Vor der Wahl in Bremen:Polizei nimmt Piratenpartei vom Netz

Lesezeit: 2 min

Digitale Kommunikation ist für die Piratenpartei das A und O. Zwei Tage vor der Bremer Bürgerschaftswahl hat die Polizei ihre Server beschlagnahmt. Die Partei steht aber nicht selbst im Visier - es geht um einen Angriff der Hackergruppe Anonymous.

Das Internet-Angebot der Piratenpartei Deutschland ist durch eine Polizeiaktion vom Netz genommen worden: Die Staatsanwaltschaft Darmstadt habe am Freitag "eine Vielzahl" von Servern beschlagnahmen lassen, teilte die Organisation mit.

Vom Netz genommen: die Website der Piratenpartei (Foto: dapd)

Das Verfahren richte sich aber nicht gegen die Partei selbst, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Aktion, an der auch das Bundeskriminalamt (BKA) beteiligt war, gehe vielmehr auf ein französisches Rechtshilfeersuchen zurück. Dabei geht es um einen Angriff auf die IT-Infrastruktur des französischen Stromkonzerns Électricité de France SA durch die Hackergruppe Anonymous.

"Die Aktion hat uns kalt erwischt", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Bernd Schlömer am Freitag auf einer Pressekonferenz in Berlin. "Es wurde einfach der Stecker gezogen." Schlömer sprach von einem "einmaligen Vorgang", dass man der Piratenpartei als der führenden Internetpartei in Deutschland zwei Tage vor der Bürgerschaftswahl in Bremen das wichtigste Arbeitsmittel entziehe. "Das wäre so, als würde man der CDU oder SPD aufgrund eines Ermittlungsersuchens aus dem Ausland sämtliche Geschäftsstellen schließen."

Die Partei sei von den Behörden nicht um die Herausgabe der Daten gebeten worden. Die Polizeiaktion habe sich direkt gegen die Firma Aixit in Offenbach gerichtet, wo die Piratenpartei Server angemietet habe. "Das hätte man mit einem Anruf klären können." Wenige Stunden nach der Polizeiaktion gegen die Piratenpartei waren die Internet-Angebote bka.de und polizei.de nicht mehr zu erreichen.

Anonymous bezichtigte sich auf Twitter selbst der Daten-Attacke (DDOS) auf die Websites der deutschen Ermittlungsbehörden. Die Piratenpartei distanzierte sich von der Aktion. Der Vorstand der Piratenpartei betonte, er werde im "Rahmen seiner gesetzlichen Verpflichtungen zur Aufklärung der durch die französischen Ermittlungsbehörden erhobenen Vorwürfe beitragen".

Die Zugänge zur technischen Infrastruktur der Piratenpartei seien daher - "so weit es den Ermittlungszielen dient" - zur Verfügung gestellt worden: "Damit soll die zielgerichtete Suche nach einzelnen Daten ermöglicht werden." Kurz vor der Wahl in Bremen sieht sich die Partei, die stark auf digitale Kommunikation setzt, einer wichtigen Infrastruktur beraubt. So laufen unter anderem Website, E-Mail und Instant Messenger über die Server.

"Das ist für uns ein sehr schwerer Schlag", sagte der Parteivorsitzende Sebastian Nerz der Nachrichtenagentur dpa. Es werde "politisch ein massiver Schaden angerichtet", erklärte der Bundesvorstand in einer Mitteilung. "Im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungsarbeiten wird daher zu klären sein, ob die erfolgte Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung rechtlichen Vorgaben entsprochen hat, insbesondere ob die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurden."

Nerz geht davon aus, dass die beanstandeten Inhalte mit dem sogenannten PiratenPad erstellt wurden - einer Web-Anwendung, in der Nutzer gemeinsam an Dokumenten arbeiten. Auch Nicht-Mitglieder können auf das System zugreifen. "Wir nutzen das PiratenPad parteiintern relativ viel und tauschen uns darüber auch mit Externen aus", erklärte Nerz.

Vermutlich stammten die ins Visier geratenen Dokumente von Netzaktivisten, die nicht der Partei angehörten. Das PiratenPad basiert auf der quelloffenen Software EtherPad, die Google 2009 gekauft hatte. Im Netz sorgte die Polizeiaktion für Aufsehen, Ärger und Spott - beim Online-Kurznachrichtendienst Twitter war das Schlagwort "Servergate" einer der meistgenutzten Begriffe.

"Französisches Ermittlungsverfahren ist also wichtiger als Parteiinfrastruktur kurz vor Wahlen in DE...ja ne ist klar", meinte etwa Nutzer @thinkpixelde. Auch der Twitterer @0l1h7 hält den Schritt für überzogen: "Und wenn das nächste mal einer im Supermarkt in Berlin was klaut, wird erst einmal das Viertel evakuiert", schrieb er. Als Bewährungsprobe für den neuen Bundesvorstand sieht @rupkalwis_com die Beschlagnahmung - aber auch als Chance: "Bitte macht einen guten Wahlkampf daraus!"

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: