Suchmaschinen:Fahndung auf der Festplatte

Auf vielen Festplatten stecken so viele Dateien, dass kaum noch ein Computer-Benutzer genau weiß, wo was steckt. Mit einer Suchmaschine für den Heim-PC greift Google nun Microsoft an.

Von Christoph Seidler

Der Dschungel beginnt gleich hinter der Mattscheibe. Viele Computer speichern auf ihren großen Festplatten derart viele Dateien verschiedenster Art, dass kaum noch ein Benutzer genau weiß, wo was steckt.

Darum ist längst ein Konkurrenzkampf entbrannt, wer die erfolgreichste Suchhilfe für den eigenen Computer herausgibt.

Google, der Suchmaschinen-Marktführer im Internet, hat daher vor kurzem die zweite Version seines Programms "Google Desktop" zum Testen veröffentlicht (desktop.google.com).

Auf dem so genannten Desktop hatten bislang allein die Betriebssystemhersteller - vor allem Microsoft - die Lufthoheit. Doch der Softwarekonzern hat sich eine womöglich gefährliche Blöße gegeben. Windows, das auf den meisten Rechnern die Dateien verwaltet, bietet bei der Suche nur ungenügende Hilfe.

Besser hat es Apple mit seinem neuen System "Tiger" und dessen Funktion "Spotlight" gemacht. Doch für die überwältigende Mehrheit der Computer gibt es zurzeit nur das Google-Programm sowie ähnliche Software von Blinkx, Yahoo oder Ask Jeeves, die den eigenen Dateienwust durchsuchen.

Prinzipiell funktionieren alle Schreibtisch-Schnüffler gleich. Nach der Installation durchwühlen sie auf der Festplatte Verzeichnis um Verzeichnis und merken sich in einem Suchindex, was sie dabei finden: Texte, Fotos, E-Mails, Musikstücke, Filme.

"Desktop-Suche für Google strategisch bedeutsam"

Fahndet dann der Nutzer nach einem alten Text oder einer E-Mail, durchsucht das Programm nur noch diesen Index - nicht mehr die ganze Festplatte.

Für die Suchmaschinen-Anbieter dient die Desktop-Ergänzung der Kundenbindung. Das Kalkül: Wer mit einem Anbieter auf seinem Schreibtisch sucht, der wird der Marke auch im Web die Treue halten. Und dort, im Internet, lockt das Geschäft mit Werbeanzeigen, die in oder neben den Suchergebnissen eingeblendet werden.

Doch für Google geht es noch um mehr. "Die Desktop-Suche ist für Google strategisch bedeutsam", erklärt Pressesprecher Stefan Keuchel. Denn mit der Schreibtisch-Suchmaschine positioniert sich sein Unternehmen gegen Microsoft: "Wir wissen, dass Microsoft für sein neues Betriebssystem eine ähnliche Suchmöglichkeit plant."

Die Desktop-Suchfunktion ist ein Herzstück von Microsofts XP-Nachfolger "Windows Vista". Zudem baut der Konzern eine Suchmaschine für das Internet auf. Und hier will Google seine Marktmacht verteidigen.

Offiziell klingt das jedoch anders: "Wir achten weniger darauf, was unsere Wettbewerber machen, sondern darauf, was sich unsere Nutzer wünschen - mit dieser Strategie sind wir bislang gut gefahren", sagt Keuchel.

Mit seinem neuen Programm versucht Google daher, einige Standards zu setzen. "Google Desktop" legt dem Nutzer vor allem den so genannten "Sidebar" auf den Bildschirm. Der bündelt wie eine Art Armaturenbrett das Suchen im Web und auf dem eigenen Computer und eine Reihe weiterer Funktionen.

Fahndung auf der Festplatte

Neben eingegangenen E-Mails lassen sich Börsenkurse, Wetterdaten und ein virtueller Notizblock anzeigen. Dazu kommt ein personalisierbarer Nachrichtenticker, der automatisch Neuigkeiten der Webseiten anzeigt, auf denen sich der Nutzer am häufigsten bewegt.

Im Netz finden sich außerdem bereits etliche Erweiterungen, die Nutzer von "Google Desktop" herunterladen können. Da gibt es zum Beispiel eine "To Do"-Liste, auf der die Aufgaben für den Tag notiert werden können.

Oder eine Art Mini-Diashow der Bilder, die man gerade bearbeitet oder im Netz auf Webseiten gesehen hat.

Sogar Programme lassen sich von hier starten - Google macht damit die Start-Leiste von Windows überflüssig.

Nachbesserungsbedarf beim Schutz der Privatsphäre

Doch auch mit der neuen Version dieser Software wird Google Kritik auslösen.

Zwar gibt das Programm den Inhalt der eigenen Festplatte keinesfalls für Zugriffe aus dem Internet frei. Aber das kostenlose Programm überträgt Information über das Surfverhalten an Google, wenn auch anonym, wie Google-Sprecher Stefan Keuchel versichert.

Wem dennoch unwohl dabei ist, sich beim Surfen über die Schulter schauen zu lassen, kann die Datenübertragung abstellen.

Bedenken von Datenschützern will man bei Google deswegen nicht nachvollziehen: "Die Privatsphäre der Nutzer ist das höchste Gut. Wir haben eine Menge Vorkehrungen getroffen, um sie zu schützen", sagt Stefan Keuchel und verweist auf die strengen Richtlinien seines Unternehmens.

Doch hier gibt es noch Nachbesserungsbedarf, sagt Danny Sullivan. Er ist der führende Kopf bei "SearchengineWatch", einer Webseite, die sich der Analyse von Suchmaschinen-Technik widmet.

Nach Sullivans Ansicht muss die gesamte Suchmaschinen-Industrie ihre Datenschutz-Richtlinien überarbeiten. Dazu schlägt er einen "Bill of Rights", einen Katalog der Grundrechte für den Suchmaschinen-Kunden vor: "Darin könnte genau geregelt sein, wie lange Daten vorgehalten werden, und wie sie wieder entfernt werden können."

Gerade weil Suchmaschinen zur Zeit begännen, die Suchdaten verstärkt zu nutzen, sei eine verbesserte Regelung wichtig, sagt Sullivan. Nur so könne gesichert werden, dass die Nutzer den Anbietern der Branche weiter vertrauen.

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