Unerwünschte Werbe-Mails:Viel Spam um nichts

Verdienen Spam-Versender täglich traumhafte Geldbeträge? Forscher haben jetzt herausgefunden, was die Massenpost tatsächlich einbringt.

Helmut Martin-Jung

Jeden Tag werden weltweit um die 120 Milliarden E-Mails versandt. Auf gut 90 Prozent davon könnten die meisten Computernutzer jedoch gut verzichten - so hoch liegt mittlerweile der Anteil an unerwünschter Post, im Jargon Spam genannt. Werbemüll ist das meiste, aber auch Nachrichten mit gefährlicher Fracht im Anhang.

Unerwünschte Werbe-Mails: "Der beste Weg, Spam zu bewerten, ist selber zu spammen."

"Der beste Weg, Spam zu bewerten, ist selber zu spammen."

(Foto: Foto: iStock)

Die Frage aber, ob es sich für die Absender überhaupt lohnt, tagtäglich diesen gigantischen E-Müll-Tsunami loszutreten, konnte bisher aber nur mit Vermutungen beantwortet werden - es müsse wohl so sein, sonst würde es all diese Milliarden an Mails gar nicht geben. Und immer wieder ist von traumhaften Geldbeträgen die Rede, die Spam-Versender täglich verdienen.

Stefan Savage und seinem Team von der University of California, San Diego, war das alles zu ungenau. Um herauszufinden, was Spammer wirklich verdienen, ging er einen ungewöhnlichen Weg: "Der beste Weg, Spam zu bewerten, ist selber zu spammen", schreibt er in einer Veröffentlichung mit dem Titel Spamalytics.

Knapp 470 Millionen E-Mails später war er um nicht allzuviel Geld, aber um einige Erfahrungen reicher. Die wichtigste Erkenntnis lautet: Um wenigstens ein bisschen Geld zu verdienen, müssen irrwitzige Mengen an Spam versendet werden. Die Margen der Spammer sind gar nicht so groß wie oft vermutet wird.

Straff organisiertes Netz

Unerwünschte E-Mails werden in aller Regel von Netzen infizierter Rechner aus verschickt. Diese sind ähnlich straff organisiert wie eine Ameisenkolonie. Computer, die mit dem Internet verbunden sind und Sicherheitslücken haben, werden von automatisierten "Aufsehern" als Arbeiter rekrutiert, die Spam versenden. Ihre menschlichen Besitzer ahnen davon meist nichts.

Viel Spam um nichts

Auch Savage und seine Mitarbeiter bemächtigten sich im Internet solcher Rechner und brachten knapp 76.000 Computer unter ihre Kontrolle. Dann legten sie unter anderem eine fingierte Online-Apotheken-Webseite an. So konnten sie feststellen, wieviele Menschen tatsächlich die von ihnen beworbenen Produkte bestellten.

Nach 26 Tagen und rund 350 Millionen versendeter E-Mails war das Ergebnis einigermaßen ernüchternd. Nur 28 Menschen hatten einen Kauf abgeschlossen, 27 davon für Produkte zur Steigerung der Manneskraft. Das entspricht einer Umwandlungsquote von unter 0,00001 Prozent. Es ging dabei im Durchschnitt um Käufe im Wert von knapp 100 Dollar. An den Tagen, an denen die Mail-Kampagne lief, hätte ein Spammer einen Umsatz von rund 140 Dollar pro Tag gemacht, rechnet Savage vor.

Weil aber das von den echten Spam-Versendern kontrollierte Netz willfähriger Mail-Maschinen fast 100-mal größer ist, rechnet der Spam-Experte auch damit, dass der Umsatz enstprechend höher liegt, seiner Schätzung nach bei etwa 9500 Dollar pro Tag. Savage warnt aber ausdrücklich davor, seine Daten als repräsentativ zu verwenden, dafür sei der Versuch zu klein dimensioniert gewesen und habe auch nur einige Wochen gedauert.

Savage und seinem Team glauben, dass im Falle des untersuchten Netzes aus gekaperten Rechnern, in dem es vor allem um Mails für Potenzpillen und ähnliches geht, Spamversender und Pharmaverkäufer ein- und dieselben Leute sind - würden die Spammer als Dienstleister für die Pharmaversender agieren, wären denen vermutlich die Kosten zu hoch.

Dass dem so ist, dafür gebe es eine Reihe von Hinweisen. Dies biete einen Ansatzpunkt, Spam effektiver zu bekämpfen, folgert Savage. "Die Gewinnspanne bei Spam könnte ziemlich dünn sein, die Spammer müssen also genau darauf achten, wie ihre Kampagnen laufen, und sie sind anfällig für neue Abwehrmaßnahmen."

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