Strategie des Softwarekonzerns:Microsoft greift nach den Wolken

Mit kostenlosen Programmen im Internet hat Google dem Softwarehersteller Microsoft zugesetzt. Nun buhlt dieser um Großkunden.

Varinia Bernau, Washington

Washington - Die digitale Korrespondenz der Staatsanwälte in Los Angeles hatte für Aufsehen gesorgt - allerdings weniger wegen dem, was sie so schrieben: Die Anwälte benutzen seit diesem Frühjahr wie alle 30.000 Angestellten in der Verwaltung der kalifornischen Millionenmetropole ein E-Mail-Programm des Suchmaschinenbetreibers Google.

Strategie des Softwarekonzerns: Microsoft-Chef Steve Ballmer: Die nächsten zwölf Monate könnten auch über seine Schicksal entscheiden.

Microsoft-Chef Steve Ballmer: Die nächsten zwölf Monate könnten auch über seine Schicksal entscheiden.

(Foto: afp)

7,25 Millionen Dollar hat die Umstellung gekostet, doch in den nächsten fünf Jahren soll das meiste davon wieder drin sein. Und dann soll es sich für die Verwaltung auszahlen, dass keine Lizenzgebühren mehr anfallen und die eigene IT-Abteilung entlastet wird.

Auch Microsoft hatte sich um den Auftrag aus Los Angeles beworben und wurde von dem aufstrebenden Konkurrenten abgehängt. Ausgerechnet in dem Bereich, der so stark wächst wie kein anderer in der IT-Branche: dem Cloud Computing. Dabei lassen sich Programme, Dienstleistungen und Speicherplatz auf einem Server im Internet nutzen anstatt auf einem Computer - gewissermaßen in der Wolke.

Es geht um Vertrauen

Doch der Softwarekonzern weiß sich zu wehren - und besinnt sich dabei auf seine Stärke: Auf einer Konferenz in Washington kündigte Microsoft am Montag an, noch 2010 sein junges für die Wolke entwickeltes Internet-Betriebssystem Azure zu erweitern, so dass Unternehmen und öffentliche Einrichtungen diese auch in eigenen Rechenzentren betreiben können.

Bislang stellt Microsoft die Rechenleistung und Speicherkapazität ausschließlich in einem halben Dutzend seiner eigenen weltweit verteilten Rechenzentren zur Verfügung.

Mit der Weiterentwicklung von Azure will Microsoft das schaffen, worauf es Geschäftskunden beim Cloud Computing ankommt: Vertrauen. Denn diese haben nun wieder die Hoheit über ihre Datensätze.

Wem gehören die Daten?

So hofft man bei Microsoft, vor allem Unternehmen und öffentliche Einrichtungen für das boomende Geschäft mit der Wolke zu gewinnen. Diese zahlen mehr als der einzelne Internetnutzer, der bereits Fotos, Texte und Adressen im Netz hinterlegt - und dabei oft Anwendungen von Google nutzt.

Sie sind aber auch skeptischer: In der Wolke ist immer weniger nachvollziehbar, wo die Daten lagern - und nach welcher Rechtsordnung die Rechnerleistung erbracht wird. "Vor einem Jahr hatten wir noch null, heute haben wir 10 000 zahlende Kunden für Azure", prahlte Microsoft-Chef Steve Ballmer bei der Konferenz, die Microsoft für seine Partner ausrichtet.

Microsoft gegen Google in der Wolke

Für das verbesserte Azure-System hat Microsoft bereits die Hardwarehersteller Dell, Fujitsu und Hewlett Packard als Partner gewonnen, die ihre Rechner nun damit ausstatten können.

Auch sie sind unter Druck geraten: Je mehr Datensätze und Rechenleistung Unternehmen in die Wolke auslagern, desto weniger Rechner werden sie verkaufen. Steigen werde vor allem der Bedarf an Anwendungen und Plattformen, also an Software, betont Lynn-Kristin Thorenz vom Analystenunternehmen IDC.

Schon allein deshalb dürften Dell, Fujitsu und HP an engen Partnerschaften mit Softwareherstellern großes Interesse haben. So können sie ihren Kunden eigene Angebote für die Cloud machen.

Google ist billiger

Nach Ansicht von Analysten könnte sich im Cloud-Geschäft mit Unternehmen die jahrzehntelange Erfahrung von Microsoft auszahlen: Der Softwarekonzern sei in den IT-Abteilungen von Unternehmen verankert - und habe dabei bewiesen, dass er deren Bedürfnis nach Sicherheit und Verlässlichkeit kennt und auch erfüllt. Da könnten junge Cloud-Anbieter nicht mithalten.

Dabei hat Microsoft den Einstieg ins Cloud-Computing lange hinausgezögert - aus Angst, sich sein lukratives Lizenzgeschäft mit herkömmlichen Betriebssystemen und Büropaketen selbst zu vermasseln. Google nimmt das meiste Geld durch Werbung ein und kann seine Angebote für die Wolke deshalb billiger machen.

Doch die berüchtigte Datensammelwut hat dem Ansehen des Konzerns geschadet - vor allem bei Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, die nicht nur auf die Kosten, sondern auch auf die Sicherheit achten müssen. Microsoft Unternehmenskunden abzujagen, fällt dem Suchmaschinenbetreiber schwerer.

Die nächsten Monate sind entscheidend

Mehr als ein Punktsieg für Microsoft ist das vorerst aber nicht. "In dem Markt ist noch viel Bewegung, da können sich auch noch kleine Anbieter in Stellung bringen. Und die Großen müssen darauf achten, nicht plötzlich unvorhergesehen auf der Strecke zu bleiben", so Thorenz.

Das weiß man auch bei Microsoft: "In den nächsten zwölf Monaten haben wir mindestens genauso viel, wenn nicht noch mehr zu tun, als in den zurückliegenden zwölf Monaten", rief Steve Ballmer seinen Partnern beschwörend zu.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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