StudiVZ:"100 Prozent datenschutzkonform"

StudiVZ-CEO Marcus Riecke über Proteste von Nutzern, den Start von Facebook in Deutschland und warum es deshalb eine dritte VZ-Seite braucht.

Mirjam Hauck

sueddeutsche.de: Die Einführung der neuen Geschäftsbedingungen von StudiVZ im Dezember hat einen gewaltigen Proteststurm ausgelöst. Wollen die Nutzer ihre Daten nicht einfach für Werbung hergeben?

StudiVZ: Nur teilweise sichtbar: das StudiVZ-Profil von CEO Marcus Riecke.

Nur teilweise sichtbar: das StudiVZ-Profil von CEO Marcus Riecke.

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Marcus Riecke: Das war extrem unglücklich. Unsere AGBs sind selbstverständlich zu 100 Prozent datenschutzkonform, aber wir haben den großen Fehler gemacht, die E-Mails an die Nutzer unkommentiert zu versenden. So haben wir es anderen überlassen, die Einführung der neuen Werbeformen falsch zu bewerten. Die Schlagzeile, dass StudiVZ Nutzerdaten verkauft, ist blanker Unsinn.

sueddeutsche.de: Das Problem war also nicht der Inhalt, sondern die Form?

Riecke: Richtig. Targeting, also personalisierte Werbung, ist auf allen Top 40 der werbefinanzierten Websites ein Thema. Unser Versäumnis war, dass wir unseren Nutzern diese Art der Werbung nicht erklärt haben. Es bringt für beide Seiten, sowohl für den Werbetreibenden als auch für den User, Vorteile, wenn zielgerichtete Werbung eingeblendet wird, die auch wirklich passt. Zufällig eingespielte Werbung hingegen ist für alle Beteiligten nicht so effizient.

sueddeutsche.de: Der deutsche Datenschutzbeauftragte Peter Schaar hat StudiVZ vorgehalten, dass die AGB nicht mit dem Datenschutzgesetz konform gehen, da die Zustimmung an Nutzungsbedingungen gekoppelt sei.

Riecke: Da besteht ein Dissens. Was wir tun, ist hundertprozentig datenschutzkonform. Es gibt die Opt-out-Möglichkeit: Wer keine personalisierte Werbung haben will, bekommt sie auch nicht. Inzwischen danken uns unsere Nutzer für die Aufklärung zu diesem Thema, die wir betrieben haben. Sie sagen uns, dass sie jetzt die Werbebegrifflichkeiten verstanden haben und nicht mehr denken, dass wir ihre persönlichen Daten missbrauchen.

sueddeutsche.de: Der Proteststurm der Nutzer war abgeebbt - aber jetzt hat der Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv) StudiVZ eine Abmahnung geschickt. Die neuen Geschäftsbedingungen seien pauschal und außerdem intransparent. Die Datenschutzerklärung erlaube die Erhebung jeder Menge User-Daten. Sind die AGB doch nicht so datenschutzkonform, wie Sie glauben? Wie werden Sie auf die Abmahnung reagieren?

Riecke: Die Abmahnung ist mittlerweile bei uns eingegangen und wird aktuell von unseren Juristen geprüft. Bedauerlich ist, dass der Verbraucherzentrale Bundesverband mit diesem Fall an die Öffentlichkeit gegangen ist, noch bevor wir überhaupt die Gelegenheit hatten die Abmahnung zu prüfen. Die Behauptung, unsere Datenschutzerklärung erlaube Werbung per E-Mail, SMS oder Telefon ist falsch. Richtig ist: Die Werbung per SMS und Telefon bei studiVZ ist ausgeschlossen. Was die weiteren Punkte betrifft: Wir sind selbstverständlich jederzeit zu einem konstruktiven Dialog mit der Verbraucherzentrale Bundesverband bereit.

sueddeutsche.de: Wie viele Nutzer haben sich aufgrund der neuen Werbeformen von studiVZ abmeldet - und wie viele nutzen die nachträgliche Opt-out-Möglichkeit, um keine Werbung zu erhalten?

Riecke: Abschließende Zahlen können wir erst nach Ablauf des Zustimmungsprozesses zu den AGB geben, und der läuft noch bis 31. März. Aber wir sind sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Wir sind längst schon wieder bei Wachstumsraten, wie wir sie vor der Umstellung auf die neuen AGB hatten. StudiVZ wächst täglich im fünfstelligen Bereich. Und von den neuen StudiVZ-Usern stimmen 95 Prozent unseren Nutzungsbedingungen zu.

sueddeutsche.de: Haben sich die neuen Werbeformen schon finanziell bemerkbar gemacht?

Riecke: Unser Flaggschiff StudiVZ.net ist seit Anfang des Jahres profitabel, die gesamte Firma aber noch nicht. Es ist heute noch zu früh, um sagen zu können, wie viel personalisierte Werbung einbringt, ob sie einen Faktor 3 oder 4 in der Umsatzentwicklung bringt. Wir erwarten aber eine deutliche größere Zufriedenheit sowohl beim User als auch bei den Werbetreibenden.

sueddeutsche.de: Klicken die StudiVZ-Nutzer auch auf ihre personalisierte Werbung?

Riecke: Unser Vermarkter ist sehr zufrieden. Erste Testversuche mit Referenzkunden zeigen, dass wir Klickraten haben, die zum Teil mehr als 300 Prozent über dem sind, was wir bislang hatten.

sueddeutsche.de: Mitglieder von Social Communities sind also nicht immun gegen Werbung?

Riecke: Keinesfalls. Das zeigen schon jetzt unsere Zahlen. Nichts desto trotz sind Social Communities ein ganz neues Phänomen, es gibt sie gerade einmal fünf Jahre. Offenkundig haben sie einen enormen Wert für User. Aber das Monetarisierungsmodell für Web-2.0-Angebote wird gerade entwickelt. Das Gerede von einer neuen Blase ist Unsinn. Es gab auch einmal eine Zeit, da hatte Google keine Adwords. Wir sind da sehr optimistisch, was die weitere Entwicklung angeht.

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"100 Prozent datenschutzkonform"

sueddeutsche.de: Spätestens im zweiten Quartal kommt die weltweit größte Social Community Facebook nach Deutschland.

Riecke: Wir haben acht Millionen Mitglieder, jeden Tag werden es mehr und wir belegen mit großem Abstand Platz 1 und mit SchülerVZ Platz 2 in der IVW-Rangliste der größten deutschen Websites. Zudem haben wir die Erfahrung gemacht: Wer sich einmal für uns entschieden hat, bleibt uns in der Regel treu. Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir sehen dem mit einer gewissen Gelassenheit entgegen.

sueddeutsche.de: Facebook kann StudiVZ nicht gefährlich werden?

Riecke: Wir haben einen großen Vorteil: Die User sind schon bei uns. Unsere Netzwerke sind extrem lebendig. Auch das Argument, dass Facebook StudiVZ technisch überlegen wäre und StudiVZ langweilig sei, zweifeln wir an. StudiVZ ist gerade deshalb so erfolgreich, weil es wie der Ipod einfach und intuitiv zu bedienen ist - und nicht, weil es mit einer Vielzahl von Applikationen überfrachtet ist.

Zudem ist Datenschutz in Amerika kein so großes Thema wie in Deutschland. Facebook hat beispielsweise angekündigt, dass sie hier die Plattform mit dem Programm Beacon launchen wollen. Damit sollen Freunde über den Kauf von Konzertkarten, Büchern und Geschenken informiert werden. Hier stellt sich die Frage: Kann man sich sicher sein, dass die dazu notwendigen und gerühmten Applikationen nicht doch Nutzerdaten ziehen?

sueddeutsche.de: StudiVZ ist gut und Facebook ist böse?

Riecke: Das ist sicher nicht die Frage. Ich bin mir sicher, dass wir alle das Bestmögliche für die User wollen, den größtmöglichen Mehrwert. Aber wir müssen uns mit Wettbewerbern auseinandersetzen, die aus Ländern kommen, wo der Datenschutz nicht so hoch gehängt wird wie in Deutschland - beispielsweise in Nordamerika.

sueddeutsche.de: Dafür, dass der Markt der Social Communities in Bewegung bleibt, sorgen Sie jetzt selbst, indem Sie noch in diesem Quartal eine dritte VZ-Seite starten. Wer hat darauf gewartet?

