Überwachung über Flughafen-Wlan:Kanadischer Geheimdienst spionierte Passagiere aus

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Die Daten stammen aus dem Wlan eines kanadischen Flughafens. Mit ihnen kann neuen Snowden-Dokumenten zufolge der kanadische Geheimdienst Menschen verfolgen, wenn sie durch das Land reisen - und sich in anderen öffentlichen Netzen einwählen. "Tausende" sollen betroffen sein.

Besucher eines kanadischen Großflughafens, die sich in das öffentliche W-Lan eingewählt haben, wurden vom Geheimdienst Communications Security Establishment Canada (CSEC) eindeutig identifiziert und anschließend digital verfolgt, lange nachdem sie das Flughafenareal wieder verlassen hatten. Das berichtet der kanadische Sender CBC und beruft sich dabei auf Dokumente, die von Whistleblower Edward Snowden kommen. Betroffen von der Art der Überwachung, wie sie in den Dokumenten beschrieben wird, seien "Tausende Menschen".

Wer sich mit seinem Smartphone, Tablet-PC oder Laptop in öffentliche Netzwerke einwählt, übermittelt dabei auch Metadaten über das Gerät. An diese Daten sei der Geheimdienst gelangt. Wie genau, das sei noch unklar. Es gebe lediglich Anzeichen dafür, dass die Daten freiwillig übermittelt wurden. Klar hingegen ist der Zeitraum der Überwachung - zwei Wochen.

Neue Überwachungs-Software, die alles umkrempelt

Der Artikel von CBC benennt die Konsequenzen: "Der Geheimdienst war in der Lage, die Reisenden - und ihre Geräte - über eine Woche oder länger zu verfolgen, sobald sie sich in anderen Wi-Fi "hot spots" eingewählt haben, in Städten quer über Kanada verteilt und auch an US-Flughäfen." Betroffen seien Hotels, Cafés, Restaurants, Büchereien - und praktisch tausend weitere Orte, die ein öffentliches W-Lan zur Verfügung stellen würden.

CBC hat die Dokumente dem Sicherheitsforscher Ron Deibert vorgelegt. Deibert leitet das Citizen Lab, eine Forschungseinrichtung, die zum Beispiel analysiert, wie Überwachungs-Software an Diktatoren verkauft wird. Deibert wird zitiert mit den Worten: "Alle Kanadier mit einem Smartphone, Tablet-PC oder Laptop tragen im Grunde genommen digitale Erkennungsmerkmale mit sich herum."

Die CSEC arbeitet laut CBC zusammen mit dem amerikanischen Geheimdienst NSA an einer neuen Art von Überwachungs-Software. Sie sei "game-changing", soll also alles bisher Dagewesene umkrempeln. Die Überwachung der Reisenden sei eine Art Testlauf für den Einsatz eben dieser Software gewesen.

"Erinnert an Aktivitäten eines totalitären Staates"

Das Dokument, das dem Sender vorliegt, ist offenbar eine Powerpoint-Präsentation vom Mai 2012 und umfasst 27 Seiten. Darin gibt die Behörde mit einem fiktiven Szenario an: Ihr sei es gelungen, in einem separaten Pilotprojekt, Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk zu erlangen, in dem 300 000 Nutzer aktiv sind. Mit diesen Daten habe man eine mittelgroße kanadische Stadt erfasst, um in dieser eine spezifische Zielperson eindeutig zu identifizieren.

Die Datenschutzbeauftragte der Provinz Ontario, Ann Cavoukian, empörte sich über die Methoden des Geheimdienstes: Diese "erinnern an die Aktivitäten eines totalitären Staates" - und nicht etwa an eine freie und offene Gesellschaft.

Dem Geheimdienst ist es gesetzlich verboten, Kanadier oder Menschen in Kanada zu überwachen, wenn dafür kein richterlicher Beschluss vorliegt. Sein Mandat umfasst in erster Linie die Auslandsspionage. In einer Mitteilung des CSEC heißt es, dass keine Kommunikation von Kanadiern erfasst oder verfolgt würde. Das Wort "verfolgt" steht dabei in Anführungszeichen.

Ron Deibert, der Sicherheits-Experte, hat über Twitter angekündigt, dass er einen weiteren Artikel zu diesem Thema verfasst habe und dieser bald veröffentlicht werde. "Es geht nicht nur um Wi-Fi und es sind mehr als nur Flughäfen", schreibt er.

Update, 14:20

Seinen Text hat Ron Deibert mittlerweile veröffentlicht. Nachzulesen ist er hier.

NSA soll Klimakonferenz ausgespäht haben

Auch neue Enthüllungen über den amerikanischen Geheimdienst NSA sorgen für Aufregung. Snowdens Dokumente sollen belegen, dass die USA auf der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen Staatschefs und Veranstalter ausspioniert haben. Das berichtet der Guardian.

Das Brisante daran: Die Amerikaner sollen die so gewonnen Informationen genutzt haben, um die Verhandlungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Als der größte Klimasünder weigerten sich die Vereinigten Staaten, verbindliche Zusagen zu machen. Der Gipfel scheiterte letztlich, vereinbart wurde nur ein Minimalkompromiss.

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