Twitter:Viel Geschnatter, kein Gewinn

Mit 140 Zeichen informieren Twitter-Nutzer blitzschnell die Welt. Doch noch sucht der Dienst nach einem erfolgreichen Geschäftsmodell.

T. Riedl

"Ich gehe jetzt zu Whole Foods", schreibt Jack auf seiner Webseite. Eine Stunde später ist der Einkauf erledigt. "Die Stadthalle schaut phantastisch aus heute Abend", teilt er der Welt wenig später mit. Doch wen interessiert das? Immerhin mehr als 16000 Leser. Es handelt sich nicht um irgendeinen Jack. Hier lässt Jack Dorsey an seinem Privatleben teilhaben.

Wellensittiche, dpa

Kurzes Geschnatter: Auf 140 Zeichen teilen sich bis zu fünf Millionen Twitter-Nutzer mit, was sie gerade machen.

(Foto: Foto: dpa)

Der 30-Jährige hat den Internetdienst Twitter gegründet, eine Art SMS-Dienst im Netz, derzeit stark umjubelt. Am Dienstagabend erst war Twitter gefragt, als bei der Amtseinführung von US-Präsident Barack Obama unzählige Twitter-Nutzer live von dem Moment berichteten. Doch auf die wichtigste Frage jedes Unternehmens hat das kalifornische Start-up noch keine Antwort: Wie wollen wir einmal Geld verdienen? Drei Jahre nach dem Start macht Twitter weder Umsatz noch Gewinn. Den Investoren war das bis dato egal.

Twitter wiederholt im Internet den Erfolg von SMS-Kurznachrichten in Mobilfunknetzen: Auf 140 Zeichen - also kaum kürzer als in einer SMS auf dem Handy - können Twitter-Nutzer mitteilen, was sie momentan machen. Genau diese Frage - Was unternehmen die Freunde gerade? - war für Dorsey der Anlass, die Internetseite Twitter ins Netz zu stellen.

Innerhalb von zwei Wochen war im März 2006 ein Prototyp programmiert. Im August ging das Projekt Twitter für alle online. Gezwitscher oder Geschnatter heißt der Firmenname ins Deutsche übersetzt - und genau darum geht es auf der Seite. Alle plappern durcheinander, und doch ist Twitter mehr als ein Sammelsurium an Belanglosigkeiten.

Twitter-Nutzer als Krisenreporter

Ob bei den Terroranschlägen in Indien, den Protesten in Griechenland oder zuletzt beim Flugzeugabsturz in den Hudson: Stets waren es Nutzer von Twitter, die als Erste vor Ort sind und die Weltöffentlichkeit informiert haben. "Da ist ein Flugzeug im Hudson. Ich bin auf einer Fähre, um die Leute aufzusammeln. Verrückt", schreibt Janis Krums am vergangenen Freitag um genau 12 Uhr 36 Ortszeit. Mit dieser Kurzmitteilung wurde er weltberühmt, denn Krums war der Erste, der ein Bild mit seinem iPhone-Handy geschossen und es in seinen Twitter-Nachrichten gespeichert hat, anzuschauen von jedermann.

Viel Geschnatter, kein Gewinn

Solche spektakulären Vorfälle sorgen für viel Zulauf bei dem Internetdienst. Schätzungen zufolge sollen weltweit bis zu fünf Millionen Menschen Twitter nutzen. Genaue Zahlen stellt das Unternehmen nicht zur Verfügung. Fünf Millionen sind eigentlich erschreckend wenig - etwa im Vergleich zu Handys, die mit ihrer SMS-Funktion ähnliche Möglichkeiten bieten. Drei Milliarden Geräte gibt es. Auch andere soziale Netze wie Facebook mit 150 Millionen Nutzern schlagen Twitter um Längen.

Der Vorteil des neuen Dienstes liegt aber in seiner Einfachheit: Nirgendwo anders lassen sich so schnell die Massen in Kurzmitteilungen informieren - oder auch zum Beantworten von Fragen animieren. Unternehmen wie Jetblue, General Motors oder Dell nutzen Twitter, um Kundenanfragen zu beantworten oder ihre Marke zu pflegen. "Es hat das Zeug dazu, nützlich fürs Geschäft zu sein", sagt ein Analyst des IT-Marktforschungsinstituts Gartner.

Viele reizvolle Möglichkeiten

Für Twitter hat sich die Euphorie noch nicht ausgezahlt. Es existiert kein tragfähiges Geschäftsmodell - folglich verdient die Firma nichts. Es gebe "viele reizvolle Möglichkeiten", Umsatz zu generieren, heißt es auf der Twitter-Webseite. Man zögere aber noch: "Wir wollen uns bei wichtigeren Dingen nicht aus dem Konzept bringen lassen." Es gehe jetzt erst einmal darum, den Dienst weiterzuentwickeln. Schön, wer sich solche Zurückhaltung leisten kann.

Bei der letzten Finanzierungsrunde im Frühjahr standen die Investoren dennoch Schlange. 15 Millionen Dollar soll es gegeben haben. Wenig später fanden Übernahmegespräche mit Facebook statt. Ein Angebot von 500 Millionen Dollar hat Twitter ausgeschlagen. "Wir haben das geprüft", sagte Evan Williams, Chef von Twitter, im Dezember: "Es war nicht die richtige Zeit." Die Einstellung hat sich schnell geändert. "Es ist Zeit fürs Geschäft", steht nun im Firmen-Blog von Twitter. Kevin Thau sei als erster Verantwortlicher für Geschäftsentwicklung und Partnerschaften eingestellt worden. Und, so heißt es weiter, es gebe noch offene Stellen in dem Bereich.

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