Virtual-Reality-Headset von Sony:Alltagsflucht deluxe

Virtual-Reality-Headset von Sony: Sonys Virtual-Reality-Headset "Project Morpheus"

Sonys Virtual-Reality-Headset "Project Morpheus"

(Foto: Sony)

Schon lange verspricht die Videospielindustrie, ihre Kunden in Fantasiewelten zu entführen. Jetzt könnte das Versprechen wahr werden. Neue Virtual-Reality-Headsets wie das Project Morpheus von Sony schaffen ganz neue Erlebnisse.

Von Pascal Paukner, San Francisco

Richard Marks fühlt sich wie im Wilden Westen. Regeln? Gibt es nicht, sagt er. Man betreibe hier so eine Art Pionierarbeit. "Wir verschieben die Grenzen", meint auch Shuhei Yoshida. Und Anton Mikhailov hat sogar eine Warnung mitgebracht: "Seid bitte vorsichtig, die Leute könnten wirklich ausflippen." Es ist 18 Uhr, Dienstagabend, ein Konferenzraum im Keller des Messezentrums von San Francisco. Hier ist soeben nicht etwa die Vereinigung amerikanischer Quacksalber zusammengetreten. Was dort auf der Bühne abgeht, ist tatsächlich bemerkenswert.

Es ist eine Präsentation der Firma Sony. Der japanische Konzern enthüllt auf der Games Developer Conference ein neues Headset für seine Spielkonsole Playstation 4. Es soll dem Träger das Gefühl vermitteln, er befinde sich in einer anderen Welt. Ein nur wenige Zentimeter großer HD-Bildschirm direkt vor der Nase zeigt dem rechten und linken Auge unterschiedliche Bilder und erzeugt so einen dreidimensionalen Eindruck. Das abgeschlossene Gehäuse ermöglicht maximalen Tunnelblick auf das virtuelle Geschehen. Außerdem versorgt das Headset die Ohren des Nutzers mit simuliertem Surround-Sound und registriert dessen Kopfbewegungen, um beispielsweise die Perspektive des dargestellten 3-D-Bildes zu verändern.

Marks, Yoshida und Mikhailov sind Mitarbeiter des japanischen Konzerns. Virtual Reality heißt das Stichwort, auf das hier alle abfahren. Schon eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung warten Menschen auf Einlass. Das Interesse ist groß, wenn Sony seinen Einstieg in ein neues Geschäftsfeld bekannt gibt, von dem viele hier glauben, dass es die Gaming-Industrie in den kommenden Jahren beschäftigen wird.

Die Games Developer Conference ist eine vergleichsweise ruhige Veranstaltung. 23.000 Fachbesucher sind im vergangenen Jahr angereist, ähnlich viele werden auch dieses Jahr wieder erwartet. Die Messe in San Francisco ist zunächst für die Architekten der Spiele da. Nicht für die Kaufleute. Es ist ein guter Ort, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Um sich über Trends, Technik und Ethik bei der Entwicklung auszutauschen. Die neuen Technologien, die den Spieler in eine virtuelle Realität versetzen, sind eines der wichtigsten Themen.

Mehr als eine Spielerei

Project Morpheus nennt Sony sein neues Gerät. Es ist noch kein fertiges Produkt, nur ein Prototyp. Wann es in den Handel kommt, wie viel es kosten und welche Elektronik genau verbaut sein wird, verrät Sony nicht. Auch mit technischen Details halten sich die Präsentierenden zurück. Die können sich alle noch ändern. "Wir möchten euer Feedback hören", sagt Yoshida, der die Konzernsparte Unterhaltungselektronik leitet, an die im Publikum sitzenden Programmierer gerichtet.

Tatsächlich ist das, was Sony vorstellt, nicht einfach nur eine Spielerei. Es geht dabei um mehr. Möglicherweise sogar um die nächste Stufe der digitalen Evolution. Die Computerspiel-Industrie hat seit jeher den technischen Fortschritt katalysiert: In den Rechnern der Gamer arbeitet die Zukunftstechnik lange bevor sie in Büros oder Arbeitszimmern auftaucht. Jetzt könnte die Spielebranche zum Wegbereiter einer Technologie werden, die die Interaktion mit der digitalen Welt auf eine neue Ebene hebt. Auf der Games Developer Conference sind Virtual-Reality-Headsets eines der großen Themen.

Sony vermeidet es, das Project Morpheus als ein technisches Produkt zu bezeichnen. "Es handelt sich um ein neues Medium", sagt Yoshida. Zwar konzentriere man sich bei Sony auf den Einsatz zu Unterhaltungszwecken. Es sei da aber noch viel mehr denkbar. Schon jetzt kooperiere man mit der Nasa und simuliere Situationen im Weltall. Außerdem werde man mit einer solchen Technik in Zukunft möglicherweise virtuell fremde Orte bereisen können. Oder sich Hotels vor der Buchung im Detail anschauen können.

Auch Google bereitet die Entwickler auf neue Realitäten vor

Bei solchen Anwendungsfällen kommen Virtual und Augmented Reality zusammen. Die eine dient vor allem dazu, möglichst viele reale Sinneseindrücke auszuschließen und durch digitale zu ersetzen. Augmented Reality hingegen soll die Realität erweitern, also reale Eindrücke mit digitalen Informationen anreichern, etwa wie die Datenbrille Google Glass.

Der Tech-Konzern Google, dem manche nachsagen, er wisse im Allgemeinen am besten über die Zukunft Bescheid, zeigt auf der Spielentwickler-Messe deutlich Präsenz. Einen der Konferenzsäle in der imposantesten der drei Messehallen hat Google für den ganzen Tag gemietet. Mehr als ein Dutzend Veranstaltungen finden hier statt. Am frühen Nachmittag betritt Timothy Jordan die Bühne. Der Mann ist bei Google an der Weiterentwicklung der Computerbrille Glass beteiligt. Nun hat er die Aufgabe, den Games-Designern zu erklären, was es zu beachten gilt, wenn sie Spiele für die Datenbrille entwickeln wollen.

Neue Spiele braucht die neue Welt

Wer glaube, dass man Spiele für Smartphones einfach auf Google Glass übertragen könne, will Jordan wissen und blickt dabei etwas albern hinter seiner Datenbrille hervor, die er auch auf der Bühne trägt. Natürlich hebt niemand die Hand und im Prinzip hätte Jordan seinen Vortrag damit auch beenden können. Seine Botschaft hat er untergebracht: Das, was mit Google Glass über euch hereinbricht, ist vollkommen neu, wieder einmal. Vergesst, was bislang war. "Obwohl es auch ein mobiles Gerät ist, unterscheidet es sich fundamental von anderen mobilen Geräten", sagt Jordan.

Sein Konzern, der in diesem Fall als Hardware-Hersteller auftritt, steht vor demselben Problem wie all die anderen Hersteller der neuen Geräte. Er muss die Spielentwickler davon überzeugen, Zeit, Geld und Energie in eine neue Plattform zu investieren, von der zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand genau weiß, welches Potenzial sie hat. Rennen in fünf Jahren alle mit so einer Brille durch die Gegend? Oder bleibt es ein Gadget für Geeks? Wer Spiele für die Playstation 4 oder das iPhone entwickelt, will damit auch Geld verdienen.

Nimmt man Virtual Reality und Augmented Reality ernst, bedeutet das, völlig neue Spielkonzepte zu entwickeln. Das versuchen Google und all die anderen auf der Games Developer Conference deutlich zu machen. Das Thema ist der Industrie wichtig. So wichtig, dass auf der Messe auch die Neugründung eines Industrie-Verbands bekannt gegeben wurde. Sie soll der Technik zum Boom verhelfen. Immersive Technology Alliance heißt die Vereinigung. Dahinter stecken neben Größen der Technik- und Computerspiel-Industrie wie Electronic Arts, Epson und Panasonic auch viele Start-ups. Zu den erklärten Zielen der Gruppe zählt auch, mehr Nutzer für die neuen Technologien zu begeistern.

Oculus Rift zeigt den Erfolg

Wie groß das Interesse in der Szene der Computerspieler schon jetzt ist, zeigt der Erfolg des Virtual-Reality-Headsets Oculus Rift. 2,4 Millionen Dollar kamen bei einer Crowdfunding-Kampagne für die Entwicklung zusammen. Doch das Konzept überzeugte auch professionelle Investoren, sie legten noch Dutzende Millionen obendrauf. Insgesamt stecken nun mehr als 90 Millionen Dollar an Fremdkapital in der Herstellerfirma, die südöstlich von Los Angeles beheimatet ist. Damit lässt sich arbeiten.

Die Entwicklung des Oculus Rift ist entsprechend weit fortgeschritten. Auf der Messe in San Francisco Games Developer Conference werden die Headsets prominent präsentiert. Noch in diesem Jahr wird wohl eine erste Version in den Handel kommen. Wer die Prototypen des Geräts sieht, glaubt an einen Scherz. Zu ungewöhnlich, zu groß und unbequem sehen die riesigen Brillen derzeit noch aus. Doch das wird sich ändern, hat das Unternehmen bereits angekündigt.

Sony, das zeigt die Präsentation, ist da schon weiter. Ähnlich zukunftsweisend wie die Technologie sein könnte, ist das Design. Allein bei der Namensgebung haben die Unternehmen ähnliche Bezüge gewählt. Oculus steht im Deutschen für ein Kuppelauge, das diffuses Licht in einen Raum fallen lässt. Morpheus ist in der griechischen Mythologie der Gott der Träume. Ihm wird nachgesagt, er könne sich in jede menschliche Gestalt verwandeln und dann in Träumen auftauchen. "Der Name ist uns aber erst in der vergangenen Woche eingefallen", sagt Sony-Entwickler Marks. Alles andere wäre auch gruselig gewesen.

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