Video-Streaming:Netflix und Co: Wann Passwort-Sharing gefährlich ist

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Das kann einem keiner verbieten: zusammen einen Film anzugucken. Beim Umgang mit den Zugängen für ihre Dienste verfahren die Anbieter unterschiedlich. (Foto: mauritius, netflix, SZ-Collage)

Serien und Filme kostenlos schauen? Millionen Nutzer von Netflix und ähnlichen Diensten machen das. Sie besorgen sich die Passwörter von Familie oder Freunden. Doch ist das erlaubt?

Von Victor Gojdka, München

Es war ziemlich unverfroren, als der Moderator des Fernsehpreises Emmy sein Passwort für den amerikanischen Videodienst HBO teilte. Er gab es nicht etwa an seine Verwandten weiter, nicht an seine Freunde. Er teilte es gleich mit allen 12 Millionen Zuschauern der Emmy-Übertragung. "Mein Benutzername Khaleesifan3@emmyhost.com", sagte Andy Samberg vor laufenden Kameras. "Das Passwort lautet natürlich password1."

Samberg machte damit auf etwas aufmerksam, was viele Nutzer von Online-Videodiensten wie Netflix, Amazon Prime oder Maxdome kennen: Sie kaufen sich keinen eigenen Account, sondern besorgen sich das Passwort bei Partner, Kindern oder Freunden. Eine Studie der britischen Preisvergleichs-Website Broadband Genie zeigte, dass bereits jeder vierte Nutzer sein Passwort mit anderen teilt. Berechnungen des Beratungsunternehmens Parks Associates zufolge entgehen den Anbietern so rund 500 Millionen US-Dollar pro Jahr.

Wer als Nutzer wissen will, was geht und was nicht, muss einen Blick ins Kleingedruckte werfen. Eine einheitliche gesetzliche Regelung gibt es in Deutschland nicht. "Jeder Anbieter kann in den Nutzungsbedingungen seine eigenen Regeln festlegen", sagt IT-Anwalt Christian Solmecke. Dort steht, ob man sein Passwort weitergeben darf, wer auf der virtuellen Couch Platz nehmen darf - und ob möglicherweise Strafen drohen.

Netflix

Der Videodienst bietet unterschiedliche Tarife, bei denen Nutzer Serien oder Filme wahlweise nur mit einem Gerät ansehen dürfen - gegen einen Aufpreis aber auch mit zwei oder vier Geräten. Ob das eigene Geräte sein müssen oder auch Ehefrau, Kinder und Nachbarn ihre Geräte mit dem Account verbinden dürfen, bleibt in den Verträgen schwammig.

So heißt es in den Netflix-Nutzungsbedingungen, "der Kontoinhaber darf das Passwort nicht mit Dritten teilen". Die Klausel ist jedoch nicht so unumstößlich, wie sie sich auf den ersten Blick anhört. Denn Nutzer sollten ihren digitalen Account-Schlüssel lediglich nicht aus der Hand geben, "um die Kontrolle über das Konto zu bewahren". Aber wann bewahrt man die Kontrolle? Nur bei Eheleuten und Kindern oder auch noch bei Freunden? Auf Anfrage teilt Netflix mit: "Solange Mitglieder ihre Passwörter nicht verkaufen, können sie diese nutzen, wie sie wollen."

Maxdome

Der Anbieter Maxdome zeigt sich restriktiver, bei ihm können Serienfans maximal zwei Videos auf unterschiedlichen Geräten gleichzeitig abspielen. In den Geschäftsbedingungen heißt es ergänzend: "Kennwörter dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden." Nur wer sind Dritte? "Im Familienkreis wird das kein Problem sein", sagt IT-Anwalt Thomas Schwenke. "Schon bei Wohngemeinschaften befinden wir uns in einer Grauzone." Das Angebot des Anbieters ist allerdings raffiniert konstruiert: Wer bei Maxdome ein Abo abschließt, bekommt nicht alle Filme kostenlos. Aktuelle Blockbuster müssen Kunden in einer Online-Videothek zukaufen und dafür ihre Zahlungsdaten hinterlegen. Würde man Fremden das Passwort weitergeben, könnten sie die Videothek leerkaufen. Da braucht es viel Vertrauen.

Sky Go

Am restriktivsten geht der deutsche Anbieter Sky mit seiner Streaming-Plattform Sky Go vor. Zum Thema Schwarzseher tönt es aus dem Konzern: "Die Piraten von heute sind keine Robin Hoods, sondern eine Schattenwirtschaft." Schon die Wortwahl soll zeigen: Passwort-Teilen ist hier meist nicht erwünscht. Wenn Nutzer Passwörter weitergeben wollen, haben sie bei Sky sowieso meist ein ganz praktisches Problem. Buchen Nutzer einen normalen Zugang, können sie damit maximal einen Film gleichzeitig abspielen. Das Passwort weiterzugeben, würde also wenig bringen.

Gegen einen monatlichen Aufpreis von 4,99 Euro wird der Anbieter großzügiger, lässt dann zwei zeitgleiche Streams mit einem Passwort zu. Das Passwort dürfen Nutzer trotzdem nur an Mitglieder des eigenen Haushalts weitergeben, teilt der Anbieter auf Anfrage mit. Sonst könne Sky sogar Schadenersatz geltend machen - wohl in Höhe der nicht gezahlten Abobeiträge.

Amazon Prime Video

Beim Amazon-Zusatzdienst Prime ist es technisch möglich, Filme des Streamingdienstes auf bis zu drei Geräten gleichzeitig zu schauen. Während Nutzer bestimmte Versandoptionen bei Amazon Prime mit Haushaltsmitgliedern teilen dürfen, will Amazon das bei seinem Videodienst nicht. "Ein Teilen der Inhalte von Prime Video ist in diesem Rahmen in Deutschland nicht zulässig", teilt ein Konzernsprecher mit. Warum man Videos dennoch auf drei Geräten gleichzeitig abspielen kann, bleibt offen.

Bei Amazon ist es jedoch ähnlich wie bei Maxdome: Der Inhaber des Accounts muss seine Zahlungsdaten angeben. Da braucht es viel Vertrauen, anderen den Zugang zu gewähren: Sie könnten sich auf Shopping-Tour im Onlinekaufhaus machen.

Harsche Konsequenzen beim Passwort-Sharing sind in der Branche also selten. "Die Anbieter haben eine technische Handhabe, das ist viel besser, als juristisch einzuschreiten", sagt IT-Anwalt Schwenke. Nur einen Filmabruf pro Account erlauben oder den Account mit Zahlungsdaten verknüpfen - die Unternehmen kennen inzwischen raffinierte technische Tricks, um das Passwort-Sharing zu unterbinden.

Bei Emmy-Moderator Andy Samberg ist die Sache jedoch klar: Er hätte sein Passwort nicht mit Millionen Fremden vor den Fernsehbildschirmen teilen dürfen, sind sich Rechtsexperten sicher. Konsequenzen hatte die Aktion für ihn allerdings nicht: Der Streaminganbieter HBO wusste bereits vorher Bescheid, das Konto schloss sich angesichts des Ansturms der Nutzer binnen Minuten von ganz allein: wegen Überlastung.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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