Zehn Jahre iPhone:Die Neuerfindung des Telefons

MacWorld

Das Gerät, das die Welt verändert hat: Apple-Gründer Steve Jobs im Jahr 2007 bei der Präsentation des ersten iPhones. An diesem Dienstag sollte das heiß erwartete neue iPhone gezeigt werden.

(Foto: Paul Sakuma/AP)

Vor zehn Jahren stellte Konzernchef Steve Jobs das erste iPhone vor. Es wurde zur Fernbedienung des Lebens. Warum gelang das ausgerechnet Apple?

Von Helmut Martin-Jung

Warum eigentlich Apple? Warum nicht Nokia, Microsoft oder ein Newcomer? Warum ist eine Firma, die noch nie zuvor ein Mobiltelefon gebaut hatte, mit dem iPhone binnen weniger Jahre zum wertvollsten Konzern der Welt geworden? Und, um noch eine Ebene höher zu gehen: Wie konnte eine einzelne Produktkategorie das Leben der industrialisierten Menschheit überhaupt derart tief greifend verändern?

Blicken wir also zehn Jahre zurück. Zurück auf eine Zeit, in der das iPhone noch nichts war als eine sich mehr und mehr verdichtende Wolke von Gerüchten und Spekulationen. Die Entwicklung mobiler Prozessoren war gerade so weit fortgeschritten, dass man sie auch für Mobilgeräte mit größerem Bildschirm einsetzen konnte, ohne dass der Akku zu schnell leergesaugt wurde. Bildschirme, die schon auf leiseste Berührung reagierten, waren endlich serienreif.

Die ersten Android-Handys waren keine echte Konkurrenz für Apple

Die Ingredienzien, zu denen man auch noch chemisch gehärtetes Glas zählen kann, waren also da. Auch das Internet war zu jener Zeit endlich wahrhaft mobil geworden. Die dritte Generation der Mobilfunknetze, genannt 3 G oder UMTS, erlaubte es erstmals, auch größere Dateien schnell zu übertragen. Die Menschen wussten vielleicht nicht, dass sie ein iPhone wollten. Doch latent gab es den Wunsch, vieles von dem, was sich bis dato nur recht umständlich mit den Vorläufern der iPhones erledigen ließ, mit einem handlichen Gerät zu tun.

Doch nur Apple hat es geschafft, einige dieser Wünsche zu erraten und sie mit den neuen technischen Möglichkeiten zu einem Produkt zu vereinen.

Also: Warum Apple? Apple hatte mit dem iPod bereits demonstriert, wie sich die Handhabung technischer Gerätschaften so vereinfachen ließ, dass sogar diejenigen begeistert waren, die sonst den Aufwand gescheut hätten, all die Kniffe zu lernen, die man üblicherweise dafür brauchte. Diese Erwartung übertrug sich nun auf das angekündigte Apple-Telefon und schuf einen Hype, von dem die Firma noch heute zehrt und den aufrechtzuerhalten sie den Großteil ihres stattlichen Marketing-Budgets aufwendet.

Vom "Jesus Phone" war damals die Rede, als könne es der genialische Firmenchef, Verkäufer (und für seine Untergebenen und seine Familie oft schwer zu ertragende) Steve Jobs schaffen, all das wegzuzaubern, was die mobilen Kleincomputer mit Telefonierfunktion jener Zeit zu unpraktischen Geräten machte. Das erste iPhone konnte manches noch nicht, doch es vereinte in sich viel von dem, was viele sich schon lange gewünscht hatten.

Durch den sensationellen Erfolg der Musikspieler-Reihe iPod hatte Apple aber auch genügend Geld, um die langwierige und teure Entwicklung überhaupt leisten zu können. Apple entwarf ja nicht bloß die Hardware, sondern programmierte auch eine völlig neue Software. Die Kombination aus Hard- und Software war ein wichtiger Grund für den durchschlagenden Erfolg des iPhones. Ein Start-up hätte das kaum schaffen können.

Warum nicht Microsoft oder Google?

