Vorratsdatenspeicherung:Schonfrist für die Privatsphäre

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung sorgt nicht nur mit Verfassungsklagen für Widerspruch - auch mit der praktischen Umsetzung gibt es offenbar Schwierigkeiten.

Peter Blechschmidt

Die Folgen allzu hektischer Gesetzgebung zeigen sich spätestens dann, wenn die Bestimmungen ins wirkliche Leben umgesetzt werden sollen. Mit diesem Problem ist Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) derzeit wieder einmal dank des Gesetzes zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten konfrontiert, das der Bundestag im November vorigen Jahres mit Wirkung zum 1. Januar 2008 verabschiedet hat. Nicht nur, dass gegen dieses Gesetz bereits eine Reihe von Verfassungsklagen in Karlsruhe vorliegen - auch mit der praktischen Umsetzung gibt es offenbar Schwierigkeiten.

Seit Anfang des Jahres sind Telefonfirmen verpflichtet, ein halbes Jahr lang alle Daten über die Nutzung ihrer Leitungen und Funknetze durch ihre Kunden aufzubewahren. Wer hat wann mit wem wo telefoniert oder im Internet gesurft? Diese Angaben, nicht aber die Inhalte der Gespräche, müssen gespeichert und auf richterlichen Beschluss den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Das soll helfen, schwere Straftaten, vor allem auch terroristische Aktionen, leichter aufzuklären. Deutschland hat mit dem Gesetz im Wesentlichen eine EU-Richtlinie umgesetzt.

Nun klagen die Anbieter von Telefondiensten, dass ihnen der Gesetzgeber nicht genug Zeit gelassen habe, auch die technischen Voraussetzungen für die Einhaltung des Gesetzes zu schaffen. Die Firmen müssen zusätzliche Speicherkapazitäten in ihren Computern bereitstellen und neue Software installieren. "Für die Anbieter ist das in der kurzen Zeit nicht machbar", sagt Wolfgang Heer vom Firmenverband VATM.

Klagen über Kosten

Das Argument, die Telefonfirmen speicherten ja heute schon Verbindungsdaten bis zu drei Monate lang, weil sie diese für die sogenannten Einzelnachweise benötigten, zählt laut Heer kaum. So wolle der Gesetzgeber mehr Daten aufbewahrt wissen als bisher. Vor allem aber laufe die neue Speicherpflicht dem allgemeinen Trend zu Flatrates entgegen, bei denen die Kunden einen Pauschalbetrag zahlen und die einzelnen Gespräche deshalb überhaupt nicht mehr registriert werden müssen.

Noch lauter sind die Klagen über die Kosten, die das Gesetz den Firmen aufbürdet. Bis zu 75 Millionen Euro müssen sie nach Angaben der Unternehmensverbände investieren, um dem Gesetz Genüge zu tun. Darin nicht eingerechnet sind die zusätzlichen Betriebskosten, etwa für Personal und Wartung, die pro Jahr auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt werden. Bislang haben die Unternehmen vergeblich versucht, den Staat zur Beteiligung an diesen Kosten zu bewegen. Das aber wäre nicht mehr als recht und billig, meint Christian Spahr vom Verband Bitkom. "Der Staat verlangt ja von den Autoherstellern auch keine kostenlosen Polizeiwagen."

Auch mit der pauschalen Vergütung von 17 Euro pro angefangener Arbeitsstunde, die der Staat heute bei Datenabfragen erstattet, sind die Anbieter nicht zufrieden. "Das reicht noch nicht mal für die Hilfskraft, die die Daten auf eine CD brennt", sagt Wolfgang Heer vom Verband VATM. "Die tatsächlichen Kosten liegen um den Faktor zehn höher."

Im zuständigen Justizministerium sieht man die Dinge gelassen. "Die Verbände waren ja an der Gesetzesarbeit beteiligt. Das hat sie nicht unvorbereitet getroffen", sagt ein Sprecher. An der Kostenerstattung werde gearbeitet. Bei Abfragen können die Firmen mit ein bisschen mehr Geld rechnen. An den Investitionen aber will sich Vater Staat nicht beteiligen.

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