Upworthy:What the Fu*k?

Die Homepage von Upworthy

Das Geheimnis von Upworthy: Die Schlagzeile.

(Foto: Screenshot)

Erst wurde die Unterhaltungsseite "Upworthy" rasend schnell populär, jetzt fehlt plötzlich die Hälfte der Leser. Auf- und Abstieg haben denselben Grund: Facebook. Ein Warnsignal für andere Redaktionen.

Von Johannes Boie

Upworthy.com kann ziemlich viel überhaupt nicht. Die Blödelseite bringt vor allem beeindruckende, emotionale Geschichten, die oft schon an anderen Stellen im Netz gezeigt wurden. Aber genau damit berührt die Seite ihre Nutzer, und die wiederum teilen die Links zu Upworthy-Geschichten auf Facebook mit ihren Freunden, wie jene vom Wald, der in Mailand in einem Betonklotz wächst.

Die ständigen Verlinkungen, nicht nur auf Facebook, sondern auch auf Twitter, machten wiederum upworthy.com zu einer der am schnellsten wachsenden Unterhaltungsseiten im Netz im Jahr 2013. Bis im Dezember plötzlich 25 Prozent der Webseiten-Besucher ausblieben, und im Januar gleich noch mal 21 Prozent zusätzlich. Nahezu die Hälfte aller Leser sind weg, insgesamt erreicht upworthy.com nach Angaben von Bloomberg noch 42 Millionen Menschen. Vor ein paar Monaten waren das noch 90 Millionen.

Um die Frage in der Sprache der Seite zu stellen: What the Fu*k?

Upworthy hatte sich von Facebook abhängig gemacht und muss jetzt bitter dafür bezahlen. Es ist ein Lehrstück für Medien rund um die Welt.

Nutzer hat wenig Einfluss auf Nachrichtenstrom

Die Fähigkeit, Leser zu erreichen, gehört für Journalisten zum wichtigsten Handwerk. Ein Text, ein Video kann noch so schön sein - wenn es kein Publikum findet, war die Arbeit vergebens. Redaktionen und Verlage suchen deshalb stets nach einem Ort, an dem ihre Leser empfänglich sind. Bis heute ist das oft der Kiosk oder der Briefkasten, ein Ort der Gewohnheit, wenn es um gedruckte Nachrichten geht.

Immer öfter aber ist es das Handy oder das Tablet, auf dem Texte, Bilder und Videos konsumiert werden. In der digitalen Welt tobt ein unerbittlicher Kampf um Aufmerksamkeit. Die nächste Ablenkung, der nächste Reiz liegt stets nur eine Fingerbewegung nebenan. Soziale Webseiten wie Facebook und Twitter leben davon, dass die Nutzer diese Flut an Nachrichten jeder Art erschaffen, steuern und aufnehmen können. Und die Nutzer lieben die Seiten. Um die 25 Millionen Deutsche surfen regelmäßig auf Facebook, 757 Millionen Menschen weltweit nutzen die Seite jeden einzelnen Tag.

Dementsprechend veröffentlichen Redaktionen - jungen Vorbildern wie Upworthy bereitwillig folgend - auf Facebook, Twitter und ähnlichen Internetseiten Links zu ihren Nachrichtenwebseiten, die erst zum Klicken, dann zum Lesen anregen sollen. Diese Texte können im Nachrichtenstrom der einzelnen Nutzer leicht untergehen. Die Nutzer können zwar auswählen, aus welchen Quellen sich der Nachrichtenfluss zusammensetzt, zum Beispiel welche Nachrichtenredaktionen in ihrem Strom Artikel platzieren dürfen. Sie können aber nur begrenzt beeinflussen, wie sich die endlose Abfolge aus Bildern, Links, Texten und Videos zusammensetzt.

Facebook wollte weniger Blödsinn - und hatte Erfolg

Für genau diesen Mechanismus haben sämtliche sozialen Netzwerke einen Algorithmus, also eine Berechnungsfunktion. Und wenn sie diese ändern, dann können ganze Redaktionen sehen, wo sie mit ihren Neuigkeiten bleiben, denn im Nachrichtenstrom der Facebooknutzer landen sie dann nicht mehr prominent.

Mehrfach im Jahr arbeiten die Facebook-Ingenieure an den Algorithmen, zuletzt im Januar 2014. Die Änderung zuvor, Anfang Dezember, war es, die Upworthy auf Facebook aus dem Schaufenster in die Abstellkammer verbannte. Dabei hat Facebook legal und auch verständlich gehandelt - die Firma wollte weniger Unsinn und mehr ernsthafte Nachrichten verbreiten. Hinzu kommt in diesem Fall, dass Upworthy auch das eigene redaktionelle Konzept umstellte, eine Strategie, die Leser in den seltensten Fällen sofort goutieren.

Und doch haben die Kalifornier mit dem Schritt viel weniger ihren Sinn für gute Berichterstattung bewiesen als ihre große Macht über die Nachrichtenauswahl. Für Medienunternehmen kann dies nur bedeuten, sich nicht zu sehr auf Facebook und andere Netzwerke zu verlassen. Es muss noch andere Wege geben, um in die Köpfe der Leser zu gelangen.

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