Wikipedia-Suchmaschine "Wikia Search":"Momentan noch echter Mist"

Der neue Google-Konkurrent Wikia erfüllt die hohen Erwartungen bislang nicht. Die Testversion enttäuscht bei den Trefferquoten.

Helmut Martin-Jung

Warum sollte nicht auch Jimmy Wales einmal richtig Geld verdienen? Ein Mann, den vielleicht nicht alle kennen, viele aber sein bisher größtes Projekt: Zusammen mit Larry Sanger gründete Wales 2001 das werbefreie Online-Lexikon Wikipedia - heute eine der meistbesuchten Angebote des Internets, mit mehr als neun Millionen Beiträgen in rund 250 Sprachen.

Wikipedia-Suchmaschine "Wikia Search": Suchergebnisseite von Wikia Search

Suchergebnisseite von Wikia Search

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Als der ehemalige Börsenhändler Wales vor einem Jahr ankündigte, er wolle mit einem kommerziellen Projekt den Suchmaschinengiganten Google angreifen, war ihm daher nicht nur Aufmerksamkeit sicher, er fand für "Wikia Search" auch potente Geldgeber wie den Internethändler Amazon oder den schwerreichen Erfinder des Netscape-Browsers, Marc Andreessen.

"Google ist nicht so gut, wie eine Suchmaschine sein sollte", tönte Wales, und nicht wenige hörten es mit Genugtuung, glauben sie doch, der Konzern aus Mountain View in Kalifornien habe ohnehin zu viel Einfluss darauf, wie Internetnutzer die Welt sehen. Nun ist die Vorversion des neuen Google-Herausforderers online, die Reaktionen aber reichen von "totaler Reinfall" bis bestenfalls "warten wir's ab". Hat Wales alles falsch gemacht?

Armselige Suchergebnisse

Die Suchergebnisse sind in der Tat armselig. Bei der Suche nach dem Begriff Obama spuckt Wikia Search in der Grundeinstellung als erste beide Treffer zwei Einträge der japanischen Stadt gleichen Namens aus - und das mit japanischen Schriftzeichen in der Betreffzeile.

Das kann nicht mithalten mit der vollmundigen PR-Strategie. Auch wenn Wales vorab immer wieder betonte, er werde nicht gleich mit einem voll konkurrenzfähigen Produkt auf den Markt kommen - es sind vor allem seine markigeren Sprüche in Erinnerung. Vom "Angriff auf Google" war da die Rede, den "größten Medienkonzern mit frei zugänglichen Inhalten" wollte er schaffen. Was aber nun online steht, ist ein Teil des Werkzeugs dazu.

Und ausgerechnet der wichtigste Part fehlt. Anders als bei Google, wo letztlich alle Ergebnisse von mathematischen Algorithmen bestimmt werden, will es Wales andersherum machen. Nicht nüchterne Mathematik, sondern fühlende, denkende menschliche Nutzer sollen die Gewichtung der Suchergebnisse übernehmen. Das funktioniert bei der jetzt zugänglichen Version des Suchprogramms Wikia noch nicht. Das ist riskant, weil der Suchmaschinen-Monopolist Google zurzeit seine Dominanz mit schierer technischer Übermacht weiter ausbaut.

"Momentan noch echter Mist"

Wer eine Suchabfrage bei Google absetzt, beschäftigt damit nicht ein oder zwei Computer, sondern Tausende, die gleichzeitig Extrakte des Internets nach den Suchbegriffen durchkämmen. Googles große Kunst besteht darin, aus den vielen Treffern die wichtigen herauszufinden. Wie das passiert, das ist das bestgehütete Firmengeheimnis von Google. Es begann mit dem Page Rank, einer von einem der beiden Gründer erfundenen Gewichtungsformel. Über die Jahre sind zahlreiche andere Kriterien dazugekommen, mehr als 200 sollen es zurzeit sein.

Dass außer Google-Technikern niemand so genau weiß, wie das alles wirklich funktioniert, motiviert Jimmy Wales am meisten. Seine Nutzer sollen ganz im Sinne der Mitmach-Philosophie des Web 2.0 selbst entscheiden, was wichtig ist, indem sie Seiten bewerten. Auch wie gesucht wird, also konkret wie die Suchformeln programmiert sind, ist offen zu lesen. Wer kann, kann diese Regeln auch verändern. "Ich glaube, es tut den Bürgern dieser Welt nicht gut", sagte Wales der New York Times, "dass ein so großer Teil unserer Informationen von einer so kleinen Zahl an Firmen kontrolliert wird. Und das hinter verschlossenen Türen."

Bis es soweit sei, müsse das Projekt aber erst wachsen: "Es handelt sich hierbei um das Projekt, eine Suchmaschine zu bauen, nicht um eine Suchmaschine", schrieb Wales nach dem Start an einen seiner hartnäckigsten Kritiker, den Technik-Blogger Michael Arrington. Wikipedia, ärgert sich Wales, sei einst mit nichts gestartet außer einer Seite, auf der stand: Wikipedia, die freie Enzyklopädie. "Jeder, der darüber eine Kritik geschrieben hätte, hätte nur gelacht."

Mit dem Erfolg des Mitmach-Lexikons aber wurde sein Ruf nahezu legendär, und mit Wales' Bekanntheitsgrad stiegen die Erwartungen. Einige Kommentatoren sehen es daher als Fehler an, dass er das Projekt Wikia in einem Zustand gestartet hat, bei dem die Nutzer noch nicht mitmachen können und bei dem es nur Prototypen der Software gibt, die einmal dafür sorgen soll, dass die Nutzer wirklich finden, was sie suchen. "Ja", verteidigt sich Wales, "die Suche ist momentan echt Mist, aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass wir etwas anderes bauen."

Dieses andere aber wird nur Fahrt aufnehmen, wenn es zu einem ähnlichen Effekt kommt wie beim Online-Lexikon Wikipedia. Wenn Hunderttausende Menschen weltweit viel Zeit und Arbeit investieren, Wikia Search zu einem besseren Google zu machen. Darauf baut und hofft Wales: "Es wird Form annehmen und dann wird es hoffentlich kein Mist mehr sein." Und dann könnte Wales richtig reich werden.

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