Umstrittenes Spiel fürs iPhone:Das Schreiphone

Nach Protesten nimmt Apple ein geschmackloses Babyschüttel-Spiel aus dem iTunes-Store - und entschuldigt sich.

Claudia Fromme

Mit einem iPhone kann man viele lustige Dinge machen. Bierfreunde können sich zum Beispiel mit einer Zapfsimulation ein gepflegtes Pils einschenken und sozusagen austrinken. Sensoren im Handy sorgen dafür, dass sich beim Drehen des Mobiltelefons das Glas auf dem Display leert. Hobbybastler nutzen gern die Wasserwaage, die nach dem gleichen Prinzip funktioniert. Und Zeitgenossen, die sich für besonders witzig halten, töten ein Kind.

Das Spiel "Baby Shaker" war zwei Tage lang bei Apple im Angebot, bis das Unternehmen es nach massiven Protesten am Mittwoch aus seinem iTunes-Store im Internet entfernt hat. Für 99 Cent konnten Nutzer eines iPhones oder des iPod Touch, ein MP3-Player mit dem gleichen berührungsempfindlichen Display, die umstrittene Applikation kaufen, bei der es darum geht, ein schreiendes Baby durch heftiges Schütteln des Gerätes zu "beruhigen".

Bei Erfolg ist das mit Bleistiftstrichen gezeichnete Baby tot, was durch ein abruptes Ende des Schreiens und roten Kreuzen über den Augen symbolisiert wird. Interpretationsspielraum bleibt da nicht, die Anleitung macht klar, worum es bei dem Spiel geht: "Mal sehen, wie lange du das reizende Gebrüll aushältst, bevor Du nach einem Weg suchst, das Baby zum Schweigen zu bringen."

US-Organisationen wie das National Center on Shaken Baby Syndrome, das sich gegen Schütteltraumata engagiert, zeigten sich schockiert von dem Misshandlungsspiel. Patrick Donohue von der Sarah Jane Brain Foundation in New York schrieb in einem Brief an den Apple-Vorstandsvorsitzenden Steve Jobs: "Als Vater einer dreijährigen Tochter, die von ihrer Nanny als Baby so stark geschüttelt wurde, dass sie gebrochene Rippen, zertrümmerte Schlüsselbeine und Hirnschäden davontrug, fehlen mir die Worte."

Entschuldigung von Apple

Apple hat sich inzwischen entschuldigt und das Spiel als "völlig daneben" bezeichnet. Wie oft die Software von Montag bis Mittwoch von der Apple-Seite heruntergeladen wurde, gibt das Unternehmen nicht bekannt. Der iTunes-Store ist extrem beliebt, nur Stunden vor der Entschuldigung feierte Apple den milliardsten Download einer Anwendung.

Für das iPhone und den iPod Touch gibt es mehr als 35.000 Applikationen, die von unabhängigen Software-Entwicklern erdacht werden. Für gewöhnlich kontrolliert Apple streng, welche davon im Online-Shop verkauft werden. Warum "Baby Shaker" überhaupt zum Download bereitgestellt wurde, will Apple nicht kommentieren.

Der Erfinder des Spiels, die US-Software-Firma Sikalosoft, gibt sich auf seiner Internetseite zerknirscht: "Das war eine blöde Idee. Niemand sollte ein Baby schütteln, nicht mal mit dem iPhone." Darunter klärt das Unternehmen nun über das Schütteltrauma auf.

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