es einen neuen Versuch. Dieses Mal lockt Google die Zeitungsverleger mit Geld und Service.

Auf der Internet-Konferenz Techcrunch 50 in San Francisco kündigte Google an, alle Zeitungsartikel der Vergangenheit in ihrer kompletten Optik, also als eingescannte Zeitungsseiten, digitalisieren zu wollen. Im Google-Blog, in dem Mitarbeiter des Hauses regelmäßig ihre Strategien und Ansichten darstellen, schreibt der zuständige Product-Manager Punit Soni an diesem Dienstag: "Heute starten wir eine Initiative, um mehr alte Zeitungen online erreichbar und auffindbar zu machen, in dem wir Partnerschaften mit Zeitungsverlegern eingehen, um Millionen von Archivseiten zu digitalisieren."

Die Mondlandung im Netz

Soni liefert umgehend ein Beispiel, das vor allem in Amerika verstanden werden sollte. Wolle jemand etwas mehr über die erste Mondlandung erfahren, so der Produktmanager weiter, müsse er nur "Americans walk on the Moon" in die Suchmaske eingeben und man könne sofort einen Original-Artikel dazu aus der Pittsburgh Post Gazette von 1969 lesen. "Historische Schätze" seien das. Zweifellos.

Ob die Verleger aus den USA oder anderen Ländern ihre Schätze mal eben so an Google weiterreichen wollen, ist zu bezweifeln. Punit Soni nennt den Quebec Chronicle-Telegraph, die älteste Zeitung Nordamerikas, als neuen Partner. Weitere sollen folgen.

Auch in Deutschland würde Google gerne die Zeitungsverleger gewinnen. Stefan Keuchel, Sprecher von Google-Deutschland, sagt: "Es wird niemand gezwungen, hier mitzumachen", Google sei jedoch in Kontakt mit vielen Verlagen. Keuchel behauptet: "Wir stoßen auf offene Ohren." Wie bei der Google-Textwerbung Adsense sollen Verleger an den Werbeeinnahmen beteiligt werden, zu über 50 Prozent, sagt Keuchel.

Verlage reagieren mit Sorge

Die wachsende Dominanz von Google wird in Verlagshäusern, großen wie kleinen, allerdings zunehmend kritisch gesehen. Mit den öffentlich-rechtlichen Sendern kämpfen die deutschen Verleger verbissen um das, was elektronische Presse sein darf und was sie nicht sein sollte.

Immer mehr Zeitungsmanager registrieren mit Sorge, dass Google über 90 Prozent der Online-Werbegelder in Deutschland abgreift - mit Inhalten, die andere produzieren. Und was anderes als nur eine neue, clevere Form der Internetpresse wäre so ein allumfassendes Zeitungsarchiv, das immer auch aktuellen Bezug haben wird durch seine Archivfunktion?

Ein Sprecher der Deutschen Journalisten Verbandes (DJV) sagt: "Solange die Urheberrechte gewahrt bleiben, sehen wir kein Problem." Beim Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) soll das Thema umgehend auf die Tagesordnung. BDZV-Sprecherin Anja Pasquay sagt: "Man muss schon sehen, dass Google immer mehr Funktionen und Werkzeuge anhäuft." Doch jeder Verlag müsse sich selbst entscheiden.

Für Zeitungshäuser wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die mit einem eigenen kostenpflichtigen Archiv im Internet Umsätze macht, spielt die neue Avance keine Rolle. Anders könnte es bei Verlegern aussehen, die bisher nicht über ein digitales Archiv verfügen. Denn Google will in seiner geradezu selbstlosen Charmeoffensive die Kosten für das Scannen von Mikrofilmen und Zeitungsseiten übernehmen. Da könnte der eine oder andere sogar noch schwach werden.

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