Überwachungstechnik:Warum die Bahn Drohnen gegen Graffiti-Sprayer einsetzt

Die USA jagen damit Terroristen, die Deutsche Bahn Jugendliche mit Sprühdosen: Um den Schaden durch Graffiti auf Zügen zu begrenzen, will das Unternehmen künftig Drohnen einsetzen. Warum solch ein Aufwand? Wie ist die rechtliche Lage? Und was sagen Kritiker? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Benjamin Romberg und Hakan Tanriverdi

Bei den meisten weckt das Wort Drohne folgende Assoziationen: Krieg, die Jagd auf Terroristen - und neuerdings auch unnötige Milliardenkosten. Bis auf letzteres Themen, mit denen die Deutsche Bahn für gewöhnlich nicht viel zu tun hat. Umso erstaunter werden da wohl viele auf die Ankündigung des Konzerns vom Wochenende reagiert haben: Die Bahn will bei der Graffiti-Bekämpfung "neue Wege gehen", wie ihr Sicherheitschef Gerd Neubeck der Bild-Zeitung sagte. Künftig will der Staatskonzern Sprayer mit Kamera-Drohnen filmen. Das wirft einige Fragen auf.

Was hat die Bahn genau vor?

Die Drohnen sollen die Sprayer vor allem mit Wärmebildkameras aufspüren. Mit Hilfe der unbemannten Fluggeräte könnten größere Flächen in kürzerer Zeit überwacht werden, begründet die Bahn den Schritt. Die Testversuche sollen sich zunächst auf große Areale wie zum Beispiel Abstellgleise beschränken - es sei nicht geplant, einzelne Bahnhöfe zu überwachen, so ein Sprecher. Werde ein Mensch per Wärmesensor entdeckt, müsse man sehen, ob es Sinn mache, ein Video aufzuzeichnen. Darüber, wie lange das entsprechende Video gespeichert wird, machte die Bahn keine Angaben. Mit Hilfe der aufgezeichneten Daten will das Unternehmen die Täter vor Gericht bringen und Schadenersatzansprüche durchsetzen.

Warum betreibt die Bahn solch einen Aufwand?

Nach Angaben der Bahn wurden im vergangenen Jahr 14.000 Graffiti gezählt, kleinere Kritzeleien nicht mitgerechnet; der dadurch entstandene Schaden soll bei 7,6 Millionen Euro liegen. Die besprühten Züge müssten in einem aufwendigen Verfahren gereinigt werden - das könne pro Zug bis zu 15.000 Euro kosten und einige Tage dauern. Im Vergleich zu den 50 Millionen Euro Gesamtschaden, den die Bahn für das vergangene Jahr berechnet hat, sind die Kosten durch Graffiti allerdings nicht sehr hoch.

Affekt-Handlungen wie das Einschlagen von Scheiben seien jedoch schwierig zu kontrollieren, erläutert ein Bahn-Sprecher, wohingegen das Überwachen von Sprühern um ein Vielfaches einfacher sei. Da Graffitisprüher nachts auf Abstellanlagen die Züge besprühen würden, sei dieses Gebiet klar eingrenzbar und damit zielgerichtet zu überwachen. Die Zahl der Delikte ist mit 14.000 in den letzten Jahren gleichbleibend, jedoch unverändert ein Problem für die Bahn: "Das ist nichts, was man unter dem Aspekt Kleinigkeit betrachten kann. 14.000 ist eine hohe Zahl", so der Sprecher.

Wie sind die Vorschriften zum Datenschutz bei Drohnen-Einsätzen?

Was den Datenschutz betrifft, gibt es keine speziellen Vorschriften im Luftverkehrsgesetz; nur den Hinweis, dass die allgemeinen Datenschutzbestimmungen nicht verletzt werden dürfen. Die Bahn hat angekündigt, die Drohnen aus Datenschutzgründen zunächst nur über eigenem Gelände einsetzen zu wollen.

Wie funktionieren die Drohnen der Bahn?

Die Aufklärer können in 150 Metern Höhe mit bis zu 54 Kilometern pro Stunde fast geräuschlos fliegen. Per Autopilot seien bis zu 40 Kilometer lange Strecken möglich, so die Bahn. Werde das Gerät manuell gelenkt, betrage der Flugradius nur 500 Meter. Dies sei etwa bei Schwerpunkteinsätzen denkbar. Die maximale Flugzeit soll 80 Minuten betragen. Um eine Drohne zu bedienen, braucht es einen Piloten am Boden und einen sogenannten Operator, der die Bilder sichtet.

Was sagen Kritiker?

Der auf Graffiti spezialisierte Anwalt Patrick Gau kritisiert die Pläne der Bahn: der Konzern würde "mit Kanonen auf Spatzen schießen". "Die Deutsche Bahn verfügt in besagten Arealen über Bewegungsmelder, mitunter ist auch ein Wachschutz vor Ort und die Bundespolizei hilft bei der Überwachung." Außerdem reiche eine Drohne nicht aus, pro Stadt müssten mehrere im Einsatz sein. Bei einem Einkaufspreis von 60.000 Euro das Stück stelle sich die Frage, wie rentabel das Vorgehen sein kann.

Auch die von der Bahn genannte Schadenssumme von 7,6 Millionen Euro sieht Gau kritisch. Die Zahl sei intransparent und nicht zu überprüfen: "Die Bahn berechnet eine fiktive Schadenssumme. Teilweise werden Schäden in die Kalkulation mit aufgenommen, obwohl sie gar nicht gereinigt werden." So stelle die Bahn zum Beispiel fest, dass eine Schallschutzwand besprüht wurde und gebe den Schaden an. Gereinigt werde diese Brücke allerdings nicht. Falls sie später noch einmal besprüht werde, würde die Bahn die Kosten erneut berechnen, so Gau. Das Unternehmen bestreitet so ein Vorgehen vehement: Man könne diese Anschuldigung "überhaupt nicht nachvollziehen", sagte ein Sprecher.

Wo werden Drohnen sonst noch genutzt?

Längst werden unbemannte Fluggeräte nicht mehr nur zu militärischen Zwecken genutzt. Auch im zivilen Bereich sind Drohnen im Einsatz: Meist geht es darum, einen besseren Überblick über eine Situation zu bekommen. Die Feuerwehr versucht beispielsweise, mögliche Gefahrenquellen für ihre Leute zu lokalisieren, bevor sie sie in ein brennendes Gebäude schickt. Rettungskräfte können außerdem nach Wärmequellen suchen, um nach Unfällen oder Katastrophen Überlebende ausfindig zu machen. Die Polizei verwendet Drohnen, um Demonstranten oder Fußballfans zu überwachen.

Wie ist die Rechtslage bei der zivilen Nutzung von Drohnen?

Der Gesetzgeber steht beim Thema Drohnen noch am Anfang. Das liege daran, dass die Technik noch nicht als sicher eingestuft werde, sagt Elmar Giemulla, Experte für Luftverkehrsrecht. "Es gibt keine Musterzulassung, keine Verkehrszulassungspflicht und keinen Schein für den Steuerer der Drohne", sagt er. Erst im vergangenen Jahr wurden "unbemannte Luftfahrtsysteme" erstmals in das Luftverkehrsgesetz aufgenommen. Die Lobbyorganisation der Hersteller hatte diese Formulierung durchgesetzt, weil das Wort Drohne "im laienhaften Verständnis militärisch vorbelastet" sei. Mit anderen Worten: Man wollte den Menschen keine Angst machen.

"Wenn man heute über Drohnen spricht, denkt jeder gleich an Euro-Hawk", sagt Giemulla. Dabei seien die meisten Geräte viel kleiner. Das ist aus rechtlicher Sicht auch ein Vorteil, denn bei einem Gewicht von bis zu fünf Kilogramm erhält der Betreiber eine allgemeine Flugerlaubnis - bei schwereren Geräten muss jeder Flug einzeln von der Landesluftfahrtbehörde genehmigt werden. Für Bundeswehr und Polizei gilt dies nicht. Grundsätzlich gibt es ein paar Einschränkungen für den zivilen Gebrauch von Drohnen, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben: So darf das Gerät beispielsweise nicht höher als 100 Meter fliegen, muss sich stets in Sichtweite des Steuernden befinden - und natürlich weder den Luftverkehr noch Menschen gefährden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: