Speichermedien:Immer feste drauf

Die Kapazität von Festplatten stößt an Grenzen. Jetzt sollen aufgerichtete Daten und geschrumpfte Bits helfen.

Von Alexander Stirn

Sie rotieren und rotieren und rotieren. Im Computer und im Notebook, in winzigen MP3-Playern und in Zukunft sogar im Handy: Festplatten, magnetische Scheiben mit Unmengen Speicherplatz, sind zum Gedächtnis der digitalen Welt geworden. Doch egal ob Musik, Videos oder Fotos -- die zu speichernde Datenmenge steigt unaufhaltsam. So rasant, dass die altbewährte Platte langsam an ihre Grenzen stößt.

Denn seit fast 50 Jahren, als IBM die erste Festplatte mit damals unglaublichen 4,4 Megabyte Speicherplatz auf den Markt brachte, hat sich die grundlegende Technologie kaum geändert: Auf eine rotierende Scheibe, heutzutage meist aus Aluminium, wird eine dünne Magnetschicht aus Eisenoxid oder Kobalt aufgebracht. Ein winziger Elektromagnet, der Schreibkopf, rast über die Scheibe hinweg - mit bis zu 250 Kilometern pro Stunde und in einem Abstand, kleiner als ein Zehntausendstel eines Haares.

Bei seinem rasanten Tiefflug richtet der Kopf die einzelnen magnetischen Teilchen in der Schicht aus -- wie Kompassnadeln. Zeigt beispielsweise der magnetische Nordpol in die Bewegungsrichtung des Kopfs, ist auf der Festplatte das kodierte Signal für eine "Null" gespeichert; schaut der Südpol nach vorne, handelt es sich um eine "Eins".

Jahr für Jahr hat sich zuletzt die Speicherdichte verdoppelt, die Ingenieure konnten immer mehr "Bits" auf immer kleinerem Raum unterbringen. "Langsam kommen wir jedoch zu dem Punkt, an dem die Datensicherheit gefährdet würde, wenn wir die Bits weiter schrumpfen", sagt Kim Nguyen, Sprecherin von Hitachi Global Storage Technologies.

Der Feind heißt superparamagnetischer Effekt: Wenn die Bits zu klein werden, können sie spontan ihre magnetische Orientierung verlieren -- zum Beispiel bei leichten Temperaturschwankungen. Aus einer gespeicherten Null wird plötzlich eine Eins. "So etwas macht eine Festplatte natürlich unbrauchbar", sagt John Best, Technik-Chef bei Hitachi.

Um die Physik auszutricksen und trotzdem die Speicherdichte zu erhöhen, arbeiten die Forscher derzeit an einer "aufrechten" Speicherung der Daten. Bislang liegen die einzelnen Bits flach wie Dominosteine auf der Festplatte, wodurch sie viel Platz verschwenden. Die neue Technologie, "perpendicular recording" genannt, richtet das Magnet-Domino dagegen auf. Die Bits stehen aufrecht nebeneinander - in Reih' und Glied.

Das erhöht nicht nur die Speicherdichte, sondern erschwert auch spontane Umpolungen durch den superparamagnetischen Effekt. Auf dem Papier steigert die neue Speichertaktik die Kapazität einer Festplatte um den Faktor zehn. Hitachi testet derzeit Prototypen, Ende des Jahres sollen erste Produkte auf den Markt kommen. Selbst Mini-Festplatten von 2,5 Zentimetern Größe, die als "Microdrives" schon heute in MP3-Playern und Digitalkameras Platz finden, könnten dann 60 Gigabyte Daten schlucken.

Daten wie Dominosteine

Mit der Speicherdichte ist es aber nicht getan. Da von den aufrecht stehenden Domino-Bits nur noch die schmale Stirnseite zu sehen sein wird, müssen auch die Schreib- und Leseköpfe deutlich sensibler werden. Schon tüfteln die Ingenieure in den Labors der Festplattenhersteller an empfindlicheren Magnetspulen. Auch die Algorithmen, die entscheiden, ob es sich beim ausgelesenen Wert um eine "Null" oder eine "Eins" handelt, müssen angesichts der schwächeren Signale verfeinert werden.

