Übernahme von Shazam:Der Erfinder des akustischen Fingerabdrucks

Avery Wang Shazam Gründer Founder

Shazam-Erfinder Avery Wang: "Ich hatte keine Ahnung, wie man das machen könnte."

(Foto: PR)

Avery Wang hat eine verrückte Idee umgesetzt: Er entwickelte Shazam, die App, die Lieder erkennt - und sehr gut in Apples Strategie passt.

Von Helmut Martin-Jung

Der kleine Junge hatte gut zugehört. In einer Folge von "Star Trek" kämpft Captain Kirk gegen den Eidechsen-Mann und behilft sich, indem er aus Material, das herumliegt, Schwarzpulver macht. Erstklässler Avery Wang ging also in die Apotheke, kaufte sich, was er brauchte - damals, in den Siebzigern, ging das noch - und ließ es krachen. Dass ihm seine Eltern das erlaubten, ihn seinen Forscherdrang ausleben ließen, das rechnet er ihnen heute noch hoch an. Ohne diese Begeisterung für Experimente, ja für schier Unmögliches, hätte er es wohl nicht so weit gebracht.

Eigentlich unmöglich, das waren auch die ersten Gedanken, als die Gründer eines Start-ups Avery Wang ansprachen. Die drei wollten ein System erschaffen, das über das Mikrofon eines Handys automatisch erkennt, welches Lied zum Beispiel in einem Geschäft oder einem Café gerade gespielt wird. "Ich hatte keine Ahnung, wie man das machen könnte, ja, wo man überhaupt anfangen sollte." Avery, inzwischen ein Experte für digitale Soundverarbeitung, sah vor allem eines: Schwierigkeiten. Schwierigkeiten, wohin er nur blickte.

Doch Wang ließ sich anstecken von der Begeisterung seiner Mitgründer Chris Barton und Philip Inghelbrecht: "Chris und Philip waren sehr überzeugend, und mir gefiel ihre Energie." Das sollte sich auszahlen. Der Dienst Shazam wurde erfolgreich, und nun hat ihn der Elektronikkonzern Apple übernommen. Einen Kaufpreis nannte Apple zwar nicht, in der Branche kursieren aber glaubhafte Gerüchte, in denen von rund 400 Millionen Dollar die Rede ist.

Shazam - der Begriff ist das Zauberwort von Captain Marvel aus der gleichnamigen Comicserie, mit dem dieser seine Superkräfte mobilisiert - erkennt wie durch Zauberei, was gerade läuft, auch wenn es im Hintergrund laut ist. Vereinfacht gesprochen, legt die Firma von jedem Lied einen digitalen Fingerabdruck an und speichert diesen in ihrer Datenbank. Wenn ein Nutzer mit der Shazam-App auf seinem Smartphone einen Ausschnitt aus einem Lied aufnimmt, wird dieser ins Rechenzentrum von Shazam übertragen, bearbeitet und dann mit den gespeicherten Fingerabdrücken verglichen. Deshalb funktioniert das Ganze auch nur, wenn die Nutzer eine Internetverbindung haben.

Apple will Spotify mit Shazam angreifen

Was Apple mit Shazam will, ist nicht allzu schwer zu erraten: Es geht darum, den eigenen Streaming-Dienst - also einen Musikdienst, der übers Internet abrufbar ist - mit diesem netten Zusatzfeature aufzupolieren. Apple war zwar Vorreiter beim Verkauf digitaler Musik, hinkt beim Aufbau eines Streaming-Dienstes aber dem Konkurrenten Spotify hinterher. Während Spotify nach eigenen Angaben 60 Millionen zahlende Kunden hat, kommt Apple erst auf die Hälfte, wächst aber ziemlich schnell.

Shazam, das vor zwei Jahren noch mit einer Milliarde Dollar bewertet worden war, aber bislang allenfalls die Kosten decken konnte, wird nun also ein Apple-Dienst. Das wird Spotify auch deswegen spüren, weil Shazam bisher den Nutzern die Wahl ließ, zum Hören eines Stücks zu einem von mehreren Streaming-Diensten weitergeleitet zu werden. Immerhin wurde die App nach Firmenangaben Millionen Mal heruntergeladen. Doch Shazam ist nicht die einzige App dieser Art, Google bietet einen vergleichbaren Dienst sogar mit Erkennung direkt auf dem Handy an.

Zwar bringt der Verkauf weniger als noch vor Jahren erwartet. Avery Wang, 52, heute technischer Leiter von Shazam, hat dennoch ausgesorgt. In Apples Bilanz dagegen wird der Zukauf bei Finanzreserven von knapp 270 Milliarden Dollar kaum auffallen. Aber es hätte auch alles anders kommen können. Als die begeisterten Gründer loslegten, verdiente Wang - nichts. "Aber ich war das gewohnt, und daher war das kein Problem."

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