Tester von schlechten Computerspielen:Jäger des verlorenen Bockmists

Der britische Journalist Richard Cobbett testet jede Woche für seine Kolumne obskure Spiele, wie den Erotik-Krankenhaussimulator "Biing!". Für die "WASD" sprach Dennis Kogel mit ihm über DOS-Emulatoren, sonderbare Importe aus Osteuropa und den schrecklichsten Shooter der Welt.

"Tasty Trash" heißt die erste Ausgabe der WASD, einem neuen Magazin rund um die Gameskultur. Im Rahmen einer Kooperation mit dem Magazin veröffentlichten wir bereits "Vollgurken treffen auf Machodünnpfiff", eine Abrechnung mit schlechten Computerspielen. Zweite und gleichzeitig letzte Folge ist das Interview von Dennis Kogel mit Richard Crobbett.

Dragon Age 2

Dragon Age 2: das schlechteste Rollenspiel aller Zeiten?

(Foto: Bioware)

Richard Cobbett leidet für uns. Seit Mitte 2010 spielt der britische Journalist und Adventure-Experte für PC Gamer Online Woche für Woche ein obskures Spiel nach dem anderen. Ob den grausamen Erotik-Krankenhaussimulator *Biing! oder das völlig wahnwitzig vertonte Adventure *Conspiracies: Richard Cobbett spielt sie alle und findet - Liebe. Ohne jeglichen Hass auf all die gescheiterten, kruden, sonderbaren und vergessenen Spiele der Geschichte schreibt Richard Cobbett mit "Crap Shoot" eine der unterhaltsamsten Kolumnen im Web. Für ihn sind diese Spiele nicht schlecht, sie sind der Beweis dafür, dass es Menschen gibt, die etwas verändern wollen - und dabei gnadenlos auf die Schnauze fliegen.

WASD: Richard, warum spielst Du diesen ganzen furchtbaren Kram?

Richard Cobbett: Weil diese Spiele meine Miete bezahlen. Und seien wir ehrlich: Die meisten sind doch gar nicht soooo schlimm, oder? Ursprünglich sollte ich eine dieser Kolumnen machen: "Das schlechteste Spiel des Monats", aber das war mir viel zu negativ. Bei "Crap Shoot" geht es eher um obskure und interessante Spiele. Darum Spiele auszugraben, von denen niemand jemals etwas gehört hat. Mir geht es um Spiele, die... "funnybad" sind oder etwas Sonderbares machen wie etwa "Trespasser".

Das ist ein Jurassic Park-Spiel, dort steuert der Spieler einen anatomisch korrekten Arm und muss der Protagonistin in den Ausschnitt starren, um rauszufinden, wie viele Leben er noch hat. Weird! Gute Spiele werden niemals in Vergessenheit geraten, an die richtig schlechten Spiele erinnert sich dagegen kaum jemand. Dabei gibt es so viele Spiele, die völlig zu Unrecht vergessen wurden, die einfach weg sind.

WASD: Wie findest Du die Spiele?

Richard Cobbett: Es sind größtenteils Spiele, die ich selbst noch in Erinnerung habe. Einige besitze ich sowieso, ein paar andere musste ich auf eBay finden und einige wirklich alte Spiele gibt es auf Seiten wie Abandonia.com. Die Spiele zum Laufen zu bringen, das ist das Problem! Alles was auf DOS basiert geht eigentlich, wenn man den Emulator DOSBox benutzt. Die Dreifaltigkeit des Schmerzes dagegen ist Folgende: Windows, 3D-Beschleunigung und Quick Time. Jedes Spiel, das mehr als nur eins davon hat, ist die absolute Hölle. Gegen Probleme mit Windows hilft meist Windows 2000-Emulator. Wenn es um 3D-Beschleunigung geht, gibt es keine Hoffnung. Und Quicktime? Quicktime ist einfach nur ein einziger Albtraum.

WASD: Hält uns somit der Fortschritt davon ab, den obskuren Blödsinn der Vergangenheit wiederzuentdecken?

Richard Cobbett: Es gibt so viele Spiele, über die ich gerne schreiben würde, und es nur deswegen nicht kann. "Pyst" zum Beispiel! Das ist eine absolut schreckliche "Myst"-Parodie. Ich hab sie auf CD, aber es läuft einfach nicht. Nichts hilft. Andere Spiele laufen dann aber plötzlich problemlos. Ich habe Tage damit zugebracht "Trespasser" zum Laufen zu bringen. Ich habe an Einstellung gefummelt, alles per Hand installiert - und dann gemerkt, dass es auf Windows 7 läuft, einfach so. Aber eigentlich ist es im Moment ziemlich einfach alte Spiele zum Laufen zu bringen. Ich kann DOSBox da nicht genug loben, es hat fast im Alleingang Retrogaming gerettet.

