Wolfram Alpha:Die Antwortmaschine

Die Suchplattform des Physikers Stephen Wolfram, Wolfram Alpha, stöbert nicht nach Informationen, sondern berechnet sie. Doch wie gut funktioniert diese Methode tatsächlich?

H. Martin-Jung

Die Erwartungen sind hoch gesteckt, aber zumindestens in einem Punkt hat Stephen Wolfram sie bereits erfüllt. Obwohl nur wenige Auserwählte bisher die von dem britischstämmigen Physiker entworfene Internet-Suchmaschine Wolfram Alpha selbständig testen durften, summt die Branche geradezu vor Mutmaßungen und Gerüchten.

Wolfram Alpha: Stephen Wolfram, Gründer von Wolfram Alpha

Stephen Wolfram, Gründer von Wolfram Alpha

(Foto: Foto: stephenwolfram.com)

Vor kurzem nun gewährte Stephen Wolfram in einer live per Internet übertragenen Pressekonferenz einer breiteren Öffentlichkeit Einblicke in das Projekt, in das er viele von den Millionen gesteckt hat, die er einst mit seinem erfolgreichen Computerprogramm Mathematica verdiente. Die wichtigste Information für alle, die es nicht mehr erwarten können: Schon binnen Tagen soll das Projekt für jedermann zugänglich sein, natürlich kostenlos.

Statistische Verfahren

Was aber unterscheidet Wolfram Alpha von Konkurrenten wie Yahoo, Microsofts Live oder natürlich Google? Wolfram Alpha - so die Theorie - sucht nicht wie andere mittels statistischer Verfahren aus gewaltigen Mengen von Text die Treffer heraus, in denen ein oder mehrere Suchbegriffe vorkommen. Wolfram Alpha rechnet. Wenn ein Nutzer beispielsweise ISS eingibt, kalkuliert das System die Bahn der Weltraumstation um die Erde und zeigt an, wo sie sich zum Zeitpunkt der Abfrage befindet.

Die Eingabe "Flut New York 15.3.1920" zum Beispiel liefert den Pegelstand der Flut Mitte März in der Ostküstenmetropole. Alpha beantwortet also anders als die herkömmlichen Suchmaschinen auch Fragen, die bis jetzt möglicherweise weltweit noch nie jemand gestellt hat.

Dazu braucht das System jedoch Daten, viele Daten. Daten, die Wolframs Mitarbeiter in jahrelanger Arbeit gesammelt haben. Nicht unbedingt Zahl für Zahl, wie Wolfram sagt. Seine Firma Wolfram Research habe vielmehr Pipelines entwickelt, durch die Daten beispielsweise von Wetterstationen ständig einfließen und damit für aktuelle Berechnungen zur Verfügung stehen. Und um sicherzustellen, an die jeweils besten und verlässlichsten Datenquellen zu kommen, habe man Kontakt zu vielen Experten aufgenommen.

Zweites Standbein sind die Algorithmen und Formeln, mit denen die Abfrageergebnisse berechnet werden. Etwa sechs Millionen Zeilen allein an mathematischem Code hätten seine Mitarbeiter geschrieben, sagte Wolfram. Weder Daten noch Formeln wären aber von Nutzen, wenn das System nicht erkennen würde, was die Nutzer wissen wollen.

Verantwortung für die Daten

Das funktioniert derzeit nur auf Englisch, "und das ist schon schwer genug", sagte Wolfram. "Das System könnte vielleicht erkennen, in welcher anderen Sprache gesucht wird", aber das umzusetzen sei "eine Herausforderung für die Zukunft". Fehlt noch die Darstellung der Ergebnisse, die erraten muss, was die Nutzer erwarten: ein Diagramm, eine Zahl, mal vielleicht auch einen Aufsatz.

"Wir arbeiten im Prinzip wie eine Lexikonredaktion", sagt Stephen Wolfram, "wir versuchen, an die besten Informationen zu kommen." Bei ihrer Suche hätten seine Mitarbeiter mit Hilfe automatischer Testverfahren sogar schon zahlreiche Fehler in wissenschaftlichen Daten entdeckt, die seit Jahren als Referenz benutzt worden seien.

Da Wolfram Alpha aber die Verantwortung für die Daten übernehme, würden alle neuen Daten in einem "geordneten Prozess" aufgenommen. Mit der Zeit könnten dann auch die möglichen Fragen an das System immer komplizierter werden. Fragen mit Klauseln und Bedingungen bringen es im Moment noch durcheinander; und Daten, die es nicht hat, kann es eben auch nicht berechnen. Während der Pressekonferenz musste Alpha beispielsweise bei der Frage passen, wie viele Besucher die Expo 2000 in Deutschland verzeichnete.

Viele klaffende Lücken entdeckte auch David Talbot, der für das Technik-Magazin des Massachusetts Institute for Technology, Technology Review, arbeitet und Alpha selbst ausprobieren durfte. Die Abfrage "Krebs New York" beispielsweise interpretierte Alpha als Sternenkonstellation; Google dagegen lieferte immerhin als dritten Treffer eine Statistik zur Krebshäufigkeit in New York.

Alpha ist ein interessantes Projekt. Sein Erfolg wird allerdings nicht zuletzt davon abhängen, dass es Wolframs Team gelingt, mehr und mehr nützliche Daten zu sammeln. Diese aber müssen auch erschlossen werden, indem das System besser lernt, menschliche Fragen zu verstehen - ein Thema, dem sich auch die Konkurrenz längst und mit Erfolg widmet.

Vor allem aber muss sich das Projekt auch finanzieren. Dies will Wolfram durch Profiversionen erreichen, die im Rahmen von Abonnementmodellen eine Reihe von Zusatzmerkmalen bieten, zum Beispiel, indem man weitere Informationen herunterladen kann. Inwieweit das schnelllebige Web Wolfram und seinem Projekt Zeit gibt, wird sich zeigen müssen. Mehr als einige Monate werden es kaum sein.

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