Streit um Funkfrequenzen:Es droht ein großes Rauschen

Deutschland - Schottland

"Hallo, jemand da?": Diese Frage könnten sich Kameramänner bei Live-Übetrgaungen bald stellen, wenn die Funkfrequenzen ihrer Kopfhörer für den Mobilfunk eingesetzt werden.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Was ist den Deutschen mehr wert: schnelles Internet auf dem Land oder eine stabile Live-Übertragung aus dem Fußballstadion? Das entscheidet nun die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer.

Von Varinia Bernau und Claus Hulverscheidt, Berlin

Das Spiel war nicht nur eine sportliche Meisterleistung: Mehr als 370 Techniker waren im Berliner Olympiastadion unterwegs und sorgten dafür, dass Fußballfans auf mehr als 150 Fernsehsendern weltweit live verfolgen konnten, wie sich der FC Bayern im Spiel gegen Borussia Dortmund den DFB-Pokal holte.

Es gibt viele, die nun fürchten, dass eine solch umfangreiche Übertragung in Zukunft nicht mehr möglich ist.

Diese Skeptiker schauen nun nach Berlin. Dort will die Bundeskanzlerin an diesem Donnerstag mit den Regierungschefs der Länder die letzten Details für die Versteigerung von Funkfrequenzen abstimmen. Die Ministerpräsidenten haben dann die letzte Gelegenheit, dafür zu sorgen, dass sportliche Großereignisse ohne technische Pannen ablaufen. Natürlich geht es nicht nur um den Fußball. Es geht auch um Theateraufführungen und Gottesdienste - und um die Frage, ob das Versprechen der Regierung, bis 2018 alle deutschen Haushalte mit schnellem Internet zu versorgen, nicht eine Mogelpackung ist.

Im Frühjahr will die Bundesregierung Funkfrequenzen an die Telekommunikationsunternehmen versteigern. Neben den Frequenzen, mit denen einst das mobile Telefonieren begann und deren Lizenzen 2016 auslaufen, sollen dann auch die 700er-Frequenzen unter den Hammer kommen. Dieser Bereich ist besonders begehrt. Die Funkwellen tragen darin weit, so dass sich große Gebiete mit wenigen Masten versorgen lassen. Bislang aber wird dieses Spektrum von den Rundfunkanstalten genutzt - und auch für schnurlose Mikrofone und Funkkopfhörer bei Veranstaltungen.

So ist ein bizarrer Streit entbrannt um die Frage, wie zügig und auf welchem Wege der Netzausbau in Deutschland gestemmt werden soll. In der Kreativwirtschaft bangt nun mancher, dabei an den Rand gedrängt zu werden. Der Netzausbau ist hierzulande nämlich Sache der Netzanbieter - und die schrecken gerade auf dem Land vor den teuren Bauarbeiten zurück.

Der Haken ist nur: Bislang ist offen, wann sich die 700er-Frequenzen wirklich für den Mobilfunk nutzen lassen. Zwar hat sich die Bundesregierung in ihrer Digitalen Agenda zum Ziel gesetzt, die Frequenzen bis 2017 freizugeben. Doch dies kann sie nur mit dem Segen der Länder, die über die Rundfunkanstalten wachen. ARD und ZDF halten den Zeitplan, wie es in einer Stellungnahme heißt, für "illusorisch". Zum einen fehle es noch an Fernsehgeräten, die mit der neuen Technik klarkommen. Zum anderen nutzten einige Nachbarländer diese Frequenzen noch länger für den Rundfunk - und sie würden damit gerade in Grenzregionen auch den Handyempfang stören. Die EU-Kommission nimmt an, dass es sogar noch bis 2020 dauern könnte, bis Mobilfunkunternehmen die 700er-Frequenzen nutzen können.

Dobrindt vollführt einen Drahtseilakt

Und für die bis zu 800 000 Funksysteme, also schnurlose Mikrofone und Kopfhörer, die deutschlandweit in Theater- und Opernhäusern, Kirchen und Konferenzzentren im Einsatz sind, wird es, wenn die Mobilfunker die 700er-Frequenzen nutzen, eng: Senden zwei Funksysteme auf derselben Frequenz, gewinne stets das mit der stärkeren Sendeleistung, sagt Norbert Hilbich vom Mikrofonhersteller Sennheiser.

Ein drahtloses Mikrofon könne gegen das viele tausendmal stärkere Signal eines Mobilfunksendemasts nichts ausrichten. Dann kommt es entweder zum großen Rauschen auf der Bühne - oder die Kreativbranche nutzt einen anderen Frequenzbereich. Hilbich glaubt, dass das Spektrum, das die Bundesnetzagentur solchen Funksystemen nun alternativ in Aussicht gestellt hat, völlig unzureichend ist. "Das sind allenfalls Absichtserklärungen, aber keine Lösungsvorschläge", schimpft er über den Entwurf, über den die Länder am Donnerstag mit der Kanzlerin beraten.

Viele Beobachter sind verwundert, wie übereilt die Bundesnetzagentur die Vergabe der Frequenzen vorbereitet. Bei der Behörde heißt es, man wolle den Aufwand minimieren - und deshalb bereits bei der Auktion im Frühjahr die 700er Frequenzen versteigern. Der für den Netzausbau zuständige Minister Alexander Dobrindt (CSU) setze auch auf einen so ambitionierten Zeitplan, um den Druck auf die Fernsehsender aufrechtzuerhalten, damit diese die Frequenzen zügig räumen, verlautet aus Verhandlungskreisen. Und Hilbich sagt: "Die Bundesnetzagentur hat ihren Sachverstand offenbar ausgeschaltet. Die Bundesregierung will unbedingt die schwarze Null und ordnet dem alles andere unter."

Tatsächlich vollführt der Digitalminister Dobrindt derzeit einen wahren Drahtseilakt: Er rühmt sich damit, das schnelle Internet aufs Land zu bringen - ohne dass er dazu das nötige Geld von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zugestanden bekommt. Auch auf Landesebene, so heißt es in den Rundfunkanstalten ebenso wie in der Kreativwirtschaft, sei vielen Politikern der Mobilfunk wichtiger.

Denn vom Netzausbau hängt eben auch die Zukunft der deutschen Wirtschaft ab: Vom Start-up bis zur vernetzten Fabrik, sie alle brauchen einen Zugang zum schnellen Internet - und im internationalen Vergleich steht Deutschland in diesem Punkt ohnehin schon nicht sonderlich gut da. Dass auch die Kreativwirtschaft gerade in den Krisenjahren viele Jobs gesichert hat, gerät dabei schon mal aus dem Blick.

Die Frage ist also: Was bedeutet den Deutschen mehr: schnelles Internet auf dem Land oder eine sichere Live-Übertragung von Fußballspielen; Mittelständlern auch jenseits der Großstadt die Möglichkeit zu geben, im globalen Wettbewerb mitzuhalten - oder einem Opernhaus die Chance, mit einem Klassikfestival neue Besucher zu locken? Im Ringen um begrenzte Ressourcen, zu denen auch Funkspektrum zählt, setzt sich letztlich derjenige durch, der die bessere Geschichte parat hat.

Die technischen Kniffe bei medialen Großereignissen wie dem DFB-Pokal, aber durchaus auch beim Gottesdienst, wo ebenfalls Funkmikrofone eingesetzt werden, sind den meisten Menschen ziemlich egal. Wie nervig es hingegen ist, wenn auf dem platten Land das Internet nur aus der Leitung tröpfelt, das weiß jeder. Und daran orientiert sich auch die Politik.

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