Suche im Live-Web:Google, Herrscher über das Echtzeit-Netz

Ein Internet-Riese rüstet auf: Mit der Echtzeit-Suche werden Twitter und Facebook durchkämmt, Handykameras verwandeln sich zu Suchmaschinen.

J. Kuhn

An Selbstironie mangelt es den Verantwortlichen nicht. Wer am Dienstag die Google-Suchseite aufruft, bekommt die Cartoon-Figur Popeye zu sehen. Offiziell ist dies eine Huldigung zum 115. Geburtstag des Popeye-Erfinders Elzie Crisler Segar, doch es scheint, als stelle sich Google selbst dar, strotzt das Unternehmen doch vor Kraft, als hätte es dosenweise Spinat gegessen.

Suche im Live-Web: Google-Logo: Das kalifornische Unternehmen strotzt vor Kraft

Google-Logo: Das kalifornische Unternehmen strotzt vor Kraft

(Foto: Screenshot: Google.de)

Derzeit vergeht kaum eine Woche, in der das Unternehmen nicht neue Projekte vorstellt, die das Wesen des Internets verändern könnten. Am vergangenen Donnerstag kündigte Google ein eigenes IP-Übersetzungssystem an, bereits jetzt schickt das Unternehmen seine Nutzer ins Echtzeit-Web: In die Google-Suchergebnisse werden künftig die aktuellen Meinungsäußerungen zu einem Begriff auf Twitter, FriendFeed sowie auf den öffentlichen Seiten der sozialen Netzwerke Facebook und MySpace eingebunden.

"Egal, ob es sich dabei um den Twitter-Beitrag eines Augenzeugen, eine aktuelle Nachricht oder ein neues Blog-Posting handelt, Sie können es sofort bei Google lesen, sobald es im Web publiziert wurde", verspricht das Unternehmen auf seinem Blog. Die Funktion wird in den nächsten Tagen in der englischen Version online gehen, für andere Sprachen soll die Echtzeit-Suche spätestens im Frühjahr 2010 integriert werden.

Sekundenschnelle Reaktion auf Ereignisse

Wer einen Blick auf die Funktion werfen möchte, kann dies über einen kleinen Umweg: Ein Klick auf eines der "Hot Topics" auf Google Trends zeigt bereits, wie die entsprechenden Twitter-Nachrichten einmal in die Google-Seite einlaufen werden.

Der Echtzeit-Suche wird in der Branche hohe Bedeutung zugemessen, trägt sie doch der Entwicklung Rechnung, dass Internetnutzer über verschiedene Plattformen sekundenschnell auf aktuelle Ereignisse rund um den Globus reagieren. Auch Microsofts Suchmaschine Bing listet künftig Twitter- und Facebook-Nachrichten, kann diese aber voraussichtlich nicht in Live-Geschwindigkeit anzeigen.

"Mit einem Schlag hat sich Google die Führung in der Echtzeit-Suche geschnappt, und es scheint, als würden Facebook und Twitter sich eingestehen, dass sie in Sachen Suche Google nicht das Wasser reichen können", kommentiert Adam Ostrow auf der prominenten Technologieseite Mashable.

Ob sich das Suchverhalten der Nutzer durch diesen Schritt in Richtung Echtzeit-Ergebnisse verschiebt, ist allerdings noch nicht abzusehen. "Es gibt eine Menge Menschen, denen egal ist, über was Menschen auf Twitter und Facebook sprechen", schreibt Lisa Hoover vom US-Technologieportal Lifehacker, "es wird interessant sein, zu sehen, wie Google den Nachrichten-Geräuschpegel regelt, wenn bei großen Ereignissen überall Menschen zu bloggen und posten beginnen und dabei manchmal unabsichtlich falsche Informationen verbreiten."

Wer filtert das Echtzeit-Netz?

Welche Nachrichten Google wie prominent platziert, sollen deshalb unter anderem Parameter wie "Autorenqualität", "Wahrscheinlichkeit von Relevanz" oder "Qualität der Twitter-Nachricht" bestimmen. Damit, so merkt unter anderem der Guardian an, wird Google auch zum Herrscher über das "Archiv der Gegenwart", weil es eigene Filter über die Echtzeit-Nachrichten legt.

Auch im Bereich der visuellen Suche stellt Google eine Neuerung mit großem Potential vor: "Google Goggles" ist eine visuelle Suchfunktion für mobile Geräte mit dem Google-Betriebssytem. So könnte ein Nutzer mit seiner Handykamera auf ein Denkmal zeigen, zu dem Google dann die entsprechenden Suchergebnisse liefert.

Erster Schritt in die "Augmented Reality"

Google gleicht dabei das gemachte Bild mit der Datenbank der Google-Bildersuche und den dort hinterlegten Informationen ab. Bislang funktioniert Goggles nach Angaben des Unternehmens mit Sehenswürdigkeiten, CD-Covern, Kunstwerken oder Firmen-Logos. Aus Datenschutzgründen wird Goggles nicht zur Gesichtserkennung einsetzbar sein.

Die mobile Bildersuche ist keine Google-Erfindung: In der jüngeren Vergangenheit hatten Unternehmen wie Pongr oder Koaba iPhone-Applikationen mit ähnlichen Funktionen angeboten. Allerdings bemüht sich Google bereits seit längerem, die Bilderkennung seiner Suchdienste zu verbessern. Das Feld der sogenannten Augmented Reality, der Echtzeit-Erkennung der Umgebung durch das Handy, beherbergt einen der großen Werbemärkte der Zukunft.

Wenn ein Nutzer beispielsweise mit seinem Handy auf ein Einkaufszentrum zeigt, könnte Google nicht nur die passenden Informationen zum Ort, sondern auch Werbeanzeigen der dort ansässige Geschäfte einblenden und dafür Geld kassieren. Popeye, so scheint es, ist noch lange nicht satt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: