WLAN für alle:Google geht an die Luft

San Francisco soll ein drahtloses und kostenfreies Internet-Funknetz bekommen. Die Stadt zahlt dafür nichts - die Rechnung geht auf Google.

Alexander Stirn

In den Straßen von San Francisco soll künftig niemand mehr sicher sein - zumindest nicht vor dem Internet. Geht es nach dem Willen von Bürgermeister Gavin Newsom, können die Einwohner der Stadt spätestens im kommenden Jahr aus jeder Eckkneipe, in jedem Schlafzimmer und von jeder Parkbank aus kostenlos im Netz surfen. Newsom plant, die ganze Stadt mit drahtlosen Internet-Hotspots zu überziehen - und kein Geringerer als der Suchmaschinen-Krösus Google will das bezahlen.

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Mehr als ein Suchdienst: Google

(Foto: Foto: Reuters)

Anfang Oktober hat das kalifornische Unternehmen, dem seit geraumer Zeit Pläne für den Aufbau eines landesweiten Funk-Internets nachgesagt werden, auf hundert Seiten seine Vorstellungen eines kabellosen San Franciscos vorgelegt. Auch zwei Dutzend Konkurrenten haben Newsoms Einladung angenommen und ihrerseits Konzepte eines allgegenwärtigen Internets vorgelegt.

In den nächsten Wochen will die Stadt die aussichtsreichsten Ideen auswählen. Bereits jetzt wächst der Widerstand der etablierten Telekommunikationsfirmen, die um ihre Festnetzkunden fürchten.

Zwölf Antennen pro Quadratkilometer

San Francisco gilt wegen seiner vielen Hochhäuser und der hügeligen Landschaft als anspruchsvolles Terrain für den Aufbau eines "Wireless Lan" (WLAN), wie ein solches Netzwerk genannt wird. Die Stadt erstreckt sich über 120 Quadratkilometer - Wasserflächen nicht mitgerechnet. Um jeden Winkel abzudecken, müssen pro Quadratkilometer bis zu zwölf Antennen installiert werden. Die Ausrichtung und Koordination dieser Einwahlknoten, der so genannten Hotspots, erfordert eine ausgeklügelte Struktur des Netzwerks.

Für solche Entwürfe ist Google bislang nicht bekannt. Zwar versucht der Internetriese derzeit beharrlich, neue Geschäftsfelder jenseits der Suchmaschine zu erschließen - Google betreibt einen Mail-Service, macht Satellitenbilder für Normalsterbliche zugänglich und will in die Internet-Telefonie einsteigen. Das Engagement als Netzwerkbetreiber ist indes neu.

Bislang beschränken sich Googles WLAN-Aktivitäten auf ein Fitness-Studio am Firmensitz im kalifornischen Mountain View und auf den Bryant Park in New York. In San Francisco kooperiert das Unternehmen zudem mit der jungen Firma Feeva, die mit Unterstützung der Stadt einen öffentlichen Zugang am UnionSquare, in Bibliotheken und einigen Stadtvierteln anbietet.

Die Resonanz ist bislang allerdings bescheiden: Am Union Square, einem zentralen Platz in San Francisco, klinken sich nach Informationen des Internetdienstes Market Watch im Mittel hundert Menschen am Tag kostenlos ins mobile Internet ein.

Google geht an die Luft

Damit es nicht bei solchen Insellösungen bleibt, sichtet und bewertet derzeit eine siebenköpfige Arbeitsgruppe im Rathaus die Vorschläge für einen flächendeckenden Funkzugang. Beobachter räumen Google, trotz mangelnder Erfahrung, gute Chancen ein. Immerhin will das Unternehmen die drahtlosen Internetzugänge den Bürgern kostenlos zugänglich machen - ganz so, wie Bürgermeister Newsom es will.

Und auch der Stadt SanFrancisco sollen durch den Aufbau des Netzes keine Kosten entstehen. Eine willkommene Ersparnis: Auf der Basis ähnlicher Projekte schätzen Branchenkenner, dass die notwendigen Investitionen in der Größenordnung von zehn Millionen Dollar liegen könnten.

Für den Suchmaschinenanbieter dürfte sich das Engagement dennoch lohnen. Das Netz kann so konfiguriert werden, dass jeder Nutzer, der sich über das drahtlose Netzwerk einwählt, zunächst automatisch auf der Google-Website landet.

Mit Google auf der Suche nach der Pizzeria

Zudem erlaubt die Technik, je nach benutztem Einwahlknoten spezielle Dienste anzubieten - Hinweise auf die nächste Pizzeria, aktuelle Staumeldungen, detaillierte Stadtpläne. Auch die Suche nach dem nächstgelegenen Schuhladen ist kein Problem. "Location-Based Services" heißen solche Dienste im Internet-Deutsch, und sie gelten als eine der lukrativsten Ideen im Netz der Zukunft.

Feeva-Chef Nitin Shah jedenfalls ist zuversichtlich, mit Hilfe der Tipps viel Geld zu verdienen. Schon heute würden Anzeigenkunden für eine konventionelle Plakatwand an viel besuchten Plätzen 50000 Dollar im Monat zahlen - obwohl sie auf diesem Wege die gewünschte Zielgruppe nicht genau ansprechen können. Personalisierte Werbung im Umfeld beliebter Hotspots könnte daher ein Vielfaches einbringen.

Shah schätzt das Potenzial solch zielgerichteter Anzeigen allein in San Francisco auf 20 Millionen Dollar im halben Jahr - die Kosten für Installation und Betrieb eines flächendeckenden Netzwerks ließen sich damit schnell wieder hereinholen.

Gratis aber langsam

Google hat noch weitere Optionen. So spielt das Unternehmen mit dem Gedanken, sein Netz auch anderen Firmen zu überlassen. Die Provider könnten dann werbefreie Einwahlmöglichkeiten oder Internetzugänge mit höherer Geschwindigkeit anbieten - für deren Nutzung die Surfer allerdings zahlen müssten.

Die Gratis-Version des drahtlosen Netzes soll, so ist aus San Francisco zu hören, lediglich eine Übertragungsrate von 300 Kilobit pro Sekunde erlauben und damit deutlich langsamer sein als die mindestens dreimal so schnellen DSL-Festnetzverbindungen.

Google geht an die Luft

Die etablierten Internetanbieter, die zuletzt viel Geld in den Aufbau dieser Netze gesteckt haben, sind dennoch wenig begeistert von Newsoms Kabellos-Initiative. Sie fürchten die Gratis-Konkurrenz und die drohenden Einnahmeverluste. San Franciscos Bürgermeister rechnet daher mit einer starken Opposition und sogar mit Klagen. "Es gibt gut organisierte Bestrebungen, die Pläne zu stoppen", erklärte Newsom in der vergangenen Woche.

Schutzgesetze für Telefonfirmen

Diese Erfahrung hat Philadelphia bereits gemacht. Die Ostküstenstadt will ebenfalls ein flächendeckendes WLAN-Netz einrichten und hat vor wenigen Tagen den Zuschlag für dessen Aufbau erteilt: Der Provider Earthlink, der auch in San Francisco gern mit von der Partie wäre, soll bis Ende 2006 das Netzwerk aufbauen - auf eigene Kosten. Bis zu 15 Millionen Dollar dürften nötig sein, damit es in der fünftgrößten Stadt der USA an allen Ecken funkt.

Möglich wurde Philadelphias Initiative allerdings nur mit einer Sondergenehmigung: Seit vergangenem Jahr ist es den Städten im Bundesstaat Pennsylvania, in dem auch Philadelphia liegt, per Gesetz verboten, eigene Netze aufzubauen und so den Telekommunikationsunternehmen Konkurrenz zu machen. Erst als der Telefonkonzern Verizon von der Stadt Zusagen über weitere Aufträge bekommen hatte, erlaubte er das kommunale Engagement - ausnahmsweise.

In mehr als einem Dutzend US-Staaten existieren mittlerweile ähnliche Gesetze, in Kalifornien noch nicht.

Die Festnetzanbieter fürchten vor allem die Zukunft. Noch ist die Konkurrenz durch ein kostenloses, städtisches Netz aufgrund dessen geringer Geschwindigkeit gering. Das könnte sich allerdings mit der nächsten Wireless-Generation ändern. Ausreichend Tempo und Bandbreite vorausgesetzt, ließen sich dann sogar Fernsehprogramme und Telefongespräche über das neue Netz übertragen - teure Kabel bräuchte dann niemand mehr.

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