Tablet-Verkaufszahlen:Die Rückkehr der Blechtrottel

Lesezeit: 4 min

Windows 8 sieht auf Tablets und PCs beinahe gleich aus - und vergraulte damit viele Kunden. (Foto: AFP)

Nicht erst die Apple-Quartalszahlen zeigen: Tablets sind immer weniger gefragt, die Europäer kaufen wieder PCs. Gewinner der Entwicklung könnte ein einstiger Dominator der Branche sein.

Von Helmut Martin-Jung, München

Die Sache schien schon entschieden zu sein: Tablets seien die neuen Personal Computer, ja für manche und manches reiche sogar ein Smartphone. Aus, vorbei! Tschüss, Blechtrottel! Doch entschieden ist - gar nichts. Im Gegenteil.

Die Verkäufe von Tablets gehen zurück, die klassischen PCs und Laptops ziehen zumindest in Europa wieder an. Was soll das nun wieder? Sollte es den Tablets am Ende gehen wie den Netbooks?

Netbooks, wir erinnern uns, so hießen vor einigen Jahren praktisch kleine Laptops mit leider sehr langsamen Prozessoren. Sie waren vor allem als Unterwegs-Computer zu gebrauchen, weil sie lange durchhielten. Doch für alles andere als Surfen, Schreiben und Mailen waren die meisten davon eben doch einfach zu schwach auf der Brust und damit ein ständiger Quell von User-Frust.

Tablets dagegen wachen angenehm schnell aus dem Ruhezustand auf, reagieren prompt auf Eingaben und eignen sich besonders gut für die E-Mail zwischendurch, oder um eben etwas zu googeln. Natürlich sind die Flachcomputer mit ihren brillanten Bildschirmen auch gute Fotoalben oder liefern die Tageszeitung in einem U-Bahn-tauglichen Format.

Auch Apple gelingt kein Zustand technischer Dauerrevolution

Wenn man Apple also jetzt nach der Vorstellung der neuen iPads vorwirft, der Konzern sei nicht mehr innovativ genug, geht das an der Wirklichkeit vorbei. Nicht einmal eine finanziell sorgenfreie und mit guten Leuten gespickte Firma wie Apple kann einen Zustand der technischen Dauerrevolution herbeizaubern. Die Hardware der neuen iPads ist gut, die Schritte zu den Vorgängergenerationen aber werden kleiner. Im Jahresvergleich sank der Absatz von iPads um 12,5 Prozent auf 12,3 Millionen Geräte.

Ihr Forum
:Sinkende Verkaufszahlen: Haben Tablets eine Zukunft?

PCs sind in Europa wieder deutlich beliebter, der Verkauf von Tablets hingegen sinkt. Bei Apple schwächelten die Verkäufe von iPads im dritten Quartal in Folge. Deutet sich hier bereits ein Trend - das Ende der Tablets - an?

Diskutieren Sie mit uns.

Ein echter PC ist für alle, die arbeiten wollen, aber nach wie vor unverzichtbar - und genau das zeigt sich in den gestiegenen Verkaufszahlen. Die Tablet-Kategorie, die Apple selber eingeführt hat, wird aber nicht so schnell verschwinden. Ausnahme: die kleinen Tablets. Wer braucht ein Sieben-Zoll-Tablet, wenn Handys schon superscharfe Bildschirme zwischen fünf und sechs Zoll haben? Das zeigt sich nicht zuletzt auch am Erfolg der neuen iPhones: In den drei Monaten bis Ende September wurden insgesamt 39,3 Millionen davon verkauft.

Das entspricht einem Zuwachs von 16 Prozent. Was Apple einmal Probleme bereiten könnte, ist die Software. Und das ist der Punkt, an dem Microsoft wieder ins Spiel kommt. Es geht vor allem um Business-Kunden. Mit Windows 8, das auf Tablets und auf PCs laufen sollte, hat Microsoft versucht, sowohl die Konsumenten wie auch die professionellen Anwender zu überzeugen. Geglückt ist es weder bei der einen, noch bei der anderen Zielgruppe. Windows-Tablets und Handys gelten nicht als cool. Für Business-Anwender ist das zwar nachrangig. Sie schreckte aber die Kachel-Oberfläche und der damit verbundene Umschulungs- und Administrationsaufwand ab.

