Suchmaschine strebt ins Musikgeschäft:Google hört mit

Surfer sollen über die Suchmaschien von Google Stücke finden und bei Online-Anbietern herunterladen. Das hilft der Musikindustrie gegen Raubkopierer - und auch Google profitiert.

Jens-Christian Rabe

Der Internetkonzern Google will in den Online-Musikmarkt einsteigen. Geplant sei eine spezielle Internetsuche für Musiktitel, berichteten am Mittwoch mehrere amerikanische Medien. Das Angebot solle mit Online-Musikanbietern wie iLike und Lala verknüpft werden. Von dort ließen sich dann Lieder herunterladen.

Es war nur eine kleine PR-Panne, die dem Suchmaschinenkonzern in der vergangenen Woche während der Frankfurter Buchmesse unterlief. Umso diebischer freuten sich einige aufmerksame Beobachter. Das Suchmaschinen-Unternehmen Google ist schließlich für penibelste Imagepflege bekannt.

Was war passiert? Bei der Vorstellung des neuen Projekts Google Edition, mit dem sich Google als Großhändler auf dem Buchmarkt positionieren will, symbolisierte im Ecksalon des Hotels Hessischer Hof ein Wandgemälde die gewaltige Macht, die der Konzern anstrebt: Drei Hunde und zwei junge Mädchen verzehren sich darauf nach dem Tambourin, das ein drittes Mädchen unerreichbar hoch in die Luft streckt. Offiziell inszeniert sich Google lieber als eine Art ökonomischer Wohltäter, der gerne dabei hilft, neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Songschnipsel über die Google-Seite

Dass der Konzern nun, wie zwar noch nicht offiziell, aber übereinstimmend von Nachrichtenagenturen, der New York Times und gewöhnlich exzellent informierten Branchendiensten wie Techcrunch berichtet, auch im digitalen Musikgeschäft mitmischen will, zeigt die wirtschaftliche Potenz und strategische Konsequenz des Unternehmens.

Von kommendem Mittwoch an soll es in den USA über die Google-Internetseite möglich sein, Song-Schnipsel anzuhören und diese über Handelspartner wie die Online-Musikläden Lala, Imeem oder iLike als Download zu erwerben.

Nach Informationen von Techcrunch wird der Service "Google Audio" heißen und neben Musik-Samples kostenlos auch jede Menge zusätzliche Informationen bereitstellen. Also Bilder, Albumcover, Songtexte und neueste Nachrichten zu den ausgewählten Interpreten.

Es ist kein Wunder, dass Google derart Druck macht. Ähnlich wie der Buchmarkt im Netz befindet sich auch der Handel mit Musikdateien derzeit in einer sensiblen Phase. Längst ist klar, dass der Digitalisierung nicht mehr zu entkommen ist.

Ein Geschäftsmodell jedoch, das es erlaubt, der lästigen Raubkopiererei wirksam beizukommen, gibt es noch nicht. Amazon und iTunes etwa erzielen zwar längst respektable Umsätze mit Musikdateien, die anhaltend herben Verluste der Plattenfirmen im traditionellen Tonträgergeschäft kompensieren diese jedoch bei weitem noch nicht.

Google will nur die Werbung

Über die Beteiligung der großen Musikkonzerne an Google Audio gibt es bisher widersprüchliche Informationen. Je nach Quelle haben sie ihre Kataloge entweder bereits für den Dienst lizensiert oder aber überhaupt keine neuen Verträge geschlossen. Mitverdienen jedenfalls dürfte der amerikanische Suchmaschinenkonzern vorerst nicht.

Die Erlöse aus dem von Google vermittelten Verkauf von Musikdateien sollen sich die Plattenfirmen und die Online-Händler teilen. Google will mit Werbung im Umfeld Geld verdienen.

Die Meldung, dass die vier großen Plattenfirmen Universal, Warner, Sony und EMI im vergangenen Jahr selbst gemeinsam auf Google zugegangen seien, ist bislang auch kaum mehr als ein Gerücht. Undenkbar scheint es nicht. Im Gegenteil.

Das Google-Engagement im Musikgeschäft könnte die ob dem wuchernden illegalen Herunterladen von Musik seit Jahren einigermaßen hilflos strauchelnden Musikunternehmen von einem existentiellen Problem befreien. Um das zu verstehen, hilft ein Blick auf das, was Google auf dem Buchmarkt plant.

Der Browser als Zugangsweg

Anders nämlich als die Konkurrenz von Amazon oder Sony, die mit ihren verhältnismäßig teuren Lesegeräten Kindle und Reader im Rennen sind, verlässt sich Google allein auf seinen Browser. Über Google und seine Handelspartner erworbene digitale Bücher sollen vom ersten Halbjahr 2010 an auf E-Books genauso angesehen werden können wie auf SmartPhones, iPhones, Laptops oder Netbooks.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Nutzer haben keine zusätzlichen Hardware-Ausgaben, und Google hat beinahe uneingeschränkte Kontrolle. Der Kunde erwirbt nämlich keine Datei, sondern im Grunde nur das Nutzungsrecht an allein über den Google-Browser zugänglichen Daten.

Google liest also immer mit - und erlaubt das Kopieren von höchstens 20 Prozent eines erworbenen Buches. Auf das Musikgeschäft übertragen verhieße das der Branche natürlich kaum noch für möglich Gehaltenes: das Ende des Raubkopierens und endlich wieder verlässliche Umsätze.

Alle Nutzer wiederum würden noch ein bisschen gläserner, als sie ohnehin schon sind. Google hört dann auch noch immer mit.

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