Wearables:Spion am Arm

Apple Inc. Reveals Bigger-Screen iPhones Alongside Wearables

Hübsch tragbar, hübsch trackbar: Apple Watch

(Foto: Bloomberg)

Fitness-Bänder messen das Ausmaß an Bewegung, die Schlafqualität, den Herzschlag - und das ist erst der Anfang. Von Datenschutz ist dabei nur wenig die Rede.

Von Helmut Martin-Jung

Der Schock kam mitten in der Nacht. Um 3.20 Uhr bebte die Erde in der Wein-und Touristenregion Napa in Nordkalifornien am 25. August dieses Jahres so heftig wie seit 25 Jahren nicht mehr. Es gab Verletzte; Häuser, Straßen und Gasleitungen wurden beschädigt. Je näher die Menschen am Ort des Bebens wohnten, desto aufgeregter waren sie, ins Bett gingen nach den Erdstößen nur noch wenige. Das klingt nachvollziehbar. Weniger selbstverständlich ist aber, dass man das auch haarklein nachweisen konnte.

Denn viele Menschen in der Gegend um San Francisco tragen Tag und Nacht ein kleines Band am Armgelenk. Es misst mit winzigen Sensoren, ob ihre Besitzer genügend Schritte am Tag laufen, wann sie ins Bett gehen und ob sie eher ruhig oder unruhig schlafen. Die Daten kann man sich in einer App auf dem Smartphone angucken, gespeichert werden sie in der Cloud, in einem Rechenzentrum also, auf das auch die Firma Jawbone, der Hersteller der sogenannten Fitness-Tracker, Zugriff hat. Anonymisiert, wie man dort ungefragt versichert.

Noch gibt es viele einzelne solcher Geräte und Dienste, und ihre Verbreitung ist abseits von Technologiezentren noch nicht sonderlich hoch. Aber die Wearables - computerähnliche Geräte, die man am Körper trägt - werden mit einer erheblich steileren Wachstumskurve angenommen als Smartphones. Letztere haben mit den Wearables ihre ideale Erweiterung gefunden.

Ein riesiger Markt

Die Schuhsohle, die erfasst, wie genau man seinen Fuß belastet, die Computeruhr, die Betreffzeilen von Nachrichten anzeigt, Diktate entgegennimmt, und natürlich die Brille, die Informationen auf eine kleine Anzeige oberhalb des normalen Blickfeldes einblendet - sie alle sind erst dann überhaupt oder wenigstens sinnvoll nutzbar, wenn sie per Funk mit einem Smartphone verbunden sind.

In zwei Einschätzungen ist sich die Branche dabei weitgehend einig. Erstens: Der Markt ist riesig, 2016 sollen nach Schätzungen der Analysten von Gartner bereits mehr als 91 Millionen Geräte verkauft werden, die überwachen, wie ihre Träger es mit der Fitness halten.

Aber - zweitens - es drängen auch mehr und mehr Hersteller auf den Markt. Noch ist längst nicht ausgemacht, welche Geräte sich wirklich durchsetzen. Bei Gartner rechnet man damit, dass viele sich künftig lieber eine Smart Watch anstelle eines Fitness-Bandes kaufen werden. Längst nähern sich beide Kategorien ohnehin einander an. Microsofts Band etwa ist so ein Zwitter, der ebenso die Herzfrequenz misst wie auch Nachrichten anzeigt.

Höchst intime Daten werden gespeichert

Es ist aber auch nicht klar, ob sich jenseits der Technikbegeisterten genügend Käufer für jede dieser Ideen finden werden. Bestes Beispiel dafür ist die Computerbrille Glass des Internetkonzerns Google. Kaum ein Produkt hat in den vergangen Jahren so viel Aufmerksamkeit erhalten, obwohl es nur in geringer Stückzahl für ausgewählte Nutzer und zum horrenden Preis von 1500 Dollar verfügbar war. Doch mittlerweile scheinen viele Besitzer die Lust an Glass verloren zu haben, bei Ebay kann man sie inzwischen zur Hälfte des Kaufpreises ersteigern, und viele Entwickler haben die Arbeit an Apps für die Brille erst einmal auf Eis gelegt.

Das futuristische Ding, es ist weder technisch ausgereift, noch konnte es sich in der ganzen Zeit die nötige Akzeptanz erarbeiten. Kinobesitzer etwa verboten das Tragen von Google Glass, Träger wurden als Glassholes beschimpft, ein ziemlich deftiges Wortspiel - asshole heißt auf Englisch Arschloch. Die Glass-Gegner befürchteten, dass sie von der eingebauten Kamera gefilmt würden. Und während Start-up-Firmen Anwendungen für Autofahrern programmieren, erwägen einige US-Bundesstaaten ein Verbot. Der Grund: Zu viel Ablenkung am Steuer.

Der Hype um computerisierte Sportuhren wird im nächsten Frühjahr neue Nahrung erhalten. Dann nämlich bringt Apple seine Uhr auf den Markt. Und man darf erwarten, dass die Konkurrenz bis dahin auch nicht schlafen wird. Bei der Consumer Electronics Show Anfang Januar in Las Vegas wird das Thema eine wichtige Rolle spielen, ebenso im Frühjahr beim Mobile World Congress in Barcelona.

Nanobots in der Blutbahn

Aber wenn die Vermessung des eigenes Körpers tatsächlich zu einem Massenphänomen wird, dann muss sich die Branche auch ernsthaft Gedanken darüber machen, wo und wie die höchst intimen Daten gespeichert werden sollen und wer darauf in welcher Form Zugriff haben soll. Denn künftig wird es nicht mehr nur um Schlafprotokolle und den Herzschlag gehen. Schon bald könnten auch Nanobots, das sind mikroskopisch kleine Geräte, in der Blutbahn zirkulieren - ein Beispiel von vielen. Die Daten, die dabei erfasst werden, gehen nur den Träger selbst und seinen Arzt etwas an, aber natürlich gibt es Begehrlichkeiten, etwa von den Versicherungen.

Die interessieren sich zum Beispiel auch für die kleinen Blackbox-Geräte, die man an die Diagnosebuchse von Autos stecken kann. Heute wieder dreimal scharf gebremst und Gas gegeben wie ein Irrer? Und alle Fahrten sind nachvollziehbar auf einer digitalen Karte. Super-praktisch, aber auch super-gefährlich, quasi eine Einladung für Schnüffler aller Art.

Großer Widerstand regt sich bis jetzt allerdings nicht. Vielleicht kommt er ja, wenn sich die Bänder, wie natürlich längst geplant, mit der Blackbox im Auto verbinden. Das könnte dann so aussehen: "Du bist heute die zwei Kilometer zum Bäcker mit dem Auto gefahren. Wolltest du nicht eigentlich mehr zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren?"

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