Überwachung des Internets durch US-Geheimdienste:Die Welt - im Netz nur zu Gast

Abschluss Internetkonferenz Re:publica

Besucher der Internetkonferenz Re:publica in Berlin arbeiten mit Notebooks, Tablets und Smartphones

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Geheimdienst NSA macht aus dem Internet einen globalen Überwachungsapparat. Das erschüttert einmal mehr das Selbstverständnis der digitalen Gesellschaft, die von der Freiheit und Transparenz des Netzes begeistert ist. Zudem zeigt der Skandal, dass das Internet nach wie vor ein amerikanisches Medium ist. Der Rest der Welt ist dort immer noch nur zu Gast.

Ein Kommentar von Andrian Kreye

So war das nicht gedacht mit der Transparenz. Die National Security Agency (NSA) hat aus dem Internet einen globalen Überwachungsapparat gemacht. Das ist jedenfalls der Eindruck, wenn man sich ansieht, wie mit enormem technischen Aufwand sämtliche Kanäle der Kommunikation nach verdächtigen Stichworten und Kontakten durchforstet wurde. Das erschüttert einmal mehr das Verständnis von der Natur des Internets und damit auch das Selbstverständnis der digitalen Gesellschaft.

Statt dem Bild vom unbekannten Kontinent, den eine neue Generation nun entdeckt und erobert, drängt sich das miese kleine Bild von diesen Verhörkammern auf, in dem es nur einen Tisch, zwei Stühle und einen riesigen Spiegel gibt, durch den die wie auch immer geartete Macht der Unterhaltung folgen kann.

Nun kann niemand sagen, man habe uns nicht gewarnt. Der Internetkritiker Evgeny Morozov war vor zwei Jahren der Erste, der in seinem Buch "The Net Delusion" detailliert aufzeigte, dass die radikale Freiheit und Transparenz des Internets auch von Diktaturen genutzt werden kann, um ihre Bürger zu beobachten und zu verfolgen. Aus China, Iran und Syrien weiß man, dass dies auch mit brutaler Konsequenz getan wird.

Von den USA hätte man das nicht erwartet. Immerhin betrieb gerade Obamas erste Außenministerin Hillary Clinton ein offensives Programm der digitalen Diplomatie. Da initiierte ihr Sonderbeauftragter Alex Ross innovative Programme, um in Diktaturen den Kräften der Demokratie mit Technologien beizustehen.

Dass es nun die USA sind, die im großen Stile nicht nur die eigene, sondern auch die Weltbevölkerung ausspionieren, ist zwar die Bestätigung eines Verdachts, den man bisher gerne in Verschwörungstheorien und Actionfilme wie "Der Staatsfeind Nr. 1" mit Will Smith abgedrängt hat.

Es mag zwar gute Argumente für die Überwachung des Internets geben. Angeblich wurde schon ein "bedeutsamer Terroranschlag" auf die USA damit verhindert, auch wenn die US-Regierung die Einzelheiten verschweigt. Terroristen, Drogenhändler und Kinderschänder wurden angeblich schon mit Hilfe digitaler Fahndung gefasst. Das Standardargument der digitalen Geheimdienstler ist immer, es sei den Behörden doch auch erlaubt, Telefongespräche zwischen Terroristen oder Dealern abzuhören. In einer Zeit, in der kaum noch jemand per Telefon, aber alle Welt via E-Mail, Chat, sozialen Netzwerken und SMS kommuniziert, müsse es deswegen erlaubt sein, auch all diese Kanäle zu überwachen.

Doch zwischen dem Abhören eines Telefongesprächs und einer weltweiten Rasterfahndung gibt es große Unterschiede. Vor allem die Automatisierung solcher Vorgänge, bei denen ein Schlüsselwort ohne Kontext Alarm schlagen kann, macht aus Big Data nicht eine Chance, sondern eine Bedrohung.

Man muss nicht gleich auf einer Flugverbotsliste der USA gelandet sein, um zu begreifen, wie stur Algorithmen da Profile erstellen. Wer als Journalist abseitige Themen recherchiert und dazu Bücher bestellt, wundert sich beispielsweise oft, dass er vom Empfehlungsprogramm des Buchversandes je nach Auftragslage schnell als Rechtsradikaler, Islamist oder Walzer-Fan eingestuft wird.

Der Skandal zeigt aber vor allem, dass das Internet nicht nur ein globales, sondern nach wie vor ein amerikanisches Medium ist. Der Rest der Welt ist im Netz immer noch zu Gast. Als solcher steht er unter ständiger Beobachtung. Da muss man sich schon benehmen.

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