Studie: Internetnutzung in Deutschland:Die neue Offline-Unterschicht

Die Deutschen bewegen sich immer sicherer im Netz - doch einer Studie zufolge verliert fast ein Drittel der Bürger Anschluss an die digitale Gesellschaft. Experten warnen vor den Folgen.

Immer mehr Deutsche surfen souverän durch digitale Welten, die große Mehrheit hat aber immer noch Vorbehalte gegen das Internet. Der Anteil der kompetenten Nutzer stieg innerhalb eines Jahres von 26 auf 37 Prozent, wie aus einer am Donnerstag in Berlin von der Initiative D21 veröffentlichten Studie hervorgeht.

Offline

Nicht am Netz: 28 Prozent der Deutschen sind "digitale Außenseiter".

(Foto: iStock)

Damit seien im Jahr 2010 aber noch immer fast zwei Drittel der Bevölkerung (63 Prozent) nicht in der digitalen Alltagswelt angekommen. Für die zweite Ausgabe der Studie "Die digitale Gesellschaft - sechs Nutzertypen im Vergleich", befragte TNS Infratest im Oktober 1.001 Menschen ab 14 Jahren.

Als starker Treiber für den Anstieg der routinierten Internet-Nutzer erweist sich danach die rasche Verbreitung "mobiler Technik". Die Möglichkeit eines mobilen Internetzugangs durch Smartphone oder Tablet-Computer werde immer stärker genutzt, hieß es.

Noch immer sind es der Studie zufolge vor allem Ältere und Frauen, die gar nicht oder ungern im Internet surfen. Das Durchschnittsalter der digitalen Außenseiter liegt demnach bei fast 65 Jahren, 65 Prozent von ihnen sind Frauen. Der typische sogenannte Trendnutzer ist dagegen 37 Jahre alt und überwiegend männlich (63 Prozent). Er sei privat sehr gut mit digitaler Technik ausgestattet.

Die Entwicklung der digitalen Gesellschaft werde von Menschen getragen, die ohne Berührungsängste offen und eher spielerisch mit den digitalen Medien umgingen, sagte der Geschäftsführer von TNS Infratest, Robert Wieland.

Deprimierende Prognose

Die Studie beschriebt einen "digitalen Graben" zwischen den kompetenten Internet-Nutzern und denjenigen mit Berührungsängsten. Auf der einen Seite sieht sie "digitale Außenseiter" (28 Prozent), "Gelegenheitsnutzer" (28 Prozent), ausschließliche "Berufsnutzer" (sieben Prozent), auf der anderen Seite "Trendnutzer" (20 Prozent), "digitale Profis" (zwölf Prozent) und die "digitale Avantgarde" (fünf Prozent).

Die Prognose für die Außenseiter klingt deprimierend: Auch wenn ihr Anteil im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozentpunkte gesunken sei, hätten die Verbliebenen ein noch geringeres Potenzial und noch eingeschränktere Nutzungsmuster als im Vorjahr, heißt es in der Studie.

Diese Gruppe entferne sich immer weiter vom Anschluss an die digitale Gesellschaft, erklärte Wieland. Die Integrationsaufgabe entwickele sich zu einer immer größeren Herausforderung. Den Außenseiter gegenüber stehen auf der anderen Seite der Skala die Avantgardisten. Sie verbringen der Studie zufolge zehn Stunden täglich vor dem Computer.

Wieland forderte, die digitale Spaltung müsse überwunden werden.So werde bereits von einem drohenden "Netzprekariat" und einer neuen "Offline-Unterschicht" gesprochen.

Internetnutzung als Schlüsselqualifikation

Sowohl Viel- als auch Wenig-Nutzer sind jedoch überwiegend davon überzeugt, dass die Internetnutzung Schlüsselqualifikation für fast alle Berufen ist und den Alltag künftig noch sehr viel stärker verändern wird. Auch ist die Mehrzahl davon überzeugt, dass stärker auf Datenschutz geachtet werden muss.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto , sagte, die Bundesregierung werde weiter die digitale Kompetenzsteigerung der Bevölkerung unterstützen.

Mehr als 50 Prozent aller Produktionsfortschritte in der Wirtschaft seien IT-getrieben. "Der kompetente Umgang mit dem Internet ist ein Standortfaktor im internationalen Wettbewerb", betonte der FDP-Politiker.

Die Initiative D21 ist ein parteien- und branchenübergreifendes Netzwerk von 200 Unternehmen sowie politischen Partnern.

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