Überwachung im Internet:Bis das letzte Bild gescannt ist

Ein Bild wird mit dem Smartphone aufgenommen

Eine Demonstration wird per Smartphone im Video festgehalten: Wenn sie ohne demokratische Kontrolle eingesetzt werden, könnten Upload-Filter eines Tages zur Zensur politisch missliebiger Beiträge im Internet eingesetzt werden.

(Foto: Alice Donovan Rouse / Unsplash)

Upload-Filter sind vorerst gescheitert, dem EU-Parlament sei Dank. Aber eine Allianz aus Lobbyisten und Sicherheitspolitikern will weiter Block-Mechanismen über das Internet legen. Das ist brandgefährlich.

Kommentar von Jannis Brühl

Es ist ein guter Tag für das Internet, für seine Meme und seine Remix-Kultur. Das EU-Parlament hat die Reform des Urheberrechts abgelehnt, und mit ihr die Einführung von Inhaltsfiltern. Sonst hätten Plattformen wie Facebook alle Inhalte durchleuchten müssen, die Nutzer bei ihnen hochladen wollen. Die Technologie hätte Inhalte löschen sollen, die gegen das Urheberrecht verstoßen.

Der Streit um die Reform wurde verbissen geführt, Kampfbegriffe wie "Zensurmaschinen" und "Fake News" fielen. Aber angesichts der weiteren Pläne für Upload-Filter, die in der EU kursieren, dürfte die Auseinandersetzung bald harmlos erscheinen. Denn bei der Technik geht es um mehr als um ein paar Teenager, die ein lustiges Gif bauen und damit in Facebooks Filter hängenbleiben. Es geht um viel mehr, nämlich um den Versuch, immer mehr Inhalte im Netz zu kontrollieren.

Eine ungewöhnliche Allianz aus Urheberrechts-Lobby und Sicherheitspolitikern will Scan- und Blockier-Mechanismen über das Internet legen. Sind die erst einmal installiert, laden sie zum Missbrauch ein. Unternehmen und Polizeibehörden speisen in Datenbanken ein, was gesperrt werden soll - bisher ohne demokratische Kontrolle.

Die Europäische Union baut also tatsächlich an einer Zensurinfrastruktur. In Zeiten, in denen Nationalisten in Regierungsämter einziehen und die Exekutive gegen Kritiker instrumentalisieren, ist das fahrlässig und gefährlich. Was, wenn politisch missliebige Äußerungen oder Spott über bestimmte Politiker auf den Listen landen?

Schon planen die Innenminister der EU, darunter Horst Seehofer, den nächsten Schritt: Filter gegen Terror-Propaganda sollen Pflicht werden. Es gibt ähnliche Pläne gegen "Hassrede" - ein notorisch ungenau definierter Begriff.

Angriff auf das Gedächtnis der Menschheit

Bei den Anti-Terror-Filtern, die Google, Facebook und Co. derzeit freiwillig einsetzen, ist das Problem schon offensichtlich: Die Software versteht keinen Kontext. Statt nur Hinrichtungsvideos des "Islamischen Staates" zu löschen, zensiert sie auch die Inhalte von Bürgerrechtlern, die Kriegsverbrechen dokumentieren wollen. Es handelt sich um einen Angriff auf das Gedächtnis der Menschheit, ausgeführt von Politikern, die schnelle Lösungen versprechen - aber leider augenscheinlich die dafür verwendete Technik nicht verstehen.

Die Pläne gehen bis hin zur automatisierten Sprachkontrolle. Google arbeitet längst an selbstlernender Technologie, die eigenmächtig bestimmen soll, ob Bürger bestimmte Worte und Sätze auf Webseiten veröffentlichen können. Die Fehlerquote ist erschreckend hoch. Solche Technik ist schon jetzt auf der Wunschliste jener, die "Hassrede" und "Desinformation"- ein weiterer Begriff, der sich je nach politischem Interesse umdefinieren lässt - einfach ausschalten wollen.

Die Debatte um die Upload-Filter ist ein Test: Die Demokratie der Zukunft wird sich von autoritären Systemen nicht nur durch Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit unterscheiden, sondern auch dadurch, welche Software sie auf ihre Bürger loslässt. An diesem Donnerstag hat das EU-Parlament den Test bestanden - vorerst.

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