Videos aus Blacksburg:"Wir kannten ihn nur als den Fragezeichen-Typen"

Im Internet wird der Opfer gedacht und über den Amoklauf diskutiert - es gibt auch einige ziemlich fragwürdige Beiträge.

Jürgen Schmieder

Es ist ein geschmackloses Video: Auf der Internet-Plattform YouTube zeigt ein Benutzer seine Version der tragischen Vorfälle an der Virginia Tech University. Er hinterlegt die Bilder, die der Student Jamal Albarghouti mit seiner Handykamera aufgenommen hatte, mit Tönen aus Ego-Shootern wie "Quake 3" und "Unreal Tournament".

"Prepare to fight" heißt es am Anfang des 42 Sekunden langen Videos. Dann sieht man Polizisten, die ein Gebäude stürmen. Nach dem ersten Schuss ist zu hören: "First one!" Nach dem zweiten: "Head Shot!" Am Ende des Videos wird ein lautes ,,Monster-Kill!'' über die Bilder gelegt. Der Macher des makabren Videos hat sich den Namen "Menschenopfer" gegeben.

Auf YouTube liefen schon wenige Stunden nach der Tat die ersten Beiträge. Zuerst gab es die Handy-Aufnahmen des Studenten Jamal Albarghouti, die alle Nachrichtensendungen in ihre Berichte aufnahmen und damit höhere Einschaltquoten verzeichneten als mit aktuellen Meldungen.

Dannn wurden Zusammenfassungen eingestellt und die Pressekonferenz mit Universitäts-Präsident Charles Steger. Man hatte den Eindruck, YouTube hätte eine umfassendere Berichterstattung als jeder Fernsehsender.

Beileidsbekundungen online

Wenige Stunden später waren auf Weblogs und in Foren die ersten Beileidsbekundungen zu sehen. Ein Student der Virginia Tech etwa sitzt mit Tränen in den Augen vor seiner Webcam. Er wolle auf diesem Weg sein Mitgefühl mit den Opfern ausdrücken.

Eine Studentin beschreibt, wie schlimm es gewesen sei, im Studentenwohnheim zu sitzen: "Keiner wusste irgendwas, ich habe mich im Internet mit Menschen aus meinem Stockwerk unterhalten, um etwas zu erfahren." Ein Dritter versucht, den Amoklauf einzuordnen: "Es ist eine kranke Welt, in der wir leben."

Die Universität in Blacksburg hat mittlerweile die Homepage "April 16th Memorial" eingerichtet, auf der sich Menschen eintragen können, um ihr Mitgefühl auszudrücken. Die Bekundungen kommen aus aller Welt. Matthew Stubbs aus England etwa schreibt: "All meine Gedanken sind bei euch." Bis Mittwoch Nachmittag brachen die Server mehrmals zusammen, weil so viele User ihr Beileid zum Ausdruck bringen wollten.

Nur ein Fragezeichen

Auf anderen Internet-Seiten wurden die Motive des Attentäters diskutiert. Ein ehemaliger Mitschüler berichtet in seinem Weblog von den makabren Theaterstücken, die der Amokläufer geschrieben hat. In einem anderen Blog schreibt ein Kommilitone über einen Kurs in Kreavtivem Schreiben, in dem der Amokläufer in die Anwesenheitsliste statt seines Namens ein Fragezeichen eingetragen habe: "Wir kannten ihn eigentlich nur als den Fragezeichen-Typen."

In Foren werden die Gründe für Amokläufe im Allgemeinen diskutiert. Marilyn Manson sei schuld, heißt es in einem Beitrag. Ein anderer Benutzer prangert das amerikanische Waffengesetz an.

Chancen und Risiken

Es gehört zu den Eigenschaften des so genannten Web 2.0, dass Menschen sich unzensiert äußern und ihre Meinung veröffentlichen dürfen. Das Kondolenzbuch der Virginia Tech University zeigt die Chancen, die ernst gemeinten Beiträge ebenfalls. Auf YouTube erkennt man auch Grenzen.

Neben dem geschmacklosen Ego-Shooter-Video gibt es auf Videoseiten im Internet auch Beiträge mit rassistischem Hintergrund. Auf pseudo-journalistische Art werden in einem Video die Vorfälle in Blacksburg zusammengefasst. Am Ende jedoch steht die abstruse Behauptung, dass Amokläufe häufig von asiatischen Menschen verübt würden, danach wird die Internet-Adresse einer rechtsradikalen Gruppe eingeblendet.

Als User kann man nur hoffen, dass diese Videos schnell von den YouTubeVerantwortlichen verbannt werden - und solche gezeigt werden wie der Beitrag ,,A Moment of Silence'' des Nutzers ,,Matt''. Er sitzt eine Minute lang still vor der Kamera, nimmt seine Mütze ab und zündet eine Kerze an.

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