Vorladung für Blogger:Post aus Yancheng

Ein Berliner Blog-Betreiber, der die Berichterstattung über einen Plagiatsfall in China kommentierte, ist vor ein chinesisches Gericht geladen worden - und muss dort unter Umständen auch erscheinen.

Christiane Schulzki-Haddouti

Ron Hillmann staunte nicht schlecht: Das Berliner Amtsgericht Mitte stellte ihm kurz nach Weihnachten ganz besondere Post zu: Eine Klageschrift des "Gerichts mittlerer Ebene der Stadt Yancheng in der Provinz Jiangsu" - chinesisches Original samt holpriger Übersetzung.

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(Foto: Foto: iStockPhoto)

Demnach klagen die "Zhongwei Bus GmbH" und die "Industriegruppe Zonda" nicht nur gegen seine Online-Marketingagentur "Iven & Hillmann", sondern auch gegen die "Neoplan Bus GmbH" und die "MAN Nutzfahrzeuge GmbH". Was wie ein exotischer Scherz klingt, nehmen Hillmann und sein Anwalt Alexander von Kalckreuth ausgesprochen ernst: "Das Urteil kann international vollstreckt werden, auch wenn es lange dauert", sagt Kalckreuth.

Hintergrund des Schreibens ist ein Gerichtsstreit von MAN mit der Zonda-Tochter Zhongwei. Die chinesischen Konkurrenten sollen das Design des Luxusreisebusses "Starliner" der MAN-Tochter Neoplan kopiert haben.

"Handelsruf stark schaedigt"

Die Lizenz für den Bau des Busses hatte Neoplan bereits an ein anderes chinesisches Unternehmen vergeben, als Zhongwei den in vielen Details ähnlichen Bus namens "A9" auf einer Bus-Schau in Shanghai präsentierte. Wegen Patentverletzung erhob das deutsche Unternehmen Klage vor einem Pekinger Gericht.

Hillmann verlinkte in seinem regionalen Autoblog die Medienberichte über die Klage und kommentiert mit den Worten: "Wie schnell und skrupellos die Chinesen im Kopieren sind, zeigt dieses Beispiel."

Die Busbauer von Zhongwei fühlen sich zu Unrecht angegangen, da sie vom chinesischen staatlichen Amt für geistige Eigentümer für den Bus bereits das offizielle Patentzeugnis erhalten haben wollen. Dass die Presse aber weitgehend den deutschen Busbauern gefolgt sei, habe, so schreibt Zhongwei in seiner Klageschrift, "großen sozialen Einfluss gemacht und das Unternehmensansehen sowie Handelsruf des Klaegers stark schaedigt."

Die Online-Agentur habe zudem "ohne tatsächliche Grundlage eigenmaechtig berichtet und beurteilt, dass der Klaeger hemmungslos das Patent" geklaut habe. Dies habe "Unternehmensansehen sowie Handelsruf des Klaegers auch stark schaedigt".

MAN, Neoplan und Hillmann sollen nun "sofort Verletzung stoppen, die negativen Einflüsse beseitigen" und sich in der deutschen Presse gegenüber dem Kläger entschuldigen. Außerdem sollen sie Schadensersatz bezahlen - in unbekannter Höhe. Das chinesische Gericht erklärte die Klage von Zhongwei auf unlauteren Wettbewerb für zulässig und bestellte die Beklagten für 9 Uhr am 17. Juli 2007 Beijinger Zeit nach Yancheng, China.

Sie hätten pünktlich zu sein und die Vorladung mitzubringen. Hillmann hat seinen Anwalt Alexander von Kalckreuth eingeschaltet, der sich fassungslos zeigt: "Es ist eine unangenehme Vorstellung, dass sich die deutsche Öffentlichkeit nach den Maßstäben der Meinungsfreiheit der Volksrepublik China messen lassen soll." Für den Anwalt ist das schlicht "absurd".

"Da sich das regionale Autoblog in deutscher Sprache an deutschsprachige Leser gewandt hat, wäre überdies als Gerichtsort der Sitz der Online-Agentur anzunehmen", sagt Kalckreuth. Nach internationalem Zivilverfahrensrecht sei es sehr unüblich, den Beklagten nach China zu zitieren.

Allerdings haben die Chinesen entsprechende internationale Abkommen nicht unterzeichnet. Dennoch hat der Anwalt Hoffnung: Im Urheberrechtsbereich konnte er Urteile mit anderer Tendenz ausmachen. So stellte der Oberste Volksgerichtshof in einem Urteil vom 22.12.2003 fest, dass der Ort des Klägers erst dann als Ort des Gerichtsstandes angenommen werden kann, "wenn sich der Ort der Verletzungshandlung und der Wohnort des Beklagten schwer bestimmen lassen".

Dies ist hier aber nicht der Fall, denn das Blog hat seinen Sitz eindeutig in Berlin. Ob die Berliner im Juli in die ostchinesische Millionenstadt fahren und vor Gericht erscheinen werden, ist noch nicht ausgemacht. "Wir werden wahrscheinlich einen chinesischen Anwalt einschalten", sagt Kalckreuth.

Weil es den Chinesen offensichtlich auch darum gehe, vor der Weltöffentlichkeit die Angelegenheit zu politisieren und rechtlich ein paar Pflöcke einzurammen, hat Kalckreuth inzwischen auch den Bundeswirtschaftsminister sowie den chinesischen Botschafter über die Angelegenheit informiert.

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