Datenschutz:Hallo Windows 10, tschüss Privatsphäre

A waiter serves a Microsoft delegate during the launch of the Windows 10 operating system in Kenya's capital Nairobi

Wer nicht will, dass Windows 10 unablässig Daten an Microsoft sendet, muss die Standardeinstellungen ändern.

(Foto: REUTERS)
  • Windows 10 sammelt mit den Standardeinstellungen jede Menge persönlicher Daten und sendet sie an Microsoft.
  • Auch die Betriebssysteme von Apple und Google lassen von der Privatsphäre der Nutzer wenig übrig.
  • Linux könnte eine Alternative für Menschen sein, die Wert darauf legen, anonym mit einem Computer zu arbeiten.

Von Johannes Boie

"Erleben Sie Vertrautheit", bewirbt Microsoft das neue Betriebssystem Windows 10. Es ist eine sehr spezielle Form der Vertrautheit, die Windows 10 mit auf den Rechner seiner Nutzer bringt. Das Betriebssystem erobert sich zum Start in ersten Tests von Journalisten und Computer-Spezialisten zuverlässig einen Spitzenplatz auf der langen Liste jener Programme, die ihre Nutzer ausspionieren.

Bislang waren Microsofts Onlinedienste für wenig vorbildlichen Datenschutz bekannt, aber die Betriebssysteme aus Redmond waren - anders als das Ökosystem von Konkurrent Apple - bislang nicht für übermäßige Spionageattacken auf die Nutzer bekannt. Das ändert sich nun drastisch. Damit ist auch das am weitesten verbreitete Betriebssystem der Welt Teil des digitalen Abhörsystems, das sich um einen großen Teil der Weltbevölkerung manifestiert.

Die Nutzer müssen aktiv widersprechen, wenn sie Privatsphäre möchten

Grundsätzlich ergeben sich die Probleme aus zwei Aspekten. Einerseits hat Microsoft seine Datenschutzrichtlinien vereinheitlicht, und damit fällt Windows künftig auch unter fragwürdige Mechanismen, von denen bislang Online-Microsoft-Produkte betroffen waren. Diese Datenschutzrichtlinie ist an vielen Stellen so vage wie möglich formuliert. Da heißt es zum Beispiel: "Wir teilen Daten mit Geschäftspartnern von uns, mit Tochterunternehmen und mit Verkäufern, die für uns arbeiten . . ." Windows sei nun kein "statisches Programm" mehr, sondern ständig online. Deshalb "sammeln wir Daten über Sie, Ihr Gerät und die Art und Weise, wie Sie Windows verwenden."

Zweitens hat Microsoft beschlossen, dass künftig jene Nutzer aktiv werden müssen, die Privatsphäre möchten, statt umgekehrt. Aus dem Prinzip Opt-in, also Zustimmung des Nutzers zu bestimmten Services und Funktionen, wurde Opt-out. Der Nutzer muss abschalten, was ihm nicht passt. Das ist in Windows 10 nur dann leicht, wenn man einen der zahlreichen im Netz auffindbaren Leitfäden zur Hand nimmt, die Journalisten derzeit zusammenstellen.

Wer auf sich alleine gestellt die eigene Privatsphäre retten möchte, muss lange suchen, denn Microsoft hat die Optionen über verschiedene Menüs verteilt und versteckt. Wer sich während des Installationsvorgangs für die schnelle Variante "Expressinstallation" entscheidet, bekommt die meisten Fragen zum Datenschutz gar nicht erst gestellt.

Windows telefoniert "nach Hause" - Widerspruch nicht vorgesehen

Und manche zweifelhaften Erfindungen lassen sich gar nicht ausschalten, wie zum Beispiel die Funktion, mit der Windows regelmäßig "nach Hause" telefoniert, also Nutzerdaten an Microsoft-Server sendet - obwohl Microsoft während der Installation mit einem eigenen Knopf suggeriert, dass sich diese Option komplett abschalten ließe.

Innerhalb diverser Menüs im installierten Betriebssystem können die Nutzer immerhin folgende Überwachungstechnik abschalten: Aufnahme und Übermittlung von Sprache, Tastendruck-Rhythmus, aktuellem und ehemaligen Standort des Nutzers, sämtlicher Internet-Daten einschließlich besuchter Webseiten - und dazu kommt das automatische Verbinden mit offenen Internet-Hotspots. Alle diese Optionen sind standardmäßig eingeschaltet, wie auch die Funktion, die Apps von Drittanbietern Zugriff auf den Namen und das Bild des Nutzers und weitere Daten gibt.

Außerdem arbeitet Microsoft mit einer Werbe-ID, die jeden Nutzer für Anbieter von Werbung eindeutig identifiziert. Werbe-IDs werden von Datenschützern heftig kritisiert, weil sie es ermöglichen, das Verhalten einzelner Nutzer identifizierbar über längere Zeiträume auszuspionieren und auszuwerten. So soll dem Nutzer dann Werbung unterbreitet werden, die ihm gefällt. Die Advertising-ID lässt sich ein- und ausschalten. Dabei wird nach Angaben von Microsoft jedes Mal eine neue ID erstellt.

Apple ist ein kleines Stück transparenter

Wie ein Untersuchung zeigt, reichen solche Maßnahmen aber nicht aus, um mehr Datenschutz zu ermöglichen. Forscher haben dieses Jahr unter diesem Aspekt zahlreiche Android-Apps untersucht, die auf dem Handy-Betriebssystem des Microsoft-Konkurrenten Google laufen. Dabei wurde deutlich, dass Werbedienste auch neue Werbe-IDs problemlos mit alten verbinden können. Systeme wie diese stehen auch deshalb so in der Kritik, weil sie den Nutzer über einzelne Software hinaus identifizierbar machen.

Die IDs sind - wie eine Steuernummer in der öffentlichen Verwaltung - eine Möglichkeit, denselben Nutzer in verschiedenen Apps und auf verschiedenen Geräten zuverlässig zu identifizieren. Apple ist da im Vergleich zu Google und Microsoft ein kleines bisschen weiter. Zwar sammeln alle drei Konzerne Daten ihrer eigenen Nutzer ohne Hemmungen und Grenzen - aber bei Apple sind wenigstens im Handy- und Tabletbetriebssystem iOS die Menus so klar angeordnet, dass die Nutzer auf einen Blick sehen, welche App sich welchen Zugriff genehmigt hat.

Linux als Alternative für datenschutzbewusste Nutzer

Im Grunde aber sind die Unterschiede marginal. Betriebssysteme aller drei Hersteller sind auf den Geräten der Kunden so wichtig, dass der Kunde kaum umhin kommt, der Software persönliche Daten anzuvertrauen. Tatsächlich sind viele der Funktionen, die Microsoft in Windows 10 integriert hat, auch notwendig, um neue Möglichkeiten zu nutzen, wie zum Beispiel einen Sprachassistenten. Wer davon Gebrauch machen möchte, muss ein Stück weit mit seinen Daten bezahlen. Google wies auf Anfrage lediglich pauschal auf geltende Bestimmungen hin, Microsoft beantwortete Fragen bis zum Redaktionsschluss nicht.

Die Zeiten, in denen ein Betriebssystem anonym installiert werden konnte und ohne Kenntnis seines Nutzers lief, sind längst vorbei. Ein Login bei iTunes und schon weiß Apple, wer am anderen Ende sitzt, ein Login in der Microsoft Cloud, und schon ist klar, welcher Nutzer hier tippt. Bereits der Kauf der Software ist heute häufig mit der Angabe persönlicher Daten verbunden - auch, um Piraterie zu verhindern.

Als Alternative rückt deshalb in jüngster Zeit Linux wieder ins Bewusstsein mancher datenschutzbewusster Nutzer. Früher wegen seiner Stabilität gepriesen, ist das freie Betriebssystem heute eine der seltenen Möglichkeiten, anonym mit einem Computer zu arbeiten. Dazu muss man, anders als vor 15 Jahren, kein echter Nerd mehr sein, aber doch mehr können, als Outlook, Word und Firefox zu bedienen. Für Datenschützer lohnt sich das.

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