Microsoft schon, doch der Konzern steckte im Tiefschlaf und begann erst aufzuwachen, als Jobs 2010 auch noch das iPad nachlegte, doch da war es schon zu spät. Nokia, der Herrscher der Handy-Frühzeit, war einerseits Gefangener seines eigenen Erfolges, andererseits glaubte die Führungsetage nicht daran, dass die neuen Technologien sich wirklich zu einem erfolgreichen Produkt würden machen lassen - welch eine Fehleinschätzung! Vielleicht hätten sich die Finnen als einer von vielen Android-Herstellern halten können, doch sie setzten auf Microsoft und gingen unter.

Google, das die Bedeutung des mobilen Internets sehr wohl erkannt hatte, brauchte lange, um Apples Vorsprung einzuholen. Die ersten Android-Handys waren keine echte Konkurrenz für Apple, es dauerte Jahre, bis die Hardware-Hersteller auf der einen und Google als Treiber der Entwicklung von Android auf der anderen Seite sich aufeinander eingestellt hatten.

Als die Gattung Smartphone aber nach einigen Jahren aus ihrer Nische trat und in der industrialisierten Welt mehr und mehr zum vorherrschenden Standard für mobile Telefone wurde, wurden auch die Android-Handys konkurrenzfähig. Mehr noch: Handys von Samsung, Sony oder anderen waren dem iPhone inzwischen in der ein oder anderen technischen Disziplin überlegen. Und auch die Android-Software holte von Version zu Version auf. Heute werden weltweit etwa siebeneinhalb mal mehr Android-Handys produziert also solche mit Apples iOS. Insgesamt ein gewaltiger Markt: 2015 wurden gut 1,4 Milliarden Smartphones verkauft, die Zahlen von 2016 werden noch darüberliegen.

Das alles Apple anzulasten, wäre falsch

Es lohnt sich also, so viel Aufwand in die Entwicklung von Smartphones und deren Software zu stecken. Wo doch die Welt nur gewartet zu haben schien auf Geräte, die heute vor allem eines sind: die Fernbedienung des Lebens. Ein Taxi rufen (nicht per Telefon, sondern per App und via Internet), Mails, Fotos, Videos, Navigation, soziale Netzwerke, Partnersuche, Shopping, vernetztes Zuhause, Bankgeschäfte - die Liste dessen, was sich mit einem Smartphone erledigen lässt, ist lang, und sie wird ständig länger. Etwa 1,5 Millionen Apps gibt es inzwischen für das iPhone - viele Menschen erledigen einen Großteil ihrer Besorgungen via Smartphone, die Kommunikation sowieso.

Wohl noch nie hat eine technische Erfindung die Lebenswelt so schnell in Beschlag genommen wie das Smartphone. Am Anfang war es ein Luxus, ein iPhone zu besitzen. Heute ist es Luxus, wenn man Leute hat, die es einem ersparen, zum Sklaven des Geräts zu werden. Bloß keine Whatsapp-Nachricht der im Ausland lebenden Kinder verpassen, die beste Freundin per gesendetem Foto mitentscheiden lassen über den neuen Pulli, die Sucht nach Facebook-Klatsch, die Twitter-Trends, Eilmeldungen - Gründe gibt es immer, das Handy zu zücken. Dass das nicht ohne Folgen bleiben kann, ist naheliegend. Handy-Nutzer leben inzwischen gefährlich, weil sie auf ihr Smartphone gucken und nicht auf den Verkehr. Oder weil sie Aufnahmen von sich selbst machen und dabei Treppen hinunterpurzeln oder von wilden Tieren angefallen werden.

Es wird dauern, bis die Menschen merken, dass weniger auch mehr sein kann.

Das alles Apple anzulasten, wäre falsch. Die Zeit war reif für ein solches Produkt, und es sind ja die Menschen, die Smartphones kaufen und sich von ihnen vereinnahmen lassen. Apples Schicksal indes scheint untrennbar verknüpft mit dem iPhone. Mit den Handys verdient der Konzern den weitaus größten Teil seines Geldes. Zuletzt hat der Hype um das iPhone ein wenig nachgelassen - klein sind die Schritte von einer Generation zur nächsten, gesättigt die Märkte. Irgendwann endet jede Hochphase einmal.

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