Ubuntu und Firefox OS:Welche Chance alternative mobile Betriebssysteme haben

Android und iOS stehen blendend da. Keinem Konkurrenten ist es bisher gelungen, auch nur annähernd aufzuschließen. Doch nun streben mit Ubuntu und Firefox OS gleich zwei Open-Source-Betriebssysteme nach Höherem - und haben Potenzial.

Systemvielfalt ist auf dem Mobile World Congress in Barcelona gern gesehen. Canonical präsentiert sein geräteübergreifendes Open-Source-Betriebssystem Ubuntu. Und mit Mozillas Firefox OS verfolgen schon zahlreiche Provider aus aller Welt und zwei Handy-Hersteller konkrete Strategien.

Kein Wunder: Denn sogenannte Web-Apps, die auf HTML5 basieren, können sie ohne größeren Aufwand selbst erstellen und darüber Aussehen, Dienste oder Inhalte beeinflussen. Das macht die Gerätehersteller unabhängig von Google und Apple. Der Versuch, Firefox-Geräte unters Volk zu bringen, soll in diesem Sommer in Polen (Deutsche Telekom), Spanien und Lateinamerika (Telefónica) beginnen.

Möglichst günstig sollen die Handys sein und möglichst einfach zu bedienen. "Die sind für Leute, die Feature-Phones gewohnt sind", umreißt Mozilla-Entwickler Lloyd Hilaiel die Zielgruppe. Feature-Phones sind Mobiltelefone, die mehr können, als nur SMS zu schreiben oder zu telefonieren, gleichzeitig aber noch kein Smartphone sind.

Breites Spektrum an Web-Apps

Alle Basisfunktionen von SMS bis zu sozialen Netzwerken sind daher auch bei den ersten Firefox-Handys vorinstalliert. Apps gibt es im integrierten Firefox Marketplace. Eine Besonderheit ist die App-Suchfunktion, die nur Apps anzeigt, die Inhalte mit dem Suchbegriff bieten. Anschließend kann man die Anwendungen aus der Ergebnisliste direkt starten und ausprobieren - und erst bei Gefallen zum Installieren herunterladen.

"Vieles erinnert an die bereits auf dem Markt etablierten Systeme Android und iOS", beurteilt die Usability-Expertin Barbara Krüger vom Beratungsunternehmen GfK SirValUse die Benutzeroberfläche von Firefox OS. Web-Apps kämen mittlerweile grundsätzlich an den Funktionsumfang nativer Apps heran, die erst heruntergeladen und installiert werden müssen.

Abstriche müssen Programmierer von Web-Apps nur bei aufwendiger Grafik oder der Nutzung bestimmter Hardware-Komponenten machen. Barbara Krüger sieht die Entwicklung von Web-Apps daher grundsätzlich positiv. Sie erzeugten weniger Kosten und mehr Interesse bei den Entwicklern, weil die Programmierung oft einfacher als bei nativen Apps sei.

"Letztlich werden die konsequente Weiterentwicklung der Apps sowie eine gute Performance maßgeblich für den Erfolg des Betriebssystems sein", sagt die Expertin. Mit einem breiten Spektrum an Web-Apps könne Firefox OS für Einsteiger eine gute Alternative zu den proprietären Systemen darstellen. Ob aber mittelfristig auch Google- oder Apple-Nutzer umsteigen, bleibe abzuwarten. Da das Betriebssystem vergleichsweise schlank ist, taugen für Firefox OS sogar Low-Cost-Smartphones, die mit aktuelleren Android-Versionen bereits Probleme bekommen würden.

Erste Firefox-Handys

Die ersten verfügbaren Firefox-Handys, das Alcatel One Touch Fire und das ZTE One, haben gerade einmal 256 Megabyte Arbeitsspeicher und recht langsam getaktete Prozessoren mit nur einem Kern. Und selbst die vom spanischen Hersteller Geeksphone angekündigten Firefox-Entwickler-Phones Keon und Peak gehen kaum über Mittelklasse-Ansprüche hinaus.

Multitasking steht bei Entwickler Canonical im Vordergrund. Bei der Bedienung des mobilen Ubuntu läuft viel über die Displayränder, erklärt Oren Horev, Chefdesigner für den Bereich User Experience. Über den linken Rand holt man sich etwa den App-Launcher ins Bild, über den rechten die sogenannte Side Stage, in der parallel eine zweite App gestartet werden kann.

"So kann man zum Beispiel Nachrichten checken, während ein Film läuft", sagt Horev. Vom oberen Bildrand gewischt, erscheint ein Einstellungsbereich mit einer Volltextsuche nach Funktionen. Nachrichten von Freunden, Musik oder Videos hat man auf der Startseite ständig im Blick: "Der richtige Platz für Inhalte ist der Homescreen", ist sich Horev sicher. Außerdem gelte bei Ubuntu: "Alles wird eins, weil es einfacher für den Nutzer ist."

In einem Jahr sollen der Verbraucher in Sachen Design und Oberfläche keine Unterschiede zwischen den Ubuntu-Versionen für PC, Tablet und Smartphone erkennen können. Ubuntu-Tablets lassen sich bereits mit Bluetooth-Maus und -Tastatur wie ein Notebook nutzen und unterscheiden sich auch nicht mehr großartig von der Smartphone-Oberfläche.

Tizen und Sailfish OS

Weil Ubuntu sich mit Android-Treibern versteht, dürfte es für viele Hersteller zumindest theoretisch einfach sein, sowohl eine Android- als auch eine Ubuntu-Version eines Smartphones oder eines Tablets anzubieten. Derzeit können Entwickler - und etwas versiertere Nutzer - Ubuntu auf dem Samsung Galaxy Nexus und dem Google Nexus 10 ausprobieren. Android-Apps lassen sich aber nicht installieren, nur für Ubuntu programmierte Anwendungen oder besagte Web-Apps.

Auch Tizen ist eine freie Software in Entwicklung, die Web-Apps unterstützt. Daneben gibt es noch Sailfish OS, das Entwickler Jolla an Hersteller und Netzbetreiber lizenzieren will und auf dem sich auch Android-Apps installieren lassen sollen. Blackberry versucht es indes weiterhin mit dem Konzept von Smartphone und OS aus einer Hand.

"Die Trennung von Hard- und Software beschleunigt die Innovation", sagt Dirk Riehle, Professor für Open-Source-Software an der Universität Erlangen-Nürnberg. Auf dem Markt sind bisher aber eher geschlossene System wie Apples Kombination aus iOS und App Store erfolgreich. Und auch Android sei trotz seines Linux-Kerns ein sehr abgeschlossenes System, bei dem Google viele gut funktionierende Internetdienste als Stärke ausspielt, sagt Riehle: "Für Endanwender ist immer der Wert des Gesamtpaketes ausschlaggebend." Und viel Mehrwert entstehe erst durch Apps. Es sei daher schwierig, die Zukunft der Open-Source-Betriebssysteme vorherzusagen.

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