Umso wichtiger also, dass Microsoft nun offenbar erkannt hat, worauf es ankommt. Business-Kunden brauchen ein verlässliches, sich nicht aus erratischen Sprüngen entwickelndes System und genau das, so zumindest die Versprechungen, soll Windows 10 denn auch sein. Noch ist davon nichts zu sehen, auch nicht in der Preview, die Microsoft seit Kurzem zum Download anbietet.

Denn das wirklich Spannende - und das ist das zweite große Ziel von Microsoft - fehlt darin noch: die sogenannten Universal Apps. Weil nämlich sowohl PCs und Handys wie auch Tablets auf demselben Kern des Betriebssystems laufen werden, funktionieren auch die für das neue System geschriebenen Programme übergreifend. Microsoft hatte ja versucht, die Systeme optisch zu vereinen, doch das war falsch. Denn ein PC ist eben etwas anderes als ein Tablet, und deshalb braucht er auch eine andere Benutzeroberfläche.

Mittlerweile aber hat sich vieles bei Microsoft geändert. Vor Kurzem etwa wurde verkündet, dass das Programmpaket Office nun auch Daten mit dem Cloud-Konkurrenten Salesforce austauschen kann. Im Frühjahr bereits wurden Office-Apps für das iPad vorgestellt - zwei Beispiele von vielen. Microsoft-Chef Satya Nadella hat erkannt, dass sein Konzern nicht mehr wie früher alles beherrschen kann, sondern dass die Chance darin liegt, die eigenen Stärken wie eben Office mit denen der neuen starken Player zu verknüpfen.

Schafft Microsoft den Durchbruch in der Mobilsparte?

Übrigens hat auch Apple im vergangenen Quartal so viele PCs verkauft wie schon lange nicht mehr, 5,52 Millionen nach 4,57 Millionen Geräten im Quartal davor. Auch der Konzern aus Cupertino schafft zwar mehr und mehr Verbindungen zwischen seinen verschiedenen Systemen. So wird man mit den neuen Versionen der PC- und Mobilgeräte zum Beispiel auf dem Handy angefangene Mails auf dem PC weiterschreiben können. Um den Preis natürlich, dass dazwischen die Cloud, also ein Apple-Rechenzentrum, geschaltet wird. Die Integrationstiefe, die Microsoft anstrebt, wird damit allerdings nicht erreicht.

Die entscheidende Frage für Microsoft wird jedoch sein, ob es gelingt, den Erfolg, den man für Windows 10 bei PCs und Laptops erwarten kann, auf Tablets und - vor allem - Handys auszudehnen. Die Hardware ist dabei weniger das Problem, es ist die Software. Und zwar nicht das Betriebssystem, das bis auf ein paar Punkte einfacher und moderner ist als die der Konkurrenz. Es geht um das, was Smartphones erst so richtig smart macht: um Apps.

Kein Grund für ein Upgrade?

Laufen Apps aber wirklich auf allem, wo Windows draufsteht, ist der Anreiz für Programmierer größer, für das System zu schreiben. Nur muss Microsoft es schaffen, diese Universalität auch auf die Bildschirme zu bringen - einfach ist das nicht. Sie könnte aber helfen, das große Defizit der Microsoft-Mobilsparte aufzuholen.

Und was heißt das alles nun für Tablet- und/oder PC-Nutzer? Wer ein halbwegs neues Tablet hat und es gerne nutzt, kann das ruhig weiter tun - so groß sind die Unterschiede nicht. Wer noch keines hat, bekommt mit der jüngsten Apple-Generation den Fingerabdrucksensor und eine sinnvolle Bildschirmbeschichtung gegen das lästige Spiegeln. Ähnlich gut ausgestattet, aber etwas günstiger, sind die Tablets der Konkurrenz, etwa von Samsung. Microsofts Tablets sind eine Mischung aus PC und Tablet und deshalb teuer.

PC-Käufer können eigentlich auch schon jetzt zuschlagen, wenn die Kiste nicht mehr so richtig will. Das neue Windows wird aller Voraussicht nach keine höheren Anforderungen an die Hardware stellen und möglicherweise sogar als kostenloses Update geliefert werden. Das entspricht der Erwartung, die man heute an ein Betriebssystem hat. Es soll sich im Hintergrund halten und seinen Job tun.

© SZ vom 22.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: