USA: Umstrittenes Internetgesetz:Obama und der Ausschalt-Knopf

Der US-Senat diskutiert derzeit über ein Gesetz, das dem Präsidenten die Abschaltung des amerikanischen Internets ermöglichen würde. Bürgerrechtler schreien auf, selbst die Regierung ist skeptisch.

Johannes Kuhn

In den USA, wo die politische Blogosphäre sich entlang ihrer ideologischen Demarkationslinien bis aufs Blut bekämpft, sind sich Linke und libertäre Rechte ausnahmsweise einig: Von einer "Big-Brother-Taktik" ist die Rede, vom "Ausschaltknopf für das Internet" oder dem "Versuch, unter einem Vorwand die freie Rede zu beschneiden".

Barack Obama

Mehr Macht über das Internet? US-Präsident Barack Obama hält sich bedeckt.

(Foto: ap)

Nun sind rhetorische Übertreibungen in Washington keine Seltenheit, doch der Gesetzentwurf des unabhängigen US-Senators Joseph Lieberman birgt tatsächlich Sprengkraft: Unter dem Titel "Schutz des Cyberspace als ein nationales Gut" soll er es dem US-Präsidenten ermöglichen, "kurzfristige Notfallmaßnahmen" zu ergreifen, um das US-Netz vor Angriffen zu schützen.

Das Thema Cyberkrieg und eine mögliche Bedrohung durch ausländische Hacker ist in Washington gerade in aller Munde: Der ehemalige US-Sicherheitsberater Richard Clarke veröffentlichte im Frühjahr ein Buch zum Thema, in dem er die mangelnde Vorbereitung der US-Sicherheitsbehörden auf mögliche Hackerangriffe anprangert. Abgeordnete beider Parteien treffen sich, um mögliche Krisenszenarien durchzuspielen, Lobbyisten von Firmen für Internetsicherheit warnen medienträchtig vor den Folgen durch Attacken aus China oder Russland.

Antwort auf diffuse Bedrohung

Liebermanns Gesetzesentwurf, der derzeit im Senat diskutiert wird und von Politikern beider Parteien eingebracht wurde, soll eine Antwort auf die diffuse Bedrohung geben: Es würde dem Präsidenten in Notfallsituationen erlauben, die Kontrolle über das Internet zu übernehmen und gegenüber mächtigen US-Konzerne wie Google oder der Telekomanbieter AT&T weisungsbefugt zu sein.

Internetanbieter müssten nicht nur Sicherheitslücken an eine neue Abteilung der Heimatschutzbehörde berichten, sondern auch die Infrastruktur entwickeln, um den Datenverkehr in den USA notfalls abschalten zu können.

Wie die Obama-Administration reagiert

Um die Frage, ob der US-Präsident wirklich befugt sein darf, solch große Macht über den Datenverkehr im Netz zu erhalten, dreht sich auch die Diskussion. TechAmerica, die größte Lobby der US-Internetfirmen, warnt vor "unvorhersehbaren Konsequenzen": Im Internet seien zu viele Dinge miteinander verbunden, als dass eine Abschaltung folgenlos bliebe.

Bürgerrechtsgruppen weisen darauf hin, dass die neue Behörde National Center for Cybersecurity and Communications (NCCC) im Gesetzentwurf als Aufsichtsorgan beinahe unlimitierte Rechte erhalten würde. Nach der Erfahrung mit dem umstrittenen Patriot Act, der das Abhören von Telefonen und Auslesen von E-Mails ermöglicht, befürchten sie einen weiteren Machtzuwachs der Sicherheitsbehörden durch die Hintertür.

Am Wochenende ging US-Senator Joseph Lieberman deshalb noch einmal auf Besänftigungstour: "Die Regierung soll niemals die Kontrolle über das Internet übernehmen", sagte er in einem Interview dem Nachrichtensender CNN, um dann schnell zu ergänzen: "Wir müssen dem Präsidenten jedoch die Möglichkeit geben, zu einem US-Internetanbieter zu sagen: "Wir müssen das amerikanische Internet von jeglichem Datenverkehr, der in dieses Land kommt, trennen.'"

Gesetz von 1934 könnte ausreichen

Befürworter des Gesetzes weisen darauf hin, dass die Handlungsoptionen des Präsidenten in Notfällen bislang nicht an die Szenarien des 21. Jahrhunderts angepasst seien. "Der Präsident hat heute weniger Autorität über die verwundbare digitale Infrastruktur unserer Banken und Elektrizitätswerke, als er über Tiefseebohrungen nach Öl hat", schreibt beispielsweise der Blogger Stewart Baker.

Die Obama-Administration gibt sich bislang jedoch zurückhaltend. In einer Anhörung vor dem Senat erklärte ein Vertreter des Heimatschutzministeriums, es könne durchaus "außergewöhnlicher Maßnahmen" bedürfen, um auf Bedrohungen aus dem Cyberspace zu reagieren. Allerdings gebe der Communications Act von 1934 dem US-Präsidenten bereits einige Rechte, die lediglich an neue Medien wie das Internet angepasst werden müssten.

In dem Gesetz heißt es in Artikel 706, dass der Präsident im Fall eines drohenden Kriegszustandes die Kontrolle über "Einrichtungen oder Stationen für Kommunikationen über Leitungen" übernehmen könnte. Dies könnte auch Breitband-Anbieter einschließen.

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