Verleumdung im Netz:Ist der Ruf erst ruiniert

Der gute Ruf ist online schnell zerstört. Unternehmen wollen dabei helfen, unliebsame Google-Resultate loszuwerden. Doch der technische Fortschritt droht bereits alles noch komplizierter zu machen.

Johannes Kuhn

Ein Berufseinsteiger sieht sich beim Bewerbungsgespräch mit der Mitgliedschaft in einer schlüpfrigen StudiVZ-Gruppe konfrontiert. Ein angesehener Geschäftsmann findet plötzlich ein Blog, auf dem jemand in seinem Namen für die Legalisierung von Rauschgift eintritt. Eine junge Frau googelt sich und findet ein pikantes Video, das der Ex-Freund einst von ihr gedreht hatte - und als Rache für die Trennung inklusive Namen auf einschlägige Seiten stellt.

Rufschädigung im Netz

Der Ruf im Internet ist schnell dahin. Unternehmen wollen dabei helfen, ihn zu reparieren.

(Foto: online.sdedigital)

So oder so ähnlich lauten die Fälle, die immer wieder durch die Medien geistern. Der Ruf im Internet, so der Tenor, ist schneller ruiniert als der Betroffene "Privatsphäre" sagen kann. Spätestens seit der jüngsten Kontroverse darüber, welche Informationen seiner Nutzer ein weltumspannendes Netzwerk per se als öffentlich deklariert, ist die Frage nach dem Einfluss auf den eigenen Online-Ruf wieder aktuell.

Identitätsdiebstahl nimmt zu

Soziale Netzwerke sind dabei allerdings nicht das Hauptproblem, glaubt Martin Lux, Geschäftsführer des Online-Reputationsmanagement-Dienstes Dein guter Ruf.de: "Die Nutzer haben gelernt, mit diesen Netzwerken umzugehen", sagt er, "das Problem ist, wenn Inhalte in einem anderen Kontext veröffentlicht werden."

Inzwischen nähmen vor allem Identitätsdiebstahl und Verunglimpfung im Internet zu. So sehen sich hübsche Frauen plötzlich unter anderem Namen auf Facebook angemeldet, wo ihr Bild zum Sammeln von E-Mail-Adressen zum Spamversand verwendet wird. Schnell verwandelt sich auch das Foto einer Partyszene von vor wenigen Jahren, auf der eine Frau neben einem fremden Mann zu sehen ist, zum angeblichen Beweis für die Untreue von heute.

Lux und sein Unternehmen sind inzwischen längst nicht mehr die einzigen Anbieter, die professionelle Hilfe bei der Rettung des Online-Rufs versprechen: Andy Beal, US-Guru in Sachen Selbstmarketing im Netz, schätzt den jährlichen Umsatz der Branche weltweit auf etwa 250 Millionen Dollar.

Welche Technik die Privatsphäre weiter aushöhlt

Dabei geht es vor allem darum, bei Google gut dazustehen. "Wenn ein unliebsamer Eintrag erst auf Seite 2 der Suchergebnisse erscheint, nimmt ihn kaum jemand mehr wahr", sagt Lux. Der Google-Algorithmus bezieht 2000 verschiedene Parameter in die Errechnung der Suchergebnisse ein, weshalb eine eigene Homepage alleine nicht genug bietet, um seinen Namen nach oben zu katapultieren.

Unternehmen bieten deshalb Privatpersonen oder Firmen Pressemitteilungen an, in denen der Name des Betroffenen erwähnt wird. Über die Verlinkung mit verschiedenen Portalen hangeln sich positive Nachrichten zu einer Person ganz langsam die Google-Trefferliste hoch - auch wenn sich hinter den Meldungen nicht viel mehr als heiße Luft verbirgt. Auch eigene Blogs oder gepflegte Profile bei sozialen Netzwerken helfen dabei, dass Google unangenehme Ereignisse verdrängt.

Zwei- bis kleine fünfstellige Eurobeträge kostet die professionelle Hilfe, je nach Aufwand und Dauer. Die Löschung eines Eintrags können Nutzer auch selbst übernehmen: Wenn der Hoster einer Webseite in Europa oder gar Deutschland sitzt, kann jeder Betroffene problemlos um Löschung oder Anonymisierung bitten. Danach kann bei Google per Formular beantragt werden, das Suchergebnis aus dem Google-Index zu löschen.

Die Bilderkennung kommt

Schwieriger wird es, wenn die Server mit den Daten an Orten wie Russland oder der Karibik stehen und auf Löschwünsche keine Antwort folgt. Hier kommt auch das Reputationsmanagement häufig an seine Grenzen - manchmal können die Unternehmen deshalb nur dabei helfen, Fälle von Verunglimpfung oder Identitätsklau zu dokumentieren, den Rest müssen Juristen erledigen.

Selbst die Gesetzeslage in westlichen Ländern ist nicht einheitlich: In den USA werde beispielsweise eher selten gelöscht, erklärt Selbstmarketing-Experte Beal. Dort sind auch Datenbanken mit Vorstrafen oder Privatinsolvenzen verfügbar, in denen Bürger auch nach zehn Jahren noch auftauchen. Hier gelte es, positive Suchergebnisse in das Blickfeld des Google-Suchers zu rücken.

Online-Reputationsmanager sind sich einig, dass der nächste große Schub für die Branche in Kürze kommt, wenn Menschen auf Fotos durch Gesichtserkennungssoftware erkennbar sind. Bereits jetzt bieten Firmen an, die Pornoportale weltweit per Gesichtserkennungssoftware zu durchsuchen. Dafür ist einzig ein Foto der Person nötig, die fürchtet, auf diesen Seiten aufzutauchen.

Noch gibt es juristische Zweifel, doch sollten Google und Co die Gesichtserkennungssuche flächendeckend einführen, reichen künftig schon kleine Fehltritte wie ein Glas zu viel auf einer Party.

Selbst wer heute die besten Facebook-Privatsphäreneinstellungen nutzt, kann der Macht des Internets nichts anhaben, wenn Freunde das unvorteilhafte Bild auf ihrem Computer speichern und später verbreiten. "Seien Sie vorsichtig", warnt deshalb Beal, "und posten Sie nichts online, was Sie nicht in der Öffentlichkeit sehen wollen. Denn am Ende wird es genau dort landen."

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