Unabsichtliche Anrufe:"Butt Dials" nerven Notrufzentralen

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Wenn das Handy in der Hosentasche steckt, macht es sich gerne mal selbstständig - und wählt den Notruf. (Foto: SZ.de)

Statt mit echten Notfällen bekommen es Mitarbeiter von Notrufzentralen oft mit einer anderen Art von Anrufen zu tun.

Von Sara Weber

Autounfall, Einbruch, Ohnmacht - diese Gründe liegen nahe, wenn ein Mensch den Notruf wählt. Klassische Notfälle eben. Doch Mitarbeiter in Notrufzentralen müssen sich oft mit etwas ganz anderem beschäftigen: mit Butt Dials, wie man in den USA sagt, also Anrufen mit dem Hintern (etwas gewählter ausgedrückt: Pocket Dials).

In San Francisco wird jeder fünfte Notruf aus Versehen abgesetzt, kein Mensch hat gewählt, sondern das Telefon selbst, meist von der Hosentasche aus. In einer Stichprobe waren von 197 Handyanrufen sogar 30 Prozent versehentlich. Das zeigt eine Studie von Google, die in Zusammenarbeit mit der Stadt San Francisco entstanden ist.

Jedes Mal muss überprüft werden, warum sich niemand meldet

Was auf den ersten Blick amüsant klingt - nicht nur wegen des Wortes Butt Dial, für das im Deutschen leider die adäquate Übersetzung fehlt -, ist ein ernsthaftes Problem. Selbst wenn die gestiegene Zahl der Anrufe nicht zu mehr Einsätzen führt. Denn die Hosentaschen-Anrufe überfordern die Notrufzentralen. Die müssen schließlich jedes Mal prüfen, warum sich niemand meldet: Liegt ein Notfall vor und ist der Anrufer vielleicht nicht mehr bei Bewusstsein? Oder weiß jemand gar nicht, dass sein Handy einen Notruf abgesetzt hat?

Im Schnitt brauchen die Mitarbeiter in San Francisco eine Minute und 14 Sekunden, um sicherzugehen, dass ein Anruf nur ein Versehen war. Das frisst Ressourcen - und Nerven.

Ein Problem, mit dem San Francisco nicht allein ist: In New York wurden 2010 etwa 40 Prozent aller Notrufe aus Versehen abgesetzt. Das bedeutet, dass vier Millionen Anrufe bei der Nummer 911, der US-Variante der deutschen 112, keine Notfälle waren. Michael O'Rielly zufolge könnte das Problem sogar noch größer sein. O'Rielly ist Mitglied der Federal Communications Commission, der US-Medienkontrollbehörde. Er hat mit Mitarbeitern der Notrufzentralen gesprochen und schätzt, dass etwa die Hälfte aller Notrufe in den USA Pocket Dials sind - also mehr als 80 Millionen Anrufe.

Schuld an dem Problem ist das Design von Smartphones

Dass sich Butt-Dial-Notrufe häufen hat zwei Gründe: Immer mehr Menschen schaffen ihr Festnetz-Telefon ab und steigen komplett aufs Smartphone um. Vom Festnetz aus ist es jedoch deutlich unwahrscheinlicher, aus Versehen mal die 911 zu wählen, auch weil man das Festnetztelefon seltener in die Hosentasche steckt.

Doch das viel größere Problem ist das Design der Smartphones, denn es unterstützt Butt Dials. Notrufe können auch dann abgesetzt werden, wenn kein Guthaben auf dem Telefon ist oder das eigene Netz nicht verfügbar ist - lediglich eine SIM-Karte muss im Telefon liegen. In Deutschland ist das in der Notrufverordnung des Wirtschaftsministeriums vorgeschrieben. Man kann Notrufnummern wählen, auch wenn das Telefon gesperrt ist, ohne die PIN zu kennen oder den richtigen Fingerabdruck zu besitzen. Und genau diese Funktion sorgt dafür, dass sich das Telefon in der Hand- oder Hosentasche selbstständig machen kann.

Im Falle eines echten Notfalls ist es natürlich sinnvoll, wenn man nicht erst über die PIN nachdenken muss oder das Telefon von jemand anderem benutzen kann. Den Mitarbeitern in der Notrufzentrale von San Francisco hilft das nur wenig: 39 Prozent von ihnen finden, dass die Butt Dials das Nervigste an ihrem Job sind.

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