Riecke: Wir bedienen mit StudiVZ jetzt schon zweieinhalb Millionen Kunden, die keine Studenten mehr sind. Ihre Profile können nicht ganz wahrheitsgetreu sein, weil man bei StudiVZ immer eine Uni angeben muss. Zudem kann man keinen Arbeitgeber angeben. Für diese Zielgruppe ist die neue Plattform: für die nicht-mehr-studentischen Freunde der StudiVZler. Wir sehen oberhalb von StudiVZ, also bei Berufstätigen mit privaten Kommunikationsbedarf, ein riesiges Wachstumspotenziel. 50 Prozent der Zielgruppe oberhalb von StudiVZ gehören keinem sozialen Netzwerk an - und das ist auch der Grund, warum Facebook in Deutschland launcht.

sueddeutsche.de: Wie heißt die neue Seite, FreundeVZ?

Riecke: Den Namen verraten wir jetzt noch nicht, ihn geben wir erst zum Launch bekannt.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie die zweieinhalb Millionen Nichtstudenten zum Umziehen in ein neues Netzwerk bewegen?

Riecke: Der Nutzer kann, wenn er von StudiVZ auf die neue Plattform wechseln möchte, mit wenigen Klicks umziehen, bleibt aber weiterhin mit seinen studentischen Freunden in StudiVZ vernetzt. Und sie oder er bekommt eine Plattform, die genau auf ihn zugeschnitten ist.

sueddeutsche.de: StudiVZ zu erweitern war keine Option?

Riecke: Nein, denn dann hätten wir die Plattform umbenennen müssen. Das war definitiv keine Alternative.

sueddeutsche.de: Stört die nicht-studentischen Nutzer der Name StudiVZ?

Riecke: Nein, eigentlich stört es keinen. Aber wie der Name schon sagt: StudiVZ richtet sich an Studenten.

sueddeutsche.de: Kann man durch die Vernetzung mit StudiVZ dann auch sehen, was die Bewerber in ihrer Freizeit tun?

Riecke: Das kann jeder Nutzer durch Einstellungsmöglichkeiten in der Rubrik Privatsphäre selber bestimmen.

sueddeutsche.de: Wie viele Mitglieder soll denn die neue Seite am Ende des Jahres haben?

Riecke: SchülerVZ und StudiVZ haben derzeit zusammen acht Millionen Nutzer. Ende 2008, zusammen mit der neuen Site, sollen es etwa 14 Millionen User werden.

sueddeutsche.de: Woher sollen die Millionen neuen Nutzer kommen?

Riecke: Wir haben die großen Reichweiten, weil Kommunikation ein elementares menschliches Bedürfnis ist - wie Selbstdarstellung, gruscheln, Freundschaften schließen. Virtuelle Networks sind ein Abbild echter menschlicher Netzwerke. Leute, die sich sowieso kennen, nutzen sie für ihre private Kommunikation. Sie wollen sich vernetzen. Es ist einfacher, die Daten von Freunden bei StudiVZ zu verwalten, als in seinem Handy. Soziale Netzwerke sind eine Mischung aus Rolodecks, SMS und E-Mail schreiben.

sueddeutsche.de: Selbstdarstellung geht bei manchem Nutzer sehr weit: Bis zur Selbstentblößung - wenn er viel von sich preis gibt und beispielsweise private Party-Fotos von Saufgelagen von sich ausstellt.

Riecke: Die Frage ist doch, wie weit der Nutzer partizipieren will und was er alles von sich preisgeben möchte. Wenn er sich gänzlich und mit sämtlichen Fotos vernetzen will, birgt das gegebenenfalls Risiken. Schränkt er dagegen sein Profil ein, wird er auch nicht so leicht gefunden. Das muss jeder User selbst entscheiden.

sueddeutsche.de: Der User muss also nicht vor den Gefahren geschützt werden?

Riecke: Doch. Er muss aufgeklärt werden und ihm müssen Möglichkeiten gegeben werden, das Netz beziehungsweise eine Plattform sicher zu nutzen. Dieser Verantwortung sind wir uns sehr bewusst und genau das tun wir auch. Nichtsdestotrotz ist Eigenverantwortlichkeit - wie überall im Leben - elementar.

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