Trickreicher Hackerangriff:Ein kurzes, heißes Leben

Die Mata Hari des Cyberspace: Ein Hacker erfand im Internet eine hübsche junge Frau. Sie war reine Fiktion - trotzdem gelang es ihr, sensible Daten der US-Regierung herauszubekommen.

Camilo Jiménez

Das Leben der Robin Sage ist spannend und lässt sich doch in wenigen Worten zusammenfassen: 25 Jahre alt, Absolventin der Technischen Hochschule in Massachusetts, Analystin für Cybersicherheit der US-Marine, zehn Jahre Berufserfahrung. Robin führte zudem nur eine kurze Existenz - und diese ausschließlich im Internet. Ein digitales Wesen, bestehend aus Fotos und einer schreibenden Hand im Netz.

Trickreicher Hackerangriff: Auf der Hackerkonferenz "Black Hat" in Las Vegas wurde die Geschichte der Robin Sage enthüllt.

Auf der Hackerkonferenz "Black Hat" in Las Vegas wurde die Geschichte der Robin Sage enthüllt.  

(Foto: AP)

Dass die hübsche Frau mit dem leicht slawischen Aussehen reine Fiktion war, wussten die etwa 300 Menschen nicht, die sich mit ihr über Facebook, Twitter und Linkedin anfreundeten. Es waren Mitglieder der US-Armee und des Geheimdienstes, Angestellte von Sicherheitsunternehmen und Auftragnehmer des Weißen Hauses darunter. Dies enthüllte vergangene Woche der New Yorker IT-Experte Thomas Ryan auf der Hackerkonferenz "Black Hat" in Las Vegas. Ryan ist der Schöpfer von Robin, er wollte mit seiner Kunstfigur zeigen, wie sich Sozialnetzwerke ausnutzen lassen - beispielsweise von Hackern und Spionen.

In ihrem einmonatigen Leben tauschte Robin mit ihren Internet-Bekanntschaften allerlei Daten aus, darunter vertrauliche Regierungsinformationen. Robin erhielt Zugang zu E-Mail- und Bankkonten. Rasch erfuhr sie, wer mit wem im exklusiven Sicherheitsmilieu der USA verkehrt. Kurz bevor ihr Schöpfer sie wieder vom Netz nahm, bekam sie mehrere Jobangebote, sogar als Referentin für Google und den weltgrößten Rüstungskonzern Lockheed Martin.

Ryan zählt zum Kreis weltbekannter "ethischer Hacker", sogenannter White Hats, die in IT-Systeme eindringen, um Sicherheitslücken aufzudecken. Sein letztes Experiment lief von Dezember 2009 bis Januar 2010. In dieser kurzen Zeit gelang Robin, was Anna Chapman und ihre Schlapphüte aus Russland in acht Jahren nicht vermochten: unbemerkt in das Innenleben der US-amerikanischen Sicherheit einzudringen.

Wie Ryan vor Hunderten Hackern und Computer-Experten in Las Vegas berichtete, befand sich unter Robins Bekanntschaften auch ein in Afghanistan stationierter US-Feldjäger. Als dieser Robins Freundschaftsanfrage bestätigte, eröffnete sich dem New Yorker Hacker eine ungeahnte Fülle vertraulichen Wissens. Ein Klick ins Fotoalbum des Soldaten reichte beispielsweise aus, um am Bildrand die exakten Koordinaten zu erkennen, wo die Aufnahmen entstanden waren - und wo sich seine Einheit aufhielt. Weitere Treffer erzielte Ryan im Umgang mit dem Stabschef eines Parlamentariers, dem Informationsdirektor der Marine und sogar mit Mitarbeitern der National Security Agency.

Nicht jeder, den Robin umgarnte, ließ sich gleich verführen. Auch berühmte Hacker bekamen Einladungen, doch ihnen kam das Profil der jungen Frau suspekt vor. Ryan hatte es absichtlich mit auffälligen Merkmalen gespickt. Doch es waren die wenigsten, die Verdacht schöpften. Und Ryan, der seinen Vortrag in Las Vegas "Robin Sage ins Bett kriegen" nannte, musste feststellen, dass fast alle Opfer Männer waren. Kein Wunder: Um Robin ein Gesicht - und eine Figur - zu geben, hatte er Fotos einer Porno-Website heruntergeladen.

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