"Senkrechtes Schreiben ist nicht das Patentrezept für alle Speicherbedürfnisse", sagt Nguyen. "Es ist viel mehr ein Sprungbrett, das der Festplattenindustrie Raum zum Atmen gibt -- um letztlich ganz neue Technologien zu entwickeln."

Denn das große Ziel bleibt, die Bits zu schrumpfen: "Ein typisches Bit auf einer Festplatte setzt sich heutzutage aus rund 100 Körnchen der Plattenoberfläche zusammen", sagt Dieter Weller, Leiter der Abteilung Medienforschung beim Festplattenhersteller Seagate. "Derzeit arbeiten wir daran, jedes einzelne magnetische Körnchen in ein Bit zu verwandeln." Dadurch würde die Speicherdichte dramatisch steigen -- theoretisch um den Faktor 100.

Ganz von allein werden aus Magnetkörnern aber keine Magnetspeicher. Während bei einer herkömmlichen Festplatte die einzelnen Bitklumpen vom Schreibkopf geformt und auch wieder gelöscht werden können, müssten auf der Festplatte der Zukunft die Positionen aller Bit-Körner vorgegeben werden. Derzeit arbeiten die Ingenieure daran, die Platte mit einem regelmäßigen Lochmuster zu überziehen. In dessen Vertiefungen würden dann die Bits sitzen.

Um zu verhindern, dass sich die winzigen Magnetkörner spontan umpolen, müssten sie zudem in eine besonders robuste Magnetschicht eingebaut werden. Doch das bereitet neue Probleme: Um Daten in einem solch harten Material abzuspeichern, muss der Schreibkopf ein extrem starkes Magnetfeld erzeugen - stärker als derzeit technisch machbar.

Deshalb versuchen die Forscher mit einem Trick, die benötigten Felder zu reduzieren: In den Labors untersuchen sie, ob ein kurzzeitiges Erwärmen der Magnetkörner das Problem beseitigen könnte. Dazu wird jedes Bit zunächst mit einem Laser erhitzt. Die warme Magnetschicht lässt sich anschließend einfacher magnetisieren und speichert -- nachdem sie abgekühlt ist -- verlässlicher die Daten. In der Theorie ließen sich somit auf der Fläche einer Zwei-Euro-Münze mehr als 50 Terabyte speichern -- rund hundertmal so viel wie auf die größten derzeit erhältlichen PC-Festplatten passt.

Doch womöglich werden solche Datenmengen gar nicht mehr ins Rotieren kommen: Festplatten könnten in Zukunft von so genannten Flash-Speichern abgelöst werden. Diese Chips werden schon heute in einfachen MP3-Playern und USB-Sticks eingesetzt -- überall dort, wo ein paar Daten ohne großen Aufwand permanent gespeichert werden müssen.

Bald schon sollen in den Chips aber auch größere Datenmengen gesichert werden: Der koreanische Hersteller Samsung hat vor kurzem die erste Flash-Festplatte für den Massenmarkt vorgestellt, die "Solid State Disk". Deren Speicherbänke protzen mit einer hohen Schreib- und Lesegeschwindigkeit, verbrauchen dabei aber nur fünf Prozent des Stromes moderner Festplatten. Zudem bewegen sich in den Speicherchips keine mechanischen Teile, die gekühlt werden müssen und kaputt gehen können.

Teure Konkurrenz

Allerdings lässt die Zuverlässigkeit aktueller Flash-Chips nach einigen Zehntausend Speichervorgängen nach -- und die sind schnell erreicht. Zweites großes Handicap der Festplatten-Konkurrenten: ihr hoher Preis. Samsung plant, die ersten "Solid State Disks" mit einer durchaus bescheidenen Kapazität von 16 Gigabyte auf den Markt zu bringen. Über den Preis der neuen Speicher schweigen sich die Koreaner noch aus. Doch allein die benötigten Chips dürften bei den derzeitigen Marktpreisen mit bis zu 900 Dollar zu Buche schlagen.

Verfechter der Flash-Speicher ficht das nicht an. Sie bauen darauf, dass die Preise -- sobald die Technik durchstartet -- deutlich fallen werden. Schließlich war auch die erste Festplatte 1956 kaum erschwinglich: Auf 50 Platten mit jeweils 60 Zentimetern Durchmesser packte IBM damals den wertvollen Speicherplatz. Die monatliche Miete für das System lag bei 150 Dollar - pro Megabyte.

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