Steve Jobs: Keynote auf der MacWorld Expo:Bart muss ran

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Unter Revolution macht er's nicht: Steve Jobs hält eine überzeugte Keynote-Rede, hat außer einem dünnen Notebook aber keine Apple-Wunderdinge im Gepäck. Wir haben trotzdem in Jeans und Rolli mitgefiebert - die Keynote-Kritik.

Christian Kortmann

Sie hatten am Dienstag mit aller Sorgfalt für Spannung gesorgt: "There's something in the air", stand groß auf der Apple-Website. Am Nachmittag kalifornischer Zeit, so die vage Terminangabe, würde Steve Jobs' Keynote-Rede zu sehen sein, die er morgens um 9 Uhr in San Francisco auf der hauseigenen Messe MacWorld gehalten hatte.

Äpfel und Birnen: Herr Jobs vermietet ab sofort die Familie von Herrn Simpson. (Foto: Foto: AP)

Da stellte sich echte "Wir warten aufs Christkind"-Stimmung ein: Santa Steve würde kommen, aber man wusste nicht genau wann, und auch nicht, was er so in der Luft Liegendes bringen würde. Ob er wieder die magischen Worte "One more thing ..." ausspräche, mit denen er stets die neuesten "Revolutionen" ankündigt? Jobs' Grundsatzreden, deren typische Dramaturgie und wiederkehrenden sprachlichen Figuren ihnen den Spitznamen "Stevenotes" eingebracht haben, sind Neujahrsansprachen für die Mac-Gemeinde wie Homeshopping-Channel für Besserverdienende, der exklusiv selten auf Sendung geht: Vor der Rede waren Apples weltweite Online-Stores offline, um das Programm um die Produkte zu ergänzen, die Jobs vorstellen würde.

Apple hat mit diesem Ritual die wohl smarteste Marketingmethode entwickelt, die der Firma auch in Zeiten der globalen Allverfügbarkeit von Information punktuell die ungeteilte Aufmerksamkeit sichert. Damit nichts schiefgehen konnte, hatte man in diesem Jahr europäische Journalisten in die Londoner BBC-Studios eingeladen, wo sie die Live-Übertragung verfolgten.

Am späten Dienstagabend war es dann auch für den gewöhnlichen Netzzuschauer soweit: Man muss kein Apple-Jünger oder Technik-Nerd sein, um Steve Jobs' Ausführungen mit Genuss zu folgen. In Ermangelung einer Late-Night-Show auf amerikanischem Niveau war es kein Fehler, statt "Menschen bei Maischberger" oder Kerners Zehn-Jahres-Selbstfeier Jobs' 90-minütigen Stand-up-Monolog aus dem Moscone Center in San Francisco einzuschalten.

Ähnlich wie bei der "Rocky Horror Picture Show" pflegt man diesen Kult vorzugsweise mit Eigenbeteiligung vor dem Bildschirm: Indem man sich nämlich verwaschene Jeans (gürtellos), Turnschuhe und einen schwarzen Rolli anzieht, einen Vollbart anklebt und eine Brille aufsetzt - der offizielle, von Jobs in der vergangenen Dekade etablierte Keynote-Look.

In schöner Erntedankfesttradition forderte Jobs zunächst zur Besinnung auf: das Jahr 2007 mit der Einführung des "revolutionary iPhone" und des Betriebssystems Leopard sei sensationell gewesen. Vier Millionen verkaufte iPhones in 200 Tagen - da gelte es, einfach mal dankbar zu sein. An diesem Morgen wolle er "mit" dem Publikum über einige Dinge reden, sagte er in diesem freundlichen Lehrerton, der keinen Zweifel daran ließ, dass nur er reden würde.

Jobs macht in seinen Keynotes nichts anderes, als einen Vortrag mit animierten Grafiken zu halten, allerdings den weltweit einzigen seiner Art, den jeder sehen will. Von höchster Stelle werden die neuen Apple-Produkte vorgestellt, immer nach dem gleichen Muster: Jobs führt ein Gerät vor, und auf der Leinwand ist das überlebensgroße Bild des Gadgets zu sehen. In diesem Zusammenhang wird auch die Funktion seiner Kleidung deutlich: Sie lenkt nicht von den Produkten ab; Jobs ist Teil des Podestes, auf das er seine Firma hebt. Flankiert wird die Bühnenshow von Einspielfilmen, ähnlich wie bei den Oscars. Doch dieser Auftrittskünstler benötigt für seine Gala in eigener Sache keine Autoren.

"Isn't that cool?", fragte Jobs, als das Publikum nicht sofort auf seine Lobpreisungen ansprang, und half der Begeisterung mit einer deutlichen Applaus-Aufforderung nach: "It is cool!" Dann schritt er zu seinem Beistelltisch, auf dem eine Flasche Wasser bereitstand, und man hörte ihn nuckeln und räuspern.

Wie ein Tropenarzt, der die rettende Medizin erfunden hat, stellte Jobs die rhetorische Frage: "What can we do for the iPod touch?" Und die neue Gratis-Software für Apple TV, mit der die Menschen endlich und selbstverständlich ungratis all die "Movies, Movies, Movies" sehen können, die sie wollen, sei eine "Revolution". Da war es wieder, zumindest das Wort, wenn die Revolution auch ausblieb. Jobs zeigte Beispielfilmchen bis an die Grenze zur Langatmigkeit, als gelte es Zeit zu füllen, weil er keine aufregenderen Neuigkeiten zu verkünden hatte. Vielleicht aber muss er sich gar nicht verstellen und benutzt die eigene Technik tatsächlich mit der nach außen gezeigten Begeisterung.

Seine beste Pointe hatte Jobs mit dem MacBook Air, dem angeblich dünnsten Notebook der Welt, das er aus einem Briefumschlag zog. Der wahre Visionär denkt dabei aber schon an die nächste Revolution: Das MacBook Air sei umweltverträglich und prima recycelbar, so die zentrale Botschaft. Am Ende betrat Randy Newman, der wohl nicht oft am Vormittag auftritt, die Bühne und sang Kritisches zur Lage der amerikanischen Nation.

Derweil lief in den Apple-Foren die Kritik schon heiß: kein "One more thing ..."-Satz, keine revolutionär neue Hardware. Ein User monierte deshalb gleich die "lahmste" Stevenote seit zehn Jahren. Und auch stilistisch war nicht jeder zufrieden: Herr Jobs, so meinte ein Kommentator, hätte sich wenigstens eine neue Jeans kaufen können. Wenn man seiner Gemeinde beim Erntedankfest keine handfesten Geschenke machen kann, muss man eben noch mehr am Showwert arbeiten.

PS: Wir wollen Ihnen nicht vorenthalten, wie wir uns die Zeit beim Warten auf Santa Steve vertrieben haben: mit Vintage-Keynotes, etwa mit Jobs' Debüt aus dem Jahre 1983.

"Hi I am Steve Jobs": Damals schon wurde seine Selbstvorstellung mit Lachen quittiert, weil er als Jungstar der Computerindustrie allseits bekannt war. 1983 trug er noch keinen schwarzen Rolli, dafür aber kastanienbraunes Haupthaar zu graubeigem Hemd. An Sendungsbewusstsein mangelte es jedoch schon damals nicht: Jobs stellt die Evolution der Computerindustrie als Entwicklung dar, die auf ihn hinausläuft. Apple sei "die einzige Kraft, die die Zukunft des Marktes sichern kann." Und dann leitet er zur Vorstellung des mittlerweile berühmten Apple-"1984"-Werbespots über, von, wie er es in Zukunft noch oft erleben sollte, Jubel übertönt.

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