Supermacht Google:Die Krake

Machtfülle und Marktmacht von Google sind für viele Kritiker des Internetgiganten beunruhigend. Doch die Suchmaschine profitiert nur von der Schwäche der Konkurrenz.

Bernd Graff

Im März letzten Jahres veröffentlichte das Harper's Magazine die Blaupausen für eine Serverfarm, die das amerikanische Unternehmen Google in Oregon errichtet hat. "The Dalles", so der Name des Komplexes auf der Fläche von zwei Sportplätzen, mit drei vierstöckigen Servergebäuden und angeschlossenen Kühleinrichtungen. Die Anlage ist darauf ausgerichtet, 103 Megawatt Strom zu verbrauchen - so viel wie 82.000 Haushalte, so viel also wie eine Kleinstadt.

Supermacht Google: Google ist omnipräsent, wenn es um digitalisierte Information geht.

Google ist omnipräsent, wenn es um digitalisierte Information geht.

(Foto: Foto: ddp)

Google betreibt wenigstens zwölf solcher Datenzentren in den Vereinigten Staaten und drei weitere in Europa, schweigt sich jedoch über die Anzahl der dort eingesetzten Server beharrlich aus. Schätzungen schwanken um eine halbe Million.

Google trotzt der Finanzkrise

Die Zahlen verdeutlichen, dass Google kein Unternehmen in der Virtualität des Netzes mehr ist. Google, das am schnellsten wachsende Unternehmen der Wirtschaftsgeschichte, dessen unaufhaltsamer Aufstieg seit der Jahrtausendwende zu beobachten ist, hat einen neuen Wirtschaftszweig begründet: Die Informations-Schwerindustrie.

Die im September 1998 gegründete Firma mit Sitz im kalifornischen Mountain View hat mehr als 10000 Mitarbeiter, verdient ihr Geld als eine auf Suchdienste spezialisierte Aktiengesellschaft und erwirtschaftete im zweiten Quartal 2009 mehr als fünf Milliarden Dollar. Das liegt zwar nur drei Prozent über dem Vorjahresquartal, läuft aber gegen den Trend in der Branche - vor allem trotzt Google damit der Finanzkrise.

Überall der Platzhirsch

"Google wächst und das Geschäft blüht", schreibt sich die Firma mit den bunten Buchstaben immer noch keck auf die eigene Website. Doch dieses Wachstum ist für Konkurrenten kein Spaß. Denn Google - Spitzname: Krake - ist längst mehr als die Suchmaschine mit dem spartanischen Suchschlitz.

Google agiert beinahe überall, wo es um digitalisierte Information geht und ist beinahe überall der Platzhirsch. Geschäftsfelder und Produkte sind um Bücher, Nachrichten, Texte und Tabellen, Landkarten und Kalender, Lexika, Übersetzungsdienste, Bilder, Börseninformationen entstanden. Google veröffentlichte den eigenen Webbrowser Chrome und Android, das Betriebssystem für Handys.

Lesen Sie auf Seite 2, inwiefern Googles Stärke sich aus der Schwäche der Konkurrenz speist.

80 Prozent aller Suchanfragen

Doch das ist es, was Google groß gemacht hat: die Schnelligkeit und Genauigkeit beim Auffinden von Information. Obwohl eine typische Suchanfrage im Web laut Auskunft der Google-Ingenieure "mehrere zehn Milliarden Mikroprozessorzyklen" benötigt und dafür Hunderte Megabyte an Daten durchforstet werden müssen, dauert der gesamte Prozess nur Bruchteile von Sekunden. Und weil die dann angezeigten Ergebnislisten mutmaßlich die geeignetsten Treffer zuerst ausweisen, laufen heute über 80 Prozent aller Suchanfragen über Google.

Der Suchende zahlt dafür nichts. Geld verdient das Unternehmen über intelligent beigestellte Werbung. Google wurde damit nicht zu einer, es wurde zu der Suchmarkt-Supermacht.

Zögerliche Kontrahenten

Umgekehrt: Die Web-Präsenzen nahezu aller Unternehmen weltweit sind inzwischen darauf ausgerichtet, von Google gefunden und prominent gelistet zu werden. Denn gefunden werden bedeutet, Geld verdienen zu können. Insofern profilieren sich Firmen heute nicht mehr nur über ihre Produkte, sondern auch darüber, bei Google die vorrangige Antwort auf eine Suchanfrage zu sein. Wobei es Googles Geheimnis bleibt, wie es Frage und Antwort verknüpft.

Bevor man nun über Googles einzigartige Stellung im Netz schimpft, bewegen indes andere Fragen: Warum kann Google seine Ausnahmeposition so erfolgreich behaupten und sogar immer weiter ausbauen? Warum stellte sich ihm kein Kontrahent in den Weg - auf keinem der vielen Felder, auf denen Google offenbar immer kampflos gewann? Wo steckt Microsoft, das die beiden Gründerjahrzehnte der Digitalisierung dominierte?

Während Google gegen Microsofts Internet-Explorer frech den eigenen Browser Chrome entwickelte, sich dann sogar rühmte, den Office-Riesen aus Redmond mit einer webbasierten Textverarbeitung auf dessen ureigenstem Terrain herausgefordert zu haben, erlebt man Microsoft derzeit vor allem als Beschwerdeführer vor Gericht.

Zweifelhaftes Entgegenkommen

Zwar hat Microsoft mit "Bing" eine eigene, vorzügliche Suchmaschinen-Architektur entwickelt. Doch noch kann von klugen Kampagnen kaum die Rede sein. Stattdessen versucht Microsoft, mit Yahoo und Amazon eine Allianz der Schwächelnden zu bilden. Gemeinsam wollen sie sich gegen Googles nassforsches Vorgehen beim Einscannen urheberrechtlich geschützter Bücher wehren.

Eine der jüngsten Meldungen lautete, dass sich der Internetgigant Google auf die amerikanischen Zeitungsverleger zubewegt, weil er ihnen Bezahlmodelle für deren hochwertige Inhalte vorgestellt hat. Das klingt bemerkenswert, weil sich Google die Verleger-Produkte über Google-News bislang immer ungefragt angeeignet habe.

Wer den Vorschlag liest, stellt allerdings fest, dass Google dabei nicht einräumt, seinen Google-News-Dienst einzustellen. Er bietet lediglich das an, was es schon immer erfolgreich getan hat: Hilfe bei der Suche und umfeldabhängige Werbung. Man muss schon sehr verzagt sein, wenn man dies als Entgegenkommen verstehen will.

Sicher, die Machtfülle und Marktmacht, die Google aufgebaut hat und auf immer neuen Feldern aufbaut, ist beunruhigend. Doch das Lamento über Google kaschiert nur, dass keine Alternativen in Sicht sind, die der Supermacht wirklich Paroli bieten können. Dieses Manko darf man aber nicht Google ankreiden.

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