WASD: Die meisten Spiele über die Du schreibst, sind ziemlich alt. Wie kommt das?

Richard Cobbett: Wer ein wirklich schlechtes oder merkwürdiges Spiel finden möchte, muss gründlich suchen. Das ist jetzt vielleicht etwas polemisch, aber: Es gab nie bessere Spiele als heute. Klar, es gab Momente in der Geschichte als Spiele ehrgeiziger, persönlicher oder spannender waren. Die 90er waren zum Beispiel eine Goldene Ära, aber auch nur deswegen, weil wir uns nur an die guten Spiele erinnern. Wer heute in den Laden spaziert und zum erstbesten Videospiel greift, bekommt wahrscheinlich ein ganz okayes Produkt. Wer aber genau das in den 90ern gemacht hätte, wäre grinsend aus dem Laden gelaufen mit "XS", dem schrecklichsten Shooter aller Zeiten.

Jeder Spielekauf war ein Glückspiel. Es hat damals weniger gekostet Spiele zu veröffentlichen, darum wurden viel mehr Spiele mit niedriger Qualität auf dem Markt geworfen, in der Hoffnung, dass etwas davon gut ankommt. Heute sind Spiele zumindest ganz okay, aber selten interessant. Richtig schlechte Spiele sind eher "Joke Games", die niemand kauft. Auf der Wii gibt es übrigens ein Spiel namens "Ninjabread". Es verdankt seine Existenz einzig und allein diesem dämlichen Wortwitz. Es ist ein mieses Jump'n'Run und kein Mensch wird es jemals spielen. Warum denn auch, wenn es "Super Mario Galaxy" gibt!?

Sonderbare Importe aus Osteuropa

WASD: Würde also Crap Shoot mit modernen Spielen unmöglich sein?

Richard Cobbett: Es gibt immer Ausnahmen! Aber das Problem ist doch: Wir haben heute doch keine echte Vorstellung mehr davon, was eigentlich ein schlechtes Spiel ist. Nehmen wir nur mal "Dragon Age 2". Das wurde von einigen Leuten zum "schlechtesten Rollenspiel aller Zeiten" gekürt. So ein Blödsinn! Es ist für Bioware-Maßstäbe kein besonders gutes Spiel, aber es ist kein schlechtes Spiel. Schlechte Spiele sind selten geworden, man muss sie abseits des Mainstreams suchen, zum Beispiel in sonderbaren Importen aus Osteuropa. Oder in so was wie "7 Sins", in dem man fast schon einen Sexualstraftäter spielt.

WASD: Oh, das! Ein Freund hat das mal gespielt und fand es toll. Später hat er dann immer recht verzweifelt Datingbücher gelesen.

Richard Cobbett: Das ist ja entsetzlich! In "7 Sins" muss der Spieler in einem Level Frauen in die Wohnung locken, um mit ihnen Pornos zu drehen. Sie bleiben aber immer angezogen. Auch in der Dusche. Nacktsein ist ist in den USA nämlich ein Tabu. Das macht natürlich überhaupt keinen Sinn und genau auf so etwas möchte ich aufmerksam machen. Es gibt eine Menge solcher Spiele, aber ich konzentriere mich auf ältere Titel, einfach weil die nochmal eine Ecke obskurer sind. Ich schreibe dann über Spiele mit Namen wie "Tongue of the Fatman". Da würde auch nur der Name schon einen guten Artikel abgeben. "'Tongue of the Fatman': Dieses Spiel gibt es wirklich. Bis nächste Woche dann!"

WASD: Machen dich bestimmte Spiele wütend?

Richard Cobbett: Nein, wenn mir etwas nicht gefällt, dann spiele ich es einfach nicht. Schlechte Spiele kümmern mich eigentlich gar nicht so sehr wie Spiele, die eigentlich besser sein sollten. Spiele wie "Leisure Suit Larry: Magna Cum Laude". Ein frauenfeindliches, mieses Spiel in einer Spielereihe, die ursprünglich weder mies noch frauenfeindlich war. Bei vielen schlechten Spielen kenne ich die Hintergründe und kann einfach nicht wütend sein. Da wollten ein paar Entwickler ein gutes Spiel machen und es hat halt nicht geklappt. Das ist schade. Aber selbst die richtig schlechten Spiele sind es wert, darüber an einem Abend 6000 Zeichen zu schreiben. Sie sind mir wirklich wichtig, wütend machen sie mich nicht. Etwas anderes macht mich wütend: Entwickler, die nichts Neues mehr versuchen, weil sie Angst haben, daran zu scheitern.

Dennis Kogel schreibt für diverse Publikationen, in seinem Blog und im Gaming-Blog "Superlevel" über Spiele.

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