Tauschen und streamen über Cloud-Dienste:Warum Film- und Musikindustrie im Regen stehen

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Ob die umstrittene Streamingseite kino.to oder der Online-Speicher bei Dropbox: Ständig neue Online-Dienste geben der Unterhaltungsindustrie immer weniger Chancen, die eigenen Inhalte zu schützen.

Michael Moorstedt

Nein, man kann nicht behaupten, dass es Musik- und Filmindustrie leicht hätten im Internet. Zuerst waren es noch Tauschbörsen wie Napster, die am jahrzehntelang funktionierenden Geschäftsmodell der großen Labels und Studios rüttelten.

Auf den Servern, in der Wolke: Beim Cloud Computing sind Daten und Dienst von überall abrufbar - Internetzugang vorausgesetzt. (Foto: SZ-Grafik)

Wer hier was klaute, war wegen eindeutiger Sender- und Empfängeradressen noch leicht nachzuvollziehen. Mit dem späteren BitTorrent-Protokoll, bei dem immer nur Teile von Musikstücken oder Videos verschickt werden, ist das schon deutlich schwieriger.

Während die Abmahnabteilungen der großen Musiklabels und Hollywoodstudios immer mehr Personal einstellen, wird die Gegenseite immer geschickter im kostenlosen Verteilen urheberrechtlich geschützter Inhalte.

Zuletzt gerieten Streaming-Dienste in das Visier der Rechteinhaber. Deutschlands bekanntestes Streaming-Portal kino.to wurde vor zwei Wochen nach einer Razzia stillgelegt. Die Daten werden bei dieser Technik nur zwischengespeichert und nicht heruntergeladen. Ob sich die rechtlichen Ansprüche der Industrie vor Gericht durchsetzen lassen, ist deshalb mehr als ungewiss.

Nun sehen sich Platten- und Studiobosse einer weiteren Herausforderung gegenüber: der Wolke. Bereits seit mehreren Jahren stellen kleine Unternehmen wie Soundcloud, Spotify oder MP3Locker ihren Nutzern Software und Platz auf virtuellen Laufwerken zur Verfügung, um Musik abzuspielen und zu speichern.

Rechte häufig ungeklärt

Die Vermarktung durch die Cloud gilt als profitables Geschäftsmodell. Nun ziehen die Big Player nach. Ende März stellte der Online-Versandhändler Amazon sein sogenanntes Cloud Drive und eine zugehörige Abspielsoftware vor. Anfang Juni kündigte Apple im unternehmenstypischen Duktus die iCloud an, der Dienst soll im Herbst starten. Music Beta, das entsprechende Angebot von Google läuft bereits seit Mitte Mai in eingeschränktem Betrieb. Gemeinsam haben die drei Online-Riesen, dass noch nicht alle Lizenzfragen mit der Musikindustrie ausdiskutiert worden sind.

So drohte Sony Music bereits einen Tag nach der offiziellen Vorstellung von Amazons Cloud Drive mit rechtlichen Schritten. Aus Sicht des Labels müssten neue Lizenzen ausgehandelt werden, denn auch Alben, die man im MP3-Shop des Online-Händlers kauft, werden automatisch auf der virtuellen Festplatte gespeichert.

Amazon reagierte abwiegelnd. Der Dienst sei nicht mehr als ein herkömmlicher Massenspeicher, und es sei völlig egal, ob die Nutzer ihre Musik auf USB-Sticks oder externen Festplatten speicherten oder auf den Servern des Unternehmens. Apple und Google befinden sich zurzeit noch in Verhandlungen mit den Plattenfirmen.

"Weißwaschen" kopierter Lieder

Auch Filmstudios und Fernsehsender sehen ihre bisherigen Verwertungsketten durch das Cloud Computing gefährdet. So hat der amerikanische Online-Video-Service Netflix bereits 23 Millionen zahlende Abonnenten. Von deren Geld sehen die Studios aber nur einen Bruchteil. Im Herbst 2010 stellte Google sein Angebot Google TV vor, das Fernsehwerbung obsolet machen könnte. Die Google-Tochter YouTube schließlich bietet seit Mai 3000 Filme in einer virtuellen Videothek zum Verleih an.

Von der Wolke, so sehen es die Unternehmen mit dem brancheneigenen Pessimismus, geht viel Bedrohung aus. So befürchten die Plattenfirmen, dass Apples neuer Service iTunes Match dazu benutzt werden könnte, illegal auf die Festplatten der Nutzer kopierte Lieder "weißzuwaschen".

Im April wurde außerdem bekannt, dass der populäre Dienst Dropbox, der Nutzern eine Online-Festplatte zur Verfügung stellt, dazu benutzt wurde, Filme und Musik zu kopieren. Findige User machten sich eine Lücke im System zunutze: Wird eine Datei von mehreren Nutzern hochgeladen, bleibt sie auf den Dropbox-Servern gespeichert, die Accounts der einzelnen Nutzer bekommen nur einen Link.

Damit konnten auch Video- und Musikdateien von mehreren Nutzern direkt über die Server geteilt werden, ohne sie herunter- oder hochladen zu müssen, ähnlich wie bei den früheren Tauschbörsen. Schützen konnten sich die Kopierer ganz bequem durch die Passwortschranken des Unternehmens.

© SZ vom 04.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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