Chaos Computer Club:"Das Darknet macht keine Waffen"

Falk Garbsch CCC

Falk Garbsch, 31, ist Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC).

(Foto: oh)

Nur eine Plattform für Kriminelle? Nach dem Amoklauf in München warnt der Chaos Computer Club vor der Verteufelung des anonymen Internets.

Interview von Christoph Dorner

SZ: Der Amokläufer von München hat sich seine Waffe im Darknet besorgt. Warum warnt der Chaos Computer Club dennoch davor, den anonymen Bereich des Internets zu verteufeln?

Falk Garbsch: Ich bin mit dem Begriff Darknet nicht glücklich. Es geht um ein Tor-Netzwerk, über das sich ein User anonymisiert im Netz bewegen kann. Er kann sich damit vor der Totalüberwachung durch die NSA schützen. Bei der Revolutionsbewegung in Ägypten haben Tor-Netzwerke eine wichtige Rolle gespielt, damit die Menschen frei kommunizieren konnten.

Edward Snowden hat seine Enthüllungen der Geheimdienst-Spionageprogramme auch über ein Tor-Netzwerk an die Medien verschickt.

Seit Snowden wissen wir, dass es eigentlich unmöglich ist, Informationen geheim zu halten. Wenn ein User über ein Tor-Netzwerk surft, kann er nicht nur die Geheimdienste, sondern auch Telefonanbieter aussperren. Er schützt seine persönlichen Daten damit vor einer Reihe von Privatunternehmen, die mit ihnen wirtschaften, ohne dass er davon weiß.

Dennoch gilt das Darknet vor allem als Plattform für Kriminelle.

Für viele Straftaten im Netz, etwa den Diebstahl von Kreditkartendaten, brauchen Kriminelle das Darknet nicht. Ja, es gibt dort Waffen- und Drogenhandel. Die Händler können anonym kommunizieren, doch die Waren müssen ja auch bezahlt und übergeben werden.

Dort sollten die Strafverfolgungsbehörden ansetzen?

Dass Ermittlungen im Darknet funktionieren, hat man doch zum Beispiel am Drogen-Marktplatz Silk Road gesehen, der abgestellt wurde. Es gibt Möglichkeiten, dort auch Waffenhändler ausfindig zu machen. Das ist Ermittlungsarbeit. Und die müssen Menschen leisten, nicht neue Überwachungstechnologien.

Den Menschen macht vor allem Angst, dass ein Schüler so einfach an eine Waffe kommt.

Das Darknet macht keine Waffen, sie werden dort gehandelt. Man kann auch mit dem Zug nach Osteuropa fahren, dort eine Dekowaffe kaufen und sie im Keller wieder scharf machen. Wir sollten keine Debatte über Computernetzwerke führen, sondern über menschliche Netzwerke. Wir sollten uns fragen, wie Waffen auf illegalen Märkten landen.

Die Technologie ist neutral, also bei Missbrauch unschuldig?

Was stattfinden muss, ist eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten des Einzelnen und den Diskussionen, die jetzt anlaufen. Sie können schnell in die Richtung kippen, dass Politiker sagen: Wir müssen das verbieten. Das wäre ein katastrophaler Rückschritt in ein System, in dem es unmöglich wäre, staatlicher Überwachung zu entgehen.

Als Reaktion auf die Anschläge fordert die bayerische Staatsregierung eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung. Sind die Freiheitsrechte im Internet bedroht?

Bedroht sind nicht unsere Freiheitsrechte im Netz, sondern unsere Freiheitsrechte. Die Gesellschaft ist heute online. Eine Vorratsdatenspeicherung kann keine Straftaten verhindern. Die Menge an Daten ist so groß, dass sie kein Mensch auswerten kann. Die Konsequenz wäre eine enorme Einschränkung der Persönlichkeitsrechte. Nachvollziehen zu können, wer mit wem telefoniert hat, ist keine Petitesse.

Dennoch verlangt der Terror Antworten durch die Politik.

Wir diskutieren gerade auch wieder über Killerspiele. Wie kann das sein? Diese Diskussion haben wir vor Jahren abgeschlossen. Dagegen zu argumentieren ist ein Kraftakt. Terrorismus führt zu Debatten, die emotional geführt werden. Neu ist die Angst, dass es jeden Menschen treffen kann. Dennoch müssen wir uns sachlich damit auseinandersetzen, wo die Grenzen sind, die wir den Ermittlungsbehörden setzen, damit sie ihre Arbeit durchführen können. Daneben gibt es Persönlichkeitsrechte, für die wir einstehen müssen.

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